Der Papst als Megaposter in der „Bravo“ – vor zwanzig Jahren gab es das wirklich. Die Jugendzeitschrift wurde ergänzt durch Benedikt XVI. in 55 mal 80 Zentimeter, lächelnd und winkend. Damals sagte Chefredakteur Tom Junkersdorf, die „Bravo“ berichte über Stars, und für viele Jugendliche in Deutschland sei Papst Benedikt XVI. ein Star. Damals, im Sommer 2005, war dank „Bild“ ganz Deutschland seit wenigen Monaten Papst. Damals gehörten noch mehr Menschen den Kirchen an. Damals dominierte nicht das Missbrauch das Bild der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit.
Im Sommer 2005 schallten „Benedetto“-Rufe durch Köln. Zum Weltjugendtag kamen insgesamt mehr als eine Million junger Menschen aus aller Welt, um gemeinsam zu glauben, zu feiern und Deutschland als Gastland kennenzulernen. „Die Kirche zeigte sich jung, fröhlich und ausgelassen“, erinnert sich der Kölner Edward Balagon, „mittendrin der neue Papst, nahbar und großväterlich“. Er begeisterte mit der Reise nicht nur die Jugend, sondern setzte auch mit dem Besuch in der Kölner Synagoge und einem Treffen mit der muslimischen Gemeinde wichtige Zeichen.
Erste Auslandsreise des damals neuen Papstes
Die Reise nach Köln war für Benedikt XVI. seine erste Auslandsreise. Das Medienecho war groß. Mit dem Schiff auf dem Rhein kam der Papst in der Domstadt an. „Die Bilder, wie die jungen Menschen am und im Rhein stehen und jubeln – das war sensationell“, erinnert sich Schlagzeuger Janus Fröhlich, der damals auf dem Schiff musizierte. „Aufbruch, Begeisterung, Zukunftsfreude, das alles war in der Stadt zu spüren“, so der Kölner Musiker.
„Mit dem Weltjugendtag gab es in Köln bereits im Sommer vor der Fußball-WM 2006 ein Sommermärchen, bei dem Köln sich Gästen aus der ganzen Welt als weltoffene und herzliche Gastgeberin präsentierte.“
— Zitat: Sprecherin der Stadt Köln
Köln platzte aus allen Nähten, vor allem der Bahnhof kam an seine Grenzen. Trotzdem erinnert man sich auch bei der Stadt Köln gerne an die Pilgerinnen und Pilger, die mit ihren blauen Rucksäcken tagelang das Stadtbild prägten. „Mit dem Weltjugendtag gab es in Köln bereits im Sommer vor der Fußball-WM 2006 ein Sommermärchen, bei dem Köln sich Gästen aus der ganzen Welt als weltoffene und herzliche Gastgeberin präsentierte“, so eine Sprecherin der Stadt. Mit dem „Weltjugendtagsweg“ nahe des Doms erinnert die Stadt daran.
Der Geschäftsführer von KölnTourismus Jürgen Amann sieht den Weltjugendtag und den ersten Deutschlandbesuch von Benedikt XVI. als „Ereignisse von außerordentlicher Bedeutung, die Köln in den Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit gerückt haben“. Die Bilder einer überwältigenden Gemeinschaft und eines lebendigen Glaubens hätten Kölns Ruf als Ort der Begegnung weit über das Ereignis hinaus bestätigt.
Herzlichkeit, Gastfreundschaft und tiefe Spiritualität
Diesen Eindruck teilt Heiner Koch, heute Erzbischof von Berlin, damals einer der Hauptorganisatoren des Weltjugendtags: „Egal, wohin ich seitdem im Ausland kam, viele erzählten mir, dass sie damals in Köln dabei waren. Sie erzählten vor allem von der Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen und von der tiefen Spiritualität dieser Tage.“ Dem Weltjugendtag voran ging ein Vorprogramm, bei dem die internationalen Gäste deutschlandweit in Gastfamilien Land und Leute kennenlernten. Wie auch bei der Fußball-WM 2006 bestätigten die Deutschen als Gastgeber nicht ihr Bild eines eher steifen Völkchens.
Stattdessen ansteckende Fröhlichkeit, die sich im Rheinland auch dadurch zeigte, dass in Düsseldorf ein Heimatlied des Städterivalen Köln gespielt wird. „‚Viva Colonia‘ ist durch den Weltjugendtag zu weltweiten Ehren gekommen“, erzählt der damalige Höhner-Sänger Henning Krautmacher, der mit seiner Band bei einer der Eröffnungsveranstaltungen auftrat. Es gebe auch Versionen wie „Viva Polonia“, „Viva Südafrika“ und „Viva Hollandia“. „Das mag auch mit den jungen Menschen zusammenhängen, die in Köln unser Lied gehört haben“, so Krautmacher, „alle dachten wohl, dass das die offizielle WJT-Hymne ist“.
Bild: ©KNA
Benedikt XVI. beim Abschlusgottesdienst des Weltjugendtages am 21. August 2005 in Köln.
Krautmachers Erinnerung deckt sich mit den Eindrücken vieler: Straßen und Plätze voller junger, fröhlicher Menschen aller Hautschattierungen, mit Flaggen und Farben, friedlich vereint. Bodo Parge, damals Messdiener im Kölner Umland, erinnert sich besonders an die leisen Momente. „Mein Highlight waren die frühmorgendlichen Messen im Kölner Dom zum Start in den Tag“, erzählt er, außerdem der Moment der Wandlung auf dem Marienfeld. „Eine Million Menschen, die in Stille verharren.“
Besonderer Gottesdienst auf dem „Papsthügel“
Mit der Abschlussmesse auf dem Marienfeld am 21. August kam der Weltjugendtag zu seinem Höhepunkt, vorher wurde dort gemeinsam unter freiem Himmel übernachtet und bei Kerzenschein gebetet. Der „Spiegel“ gab sich nach dem Papstgottesdienst in seiner Onlineausgabe fassungslos: „Was aber bewegt Hunderttausende Jugendliche, wie die Sardinen unter dem Hügel, von dem der Nachfolger des Menschenfischers Petrus spricht, auf freiem Feld auf Iso-Matte und im Schlafsack zu nächtigen?“
Auf dem sogenannten Papsthügel erinnert das Erzbistum Köln in diesem Jahr am 29. August mit einem Gottesdienst an den Kölner Weltjugendtag. Heiner Koch wird auch dabei sein. Was ist neben den Erinnerungen geblieben? Ob ein religiöser Aufbruch anhielt, ist schwer zu prüfen – auch wenn das Nachtgebet in Form von „Nightfever“ in manchen Kirchen weiterlebt. Bischof Koch will den Weltjugendtag nicht als Mittel zum Zweck für vollere Kirchen verstanden wissen, sondern als Dienst an der Gemeinschaft und der Weltkirche. „Abertausende haben geholfen, in Gemeinden, in Schulen, haben Urlaub dafür genommen, Geld gegeben, Gastfreundschaft geschenkt. Das hat für uns alle auch Freundschaft und Glaube gestärkt. Und wir haben uns anstecken lassen.“
Von Nicola Trenz (KNA)