Publiziert16. August 2025, 10:33
Verschiedene Viren: «Die Pocken sind nicht ausgerottet» – Doch, sind sie
Die Pocken wurden 1980 von der WHO für ausgerottet erklärt. Dennoch werden immer wieder Infektionen mit Orthopoxviren bekannt. Die WHO-Aussage stimmt dennoch.
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Die WHO erklärte die Pocken 1980 für ausgerottet.
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Seitdem gibt es keine natürlichen Fälle mehr mit den früher tödlichen Pockenviren.
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Die Viren existieren nur noch in zwei Hochsicherheitslaboren in den USA und Russland.
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Meldungen über «Pockenfälle» betreffen heute andere Pockenarten wie Mpox, Kuh- oder Alaskapocken.
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Diese sogenannten Zoonosen stammen von Tieren und sind nicht mit den Echten Pocken gleichzusetzen.
Der Artikel über die Herkunft der Narbe am Oberarm wurde rege kommentiert. Viele erzählten von ihrer Pockenimpfung. Auch Impfungen generell waren ein Thema. Ein User monierte die Aussage, dass die Pocken seit 1980 als ausgerottet gelten: «Die Pocken sind nicht ausgerottet. Es gab in den letzten Jahren wieder neue Fälle, wie zum Beispiel in den USA.» Was stimmt?
WHO erklärte Pocken 1980 für ausgerottet
Die Pocken, auch Blattern genannt, waren die schlimmste Geissel der Menschheit. Sie zirkulierten fast 3000 Jahre in der Welt und kosteten unzähligen Menschen das Leben. Schätzungen zufolge starben allein im 20. Jahrhundert weltweit noch 300 Millionen Menschen daran. Das änderte sich erst mit der 1967 eingeführten weltweiten Pockenimpfpflicht.
Am 8. Mai 1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO die Pocken für ausgerottet: «Für eine künftige Rückkehr gibt es keinerlei Hinweise.» Das heisst: Sie kommen nicht mehr natürlich vor. Sie existieren nur noch in zwei Hochsicherheits-Laboratorien in Russland und den USA.
Darum gelang die Ausrottung
Die Pockenviren, die so viele Menschen töteten, können sich ausschliesslich in Menschen vermehren. Sie sind die einzigen Wirte. Zudem geht die Krankheit so gut wie immer mit Symptomen einher. Damit war die Krankheit leicht und frühzeitig erkennbar. Weiterer Vorteil: Die Infektion verlief immer akut. Wer sie überlebte, war die Viren für immer los. Wer einmal Pocken hatte, konnte nicht noch einmal erkranken. Auch der durch die Impfung geschaffene Schutz hält lange an und verhindert sogar Infektionen durch Mpox.
Zwei Stämme für frühere Pockenepidemien verantwortlich
Bei den Pocken, die einst so viele Menschen das Leben kosteten, handelt es sich um die Viren-Gattung der Orthopoxviren, die zur Familie der Poxviridae zählen. Gefahr ging vor allem von den Stämmen Variola major (Echten Pocken) und Variola minor (Weisse Pocken) aus. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Schweregrades der Erkrankung: Bei den Echten Pocken liegt die Sterblichkeit bei bis zu 30 Prozent. Sie machten laut US-Gesundheitsbehörde CDC während der Pockenära über 85 Prozent aller Fälle aus. Die Weissen Pocken führten in etwa einem Prozent der Fälle zum Tod. Harmlos waren aber auch sie nicht. Gegen diese Stämme war der im Rahmen der obligatorischen Impfungen verabreichte Impfstoff gerichtet.
Pockenfamilie ist aber grösser
Neben den Pockenviren, deren alleiniger Wirt der Mensch ist, gibt es auch verschiedene Arten von Tierpocken. Auch diese können teilweise auf den Menschen überspringen. Entsprechende Infektionen werden Zoonosen genannt. Um solche handelte es sich bei den vom User in den Kommentaren erwähnten Fällen, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Mpox
Am bekannten dürfte die ehemals als Affenpocken bekannte Krankheit Mpox sein. Sie wird durch Orthopoxvirus monkeypox ausgelöst. Die Erkrankung wurde erstmals 1958 bei Laboraffen (Javaneraffen) mit pockenähnlichen Symptomen beobachtet, sie dürfte aber von Nagetieren ausgehen. Der erste bestätigte Fall beim Menschen wurde 1970 in der Demokratischen Republik Kongo bei einem Kind dokumentiert. Sie können von Mensch zu Mensch übertragen werden.
Bis 2022 gab es laut Bundesamt für Gesundheit BAG in West- und Zentralafrika gelegentlich einzelne Fälle und kleinere Ausbrüche (Klade I). «Ausserhalb dieser Regionen wurden ausser einem Ausbruch 2003 in den USA nur Einzelfälle nach Reisen in die Risikogebiete beobachtet.» Im Sommer 2022 wurden erstmals weltweit und auch in der Schweiz aussergewöhnlich viele Infektionen (Klade II) festgestellt. Seit September 2023 kennt die Welt auch eine als Klade Ib bezeichnete Variante. Im September 2024 hat die WHO den ersten Mpox-Impfstoff zugelassen.
Kuhpocken
Auch die Kuhpocken, mitunter auch Rinderpocken genannt, zählen zu den Zoonosen. Sie gehen auf das Virus Variola bovina zurück, das ebenfalls zur Familie der Orthopoxviren gehört.
Es löst eine milde pockenartige Erkrankung aus, die lange Zeit hauptsächlich Rinder befallen hat. Menschen steckten sich früher meist beim Melken an. Die Infektion beschränkte sich dabei auf die Hände (Melkerknoten). Seit kaum noch von Hand gemolken wird, ist die Viruserkrankung so gut wie verschwunden. Heute sind es vor allem Ratten und Katzen, bei denen sich Menschen anstecken können. 2018 traf es einen 15-Jährigen aus Grossbritannien:
Den Kuhpocken ist es zu verdanken, dass die Pockenepidemie beim Menschen bekämpft werden konnte: 1796 bemerkte der englische Arzt Edward Jenner, dass von der Krankheit genesene Melkerinnen später nicht mehr an den deutlich gefährlicheren Pocken erkrankten. Die Pocken töteten damals etwa jede fünfte erkrankte Person. Jenner spritzte daraufhin dem achtjährigen James Phipps Flüssigkeit aus einem Geschwür einer Melkerin, die Kuhpocken hatte. Wenig später verabreichte er dem Jungen Pockenviren. Der Bub wurde nicht krank. Die Immunisierung hatte funktioniert.
Alaskapocken
Die Alaskapocken sind seit 2015 bekannt. Ausgelöst werden sie vom Virus Borealpox-Virus aus der Familie der Orthopoxviren. Als natürliche Träger kommen bislang vier verschiedene Kleinsäugerarten, darunter Rötelmäuse und Spitzmäuse, infrage. Bis Februar 2024 wurden sieben Krankheitsfälle gemeldet, einer davon verlief aufgrund eines geschwächten Immunsystems tödlich. Der Verstorbene soll zuvor von einer streunenden Katze gekratzt worden sein, die zuvor infizierte Nagetiere erlegt haben könnte. Ausserhalb von Alaska sind keine Fälle bekannt, ebenso wenig eine Ansteckung von Mensch zu Mensch.
Ansteckung bei einem Zwischenfall im Hochsicherheitslabor
Das Vacciniavirus (VACV) ist ein Orthopockenvirus, das in Pockenimpfstoffen, als Vektor für neue Krebsbehandlungen und in der experimentellen Impfstoffforschung verwendet wird. Im Jahr 2019 berichteten US-Forschende von einer 26-jährigen Amerikanerin, die sich bei der Arbeit in einem Hochsicherheitslabor bei einem Nadelstich mit einer gentechnisch veränderten Variante infizierte. Die ihr angebotene Pockenimpfung hatte sie zuvor abgelehnt.
Sie entwickelte daraufhin an der Einstichstelle für Pocken typische Bläschen. Dann kamen noch Fieber, geschwollene Lymphknoten in der linken Achselhöhle, Unwohlsein und Schmerzen hinzu. Zudem formte sich ein Ödem. Später bildete sich ein Kompartmentsyndrom, bei dem zunehmender Druck im Gewebe zu einer Verminderung der Durchblutung führt. In der Folge starb Gewebe ab (Nekrose). Die Frau wurde erfolgreich mit einem antiviralen Medikament und Antikörpern behandelt. Sie infizierte niemanden.
WHO-Erklärung hat immer noch Gültigkeit
Ansteckungen mit den für die grossen Pockenepidemien verantwortlichen Viren hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Der letzte natürliche Fall von Pocken wurde 1977 in Somalia registriert. Die WHO-Aussage hat damit immer noch Gültigkeit. Meldungen über «Pockeninfektionen» betreffen heute andere Pockenviren.
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