„The Knast“ bietet Fine Dining im Südwesten. Außerdem: Streifzug durch die Markthalle Neun und Besuch in „Berlins bestem Biergarten. Der Newsletter „Genießen in Berlin“ vom 16. August 2025.

Liebe Leserin, lieber Leser,

waren Sie schon mal im Knast? Also im Gefängnis? Ich hoffe nicht. Mich hat vor vielen Jahren einmal der Polizeipräsident von Potsdam höchstpersönlich in eine Zelle gesperrt. Vielleicht war es auch ein Mitglied seines Führungsstabes, es ist wirklich lange her. Warum? Zum Glück nicht, weil ich etwas verbrochen hatte. Das Ganze geschah im Rahmen der Weihnachts-Bilanz-Pressekonferenz des Polizeipräsidiums Potsdam, das sich zu diesen Gelegenheiten immer etwas Neues für die Polizeireporterinnen und -reporter aus Brandenburg und Berlin einfallen ließ. Was Ihnen verrät, dass ich in meinen journalistischen Anfangszeiten einige Jahre auch diesem harten Gewerbe nachging. Ich war jung und brauchte das Geld, was will man machen? Aber es war auch spannend, eine gute Schule und erfüllt mich bis heute mit Hochachtung für die Kolleginnen und Kollegen, die diesen wichtigen Job machen.

Mal ging es bei diesen Veranstaltungen um die halb simulierte Festnahme eines Kollegen, der so tun musste, als ob er ein Auto aufbrach, mal ging es zum Schießtraining. In diesem Fall galt es, einen Kriminalfall deduktiv zu lösen, wenn ich mich recht entsinne, um wieder „entlassen“ zu werden.

Das Gefühl in so einer Zelle empfand ich jedenfalls als sehr unangenehm. Und ich wurde daran erinnert, als ich im Mai in das ehemalige Frauengefängnis in Lichterfelde eingeladen wurde. Dort ist inzwischen ein Fine-Dining-Restaurant namens „The Knast“ untergebracht, es gibt zudem eine Bar, und im November soll dort sogar ein Boutique-Hotel eröffnen. Der Zellentrakt jedenfalls vermittelte mir wieder dieses Gefühl der Enge, das einen Klaustrophobiker sicher vor Herausforderungen gestellt hätte.

The Knast Lichterfelde

„The Knast“: Küchenchef Michael Zscharschuch, Janina Atmadi und Barchef Godwin Eke (v.li.).
© Franz Michael Rohm | Franz Michael Rohm

Bis dahin hatte ich gezögert, „The Knast“ aufzusuchen. Schuld waren Angaben in den Pressemitteilungen, die das Fotografieren in der Bar untersagen und den Zutritt nur Menschen ab 18 Jahren gestatten. Was findet dort statt? Ja, es gibt Burlesque-Veranstaltungen in der Bar, wo die Gäste auch mal freizügiger gekleidet auftauchen, ansonsten vermittelt das Ganze aber ein seriöses Ambiente. Betreiberin und Botschafterin ist Janina Atmadi, die das hedonistische Prinzip nach außen vertritt und es so normal schildert, dass selbst der Prüdeste nicht mehr zuckt.

Seit kurzem hat Atmadi einen neuen Küchenchef eingestellt, der ein ganz klares Ziel hat: den Stern. Nicht unambitioniert und auch gewagt, wenn man sich ansieht, wie es der Spitzengastronomie zurzeit geht. Ich durfte im Mai jedenfalls schon mal die Kochkünste von Sous Chef Rüdiger Todorow verkosten, was mich durchaus glücklich gemacht hat. Und Franz Michael Rohm hat jetzt vorbeigeschaut, um zu erleben, was Michael Zscharschuch anzubieten hat. Sein Fazit: Der Stern ist es noch nicht, aber die Richtung dahin stimmt.

Sterneküche ganz ohne Tier

Nikodemus Berger

Nikodemus Berger ist Küchenchef im „Bonvivant Cocktail Bistro“.
© Gesa Noormann | Gesa Noormann

Auf einen Stern hin zu kochen, ist für einen anderen Spitzenkoch Berlins längst kein Thema mehr, er hat ihn schon. Die Rede ist von Nikodemus Berger, Küchenchef im „Bonvivant Cocktail Bistro“ in Schöneberg. Nikodemus ist ein junger, sehr engagierter und sympathischer Vertreter seiner Zunft, der viele seiner Zutaten in den Berliner Parks und Wäldern sammelt.

Seit Januar hat er seine vegetarische Küche komplett auf vegan umgestellt. Wer jetzt verächtlich die Mundwinkel verzieht oder die Nase rümpft, begeht einen Irrtum. Berger kocht rein pflanzlich, aber so, dass es den meisten Menschen überhaupt nicht auffällt, was auch sein Ziel ist. Gesa Noormann hat ihn für unsere Serie über Berliner Spitzenköche besucht und schildert ausführlich ihre Begeisterung für das Menü, das er serviert.

Zu Besuch in der Markthalle Neun

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich liebe Märkte und Markthallen. In unserem Südfrankreich-Urlaub machen wir gerne einen Abstecher nach Italien, auch wenn die Mietwagen-Firmen dafür inzwischen extra Gebühren verlangen. 130 Euro kostet der Spaß bei manchem Anbieter. Und wer nach Monaco will, muss das auch zahlen. Der Grund? Die Abschleppkosten bei Panne oder Unfall seien so hoch. Ich glaube zwar eher, dass das ein Fall für Peter Giesel und seine Sendung „Achtung Abzocke“ ist, aber na ja.

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In den ligurischen Küstenstädten findet jedenfalls jeweils an einem anderen Wochentag ein riesiger Markt statt. Freitags gastiert er in Ventimiglia, und Hunderte, wenn nicht Tausende Einheimische aus Nizza und Umgebung strömen dorthin. Gründe gibt es viele. Der Markt bietet kaum Lebensmittel, sondern vor allem billige Textilien, gerne auch mal gefälschte Markenartikel wie vermeintliche Luxushandtaschen mit „LV“-Logo oder dem „H“. Der französische Zoll hat alle Hände voll zu tun, um den Franzosen diese falschen Taschen oder auch die gefälschten Luxusuhren, die von fliegenden Händlern verkauft werden, an den Mautstellen auf den Autobahnen wieder abzunehmen.

Blick auf den Freitagsmarkt in Ventimiglia (Archivbild).

Blick auf den Freitagsmarkt in Ventimiglia (Archivbild).
© Shutterstock / Travel-Fr | Travel-Fr

Auszurotten ist dieses Gewerbe wahrscheinlich nicht. Ein weiterer Grund sind die deutlich niedrigeren Preise für Alkohol und Zigaretten als im gesundheitsbewusst regierten Frankreich, wo eine Packung Glimmstängel längst mehr als zehn Euro kostet. In Italien? Die Hälfte. Insofern ist Ventimiglia auch eine Ansammlung von Tabak- und Spirituosenläden, die sich rund um die Straße am Meer angesiedelt haben, wo der Markt freitags stattfindet. Wir sparen uns das Gedränge und das Angebot mit seinen billigen Socken, Schuhen, Kleidern und Haushaltswaren inzwischen weitgehend. Die Restaurants muss man auch nicht aufsuchen, dort gibt es teilweise spezielle Freitagskarten, auf denen die Gerichte etwas teurer sind als unter der Woche. Und das bevorzugte Restaurant der Geissens, das „La Caravella“, konnte uns bislang nicht so richtig überzeugen.

Aber Ventimiglia hat eine Markthalle, und die hat es in sich. Frische, handgefertigte Pasta, Zitronen von der Amalfiküste, Tomaten aus Salerno oder San Marzano, Artischocken von den Hängen des Vesuv oder auch Obst aus dem eigenen Garten der Händler. Es ist ein Paradies.

Ein Händler in der Markthalle von Ventimiglia (Archivbild).

Ein Händler in der Markthalle von Ventimiglia (Archivbild).
© Shutterstock / Chrispictures | Chrispictures

Auch Berlin hat inzwischen wieder schöne Markthallen, die wir Ihnen ja als Serie in lockerer Folge vorstellen. Franz Michael Rohm hat nach der Marheineke-Markthalle auch die zweite Kreuzberger Institution aufgesucht, die inzwischen weit über Berlin hinaus bekannte Markthalle Neun an der Eisenbahnstraße. Auch hier kann man hervorragende Lebensmittel kaufen, aber sich auch vor allem so richtig durchfuttern. Zahlreiche Stände bieten Selbstgemachtes an, und donnerstags strömen vor allem die Touristen auf den Streetfood Market. Was Sie zwischen Kumpeln, Keulen, Mailänder Broten und „alter Milch“ noch alles entdecken können: Hier macht Ihnen der Kollege Appetit auf mehr. Das Titelbild dieses Newsletters zeigt übrigens Michela Mastrella und Guillermo Beltrami von „Sironi“ mit herzhaften und süßen Teigwaren.

Markthalle Neun

John Jones von „Frisch gefischt“ verkauft neben Hecht noch rund zwei Dutzend Sorten Frischfisch.
© Franz Michael Rohm | Franz Michael Rohm

Bayerische Handwerkskunst in Lichterfelde

Es gibt Küchen, die sind nichts für den Alltag. Während Französisch und Italienisch eigentlich immer gehen, muss ich auf Griechisch, Chinesisch oder Bayerisch richtig Lust haben. Vergangenen Sonntag war es wieder so weit. Mal rauskommen, mal was anderes essen. Die Wahl fiel auf bayerisch. Nur wohin? Wir wollten ein Lokal im Grünen, idealerweise mit Biergarten, nicht weit von uns entfernt, aber mit großem Abstand zur Massenabfertigung für Touristen, wie sie in vielen innerstädtischen Lagen üblich ist und wo man zwischen Chinesen, Spaniern, Engländern und Amerikanern sitzt. Besonders Chinesen lieben wohl die bayerisch-deftige Kost, so erzählte es mir mal eine Tourismus-Managerin. Alle paar Tage müssten sie dann aber in eines der authentisch chinesischen Restaurants in Berlin, um Magen und Darm auszukurieren.

Weihenstephaner Lichterfelde

Blick in den Biergarten des „Weihenstephaner Lichterfelde“. Foto: Alexander Uhl
© Berliner Morgenpost | Alexander Uhl

Wir stießen auf ein Lokal, in dem ich noch nie war, dessen Web-Auftritt aber vielversprechend wirkte: das einstige „Maria & Josef“, heute „Weihenstephaner Lichterfelde“, direkt am S-Bahnhof Lichterfelde-West. Ein kuscheliger und überaus gepflegter Biergarten unter Eichen und Linden mit nettem und aufmerksamem Service, heimelig wirkenden Gasträumen, gepflegtem Bier. Die Karte ist dankenswerterweise überschaubar, hier versucht niemand, alles anzubieten, was Markus Söder schmecken könnte, der ja gerne auf Instagram seine Mahlzeiten mit seinen 757.000 Followern teilt.

Ich wurde jedenfalls neugierig und versetzte mich in den Dienst, so würde man bei der Polizei sagen, vom privaten Gast zum Gastro-Journalisten. Während meine Frau das Backhendl mit Kartoffel-Gurken-Salat für 17,50 Euro auswählte, pickte ich aus Lust und professionellem Interesse ein Gericht heraus, das viele bajuwarische Massen-Gastronomien vor Herausforderungen stellt: „Hax‘n auf Sauerkraut mit Weihenstephaner Schwarzbiersoße und Kartoffelstampf“ für 20,90 Euro. Drei Dinge sind für mich bei einer Haxe essenziell: Die Kruste muss kross sein, nicht gummiartig, das Fleisch saftig und zart, nicht trocken und holzig oder strohig. Und die Soße darf nicht nach Pulver oder Bindemitteln schmecken. Ich war skeptisch, weil ich genau das schon viel zu oft bekommen hatte, selbst in Bayern, am Tegernsee.

Weihenstephaner Lichterfelde

Die Hax’n mit Sauerkraut, Kartoffelstampf und Dunkelbiersoße. Foto: Alexander Uhl
© Berliner Morgenpost | Alexander Uhl

Um es kurz zu machen: Was da serviert wurde, war beste Handwerkskunst. Kruste: super kross. Fleisch: herrlich saftig und zart. Soße: hervorragend und in genau der richtigen Menge. Kartoffelstampf: hausgemacht, mit feinem Butteraroma und kleinen Stücken darin. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt der Küche ein Kompliment ausgesprochen habe, hier war es angebracht. In meinem Erfahrungsbericht für die Rubrik „Unter 25 Euro“ können Sie alles ausführlich nachlesen. Ich hoffe, ich kann Ihnen damit Appetit auf einen Besuch im beschaulichen Lichterfelde-West machen, das „Weihenstephaner Lichterfelde“ hat es verdient, zurzeit gibt es auch eine Saisonkarte mit Pfifferlingen. Und ja, ich war anonym da und habe für das Essen bezahlt. 😊

Als ich übrigens einem Kollegen, der in Lichterfelde wohnt, davon erzählte, lächelte er nur müde. „Bester Biergarten Berlins“, erwiderte er lapidar. Do hom ma‘s.

Also, besuchen Sie gerne den „besten Biergarten“, ich hoffe, Sie werden auch angetan sein. Oder lassen Sie es sich in der Markthalle Neun gutgehen, in einigen Monaten verkauft dort auch Berlins Trüffelkönig Massimo Ferradino wieder seine Köstlichkeiten. Oder Sie lassen sich auf vegane Sterneküche ein oder auf einen Besuch im „Knast“. In jedem Fall wünsche ich Ihnen eine genussvolle Woche und verbleibe wie immer

herzlich, Ihr

Alexander Uhl

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