Essen. Luisa Palmen ist die neue Torhüterin der SGS Essen. Dass sie einst Stürmerin war, beweist sie noch immer vom Elfmeterpunkt. Das sind ihre Ziele.

Es liefen die letzten Minuten der Verlängerung im Zweitrundenspiel des DFB-Pokals, als Borussia Mönchengladbachs Luisa Palmen auf der Bank nicht mehr stillsitzen konnte. Ihre Frage nach einer Einwechslung gegen den 1. FC Köln verneinte ihr Trainer noch, bat die 23-Jährige dann aber doch, sich bereit zu machen. Schnell waren Trikot, Hose und Stutzen von Mitspielerinnen geliehen, und Palmen fand sich auf dem linken Flügel wieder. Im Elfmeterschießen trat sie schließlich als vierte Schützin an und hatte durch ihren Treffer Anteil am Achtelfinaleinzug. Das Kuriose daran: Luisa Palmen ist Torhüterin und steht nun einige Monate später bei der SGS Essen unter Vertrag. Und der Neuzugang beim Frauen-Bundesligisten möchte dort trotz Elfmeter-Expertise künftig Tore verhindern und kämpft mit Kim Sindermann um den Platz zwischen den Pfosten.

Für den Notfall aber wird Palmen auch bei der SGS gerüstet sein. Schließlich hat sie aus ihrem letzten Elfmetereinsatz gelernt. „Gegen Köln musste es damals ganz schnell gehen. Ich habe mir das Trikot einer ausgewechselten Mitspielerin geschnappt, das war aber leider in Größe S“, lacht die Torfrau, die mit ihren stattlichen 1,80 Metern zusammen mit Laura Pucks die größte Essenerin im Kader ist. Es ist nur eine Anekdote, die aber erahnen lässt, wie Palmen ihr Spiel interpretiert: Sie ist eine mitspielende Torfrau, die gerne weiter vor dem Kasten steht. Weil das nicht immer ohne Risiko ist, läuft bereits die erste Wette mit Kapitänin Jacqueline Meißner.

Luisa Palmen im Testspiel der SGS Essen gegen den 1. FSV Mainz 05.

Luisa Palmen im Testspiel der SGS Essen gegen den 1. FSV Mainz 05.
© FUNKE Foto Services | Michael Gohl

SGS Essen: „Essen ist eine andere Welt“

„Es geht darum, wann ich das erste Mal überlupft werde. Aber wenn ich dafür zehn Mal einen langen Pass ablaufe, ist das okay“, findet die 23-Jährige, die zuletzt im Test gegen den niederländischen Meister Twente Enschede (2:0) eine erste Duftmarke setzte. Zunächst klärte sie einen Konter der Gäste durch ihr mutiges Herauslaufen und zeigte gerade in der Schlussphase ihre Strafraumbeherrschung, als sie zwei Eckbälle aus der Luft fischte. Auffallend war zudem, dass sie im Spielaufbau nicht davor zurückschreckt, durch vertikale Pässe auch die erste Pressinglinie des Gegners zu überspielen. Immerhin beschreibt sie ihren rechten Fuß als ihre größte Stärke.

„Nach Abpfiff war ich einfach nur glücklich und froh, dass ich zeigen konnte, in welche Richtung mein Spiel geht“, erklärt sie, die keinen Hehl daraus macht, dass der Sprung aus der 2. Liga nach Essen enorm war. „Es ist eine andere Welt. Ich trainiere hier häufiger, länger und härter“, sagt sie gut gelaunt. „Dir wird nichts geschenkt, aber das ist genau, was ich wollte.“ Und dem ordnet sie im Moment alles Andere unter. Auch ihre Bachelorarbeit im Bereich Ernährungsmanagement an der Fernhochschule Apollon in Bremen, die sie vorerst nicht weiterschreiben wird. „Ich habe mir in den letzten zwei Jahren erarbeitet, dass ich meine Priorität jetzt voll und ganz auf die SGS legen kann.“

Will auch bei der SGS Essen jubeln: Luisa Palmen.

Will auch bei der SGS Essen jubeln: Luisa Palmen.
© Getty Images For DFB | Vera Loitzsch

SGS Essen: Duell um Nummer eins bald ein Dreikampf?

Deshalb war es ihr auch wichtig, ihren Umzug nach Essen mit allem Drumherum noch vor dem Trainingsauftakt erledigt zu haben. Denn sie war sich der aktuellen Konkurrenzsituation bei der SGS bewusst. Wer dort am Saisonbeginn zwischen den Pfosten steht, ist nach Aussage von Teamchef Robert Augustin noch völlig offen. Daher teilen sich Sindermann und Palmen in den Testspielen die Arbeit – und haben bisher beide kaum Schwächen gezeigt. Pia Lucassen (19) braucht nach ihrer Verletzung noch etwas Zeit, könnte das Duell um die Nummer eins aber in absehbarer Zeit noch auf einen Dreikampf ausweiten.

„Natürlich bin ich nicht hierhergekommen, um mich freiwillig auf die Bank zu setzen“, frohlockt die Herausforderin. „Aber Kim wird auch alles dafür tun, im Tor zu stehen. Es ist eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten, auch für unsere Trainer“, findet Palmen, die versucht, sich nur auf ihre Leistung zu fokussieren. „Nur die kann ich ja beeinflussen. Und dann werden wir sehen, was in drei, vier Wochen dabei rausspringt. Auf jeden Fall werde ich dann sagen können, alles gegeben zu haben.“ Kraft getankt für diesen Konkurrenzkampf hat sie bei einer kleinen Auszeit noch vor ihrem Wechsel. Sie erzählt von drei, vier Tagen „Me-Time“ in Valencia und einem Familienurlaub in Holland.

SGS Essen: Früher Stürmerin, nun im Tor

Mit dabei war auch ihr Vater Patrik, der überhaupt erst die Idee hatte, dass seine Tochter es doch mal als Torfrau versuchen sollte. Damals war Palmen schon zwölf Jahre alt und spielte als Stürmerin, ehe der Zufall zuschlug und durch Krankheit die Position zwischen den Pfosten plötzlich frei war. „Ich glaube, so war´s damals“, grinst sie. „Tatsächlich ist der Torriecher auch noch tief in mir drin. Manchmal vermisse ich es ein bisschen.“ Als „Peak“ beschreibt sie den Moment des Torerfolgs, der ihr mittlerweile für gewöhnlich vorenthalten bleibt. So einen Moment zu erleben, sei im Tor schwieriger.

„Du wirst ja häufig nicht an guten Paraden gemessen, sondern an den Fehlern, die du machst“, moniert sie. Aber Palmen hat schnell gelernt, damit umzugehen. „Heute ist es für mich auch ein Peak, wenn ich einen Elfmeter halte oder in der 90. Minute ein Eins-Gegen-Eins gewinne. Die Herausforderung ist, diese Momente genauso zu genießen wie einen Torerfolg.“ Allerdings hätte sie bei der SGS auch nichts dagegen, beides zu erleben. „Wenn ich der Mannschaft damit Druck abnehmen kann, werde ich gerne auch einen Elfmeter schießen.“