Bei seinem Besuch in den USA wirkte Russlands Präsident zufrieden, sogar begeistert. Er hatte allen Grund dazu. Putin kann den Krieg ungehindert fortsetzen, braucht vorerst keine Sanktionen zu fürchten und erhält vom Anführer der USA erst noch Applaus.

Jahrelang im Westen geschmäht, in den USA wieder salonfähig: Wladimir Putin gelingt mit seinem Besuch bei Donald Trump ein politischer Coup. Jahrelang im Westen geschmäht, in den USA wieder salonfähig: Wladimir Putin gelingt mit seinem Besuch bei Donald Trump ein politischer Coup.

Julia Demaree Nikhinson / AP

Das amerikanisch-russische Gipfeltreffen in Alaska hat erwartungsgemäss keinen greifbaren Fortschritt auf dem Weg zu einem Frieden in der Ukraine gebracht. Das bedeutet jedoch nicht, dass es ohne Ergebnis geendet hätte, im Gegenteil. Aus der ungewöhnlichen Begegnung fernab vom Kriegsschauplatz, auf einer Militärbasis im hohen Norden Amerikas, geht ein klarer Gewinner hervor: der russische Präsident Wladimir Putin.

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Der ehrenvolle Empfang in den Vereinigten Staaten, 18 Jahre nach seinem letzten vergleichbaren Besuch, bedeutet einen riesigen Prestigesieg für ihn. Der Handschlag in Alaska ist der letzte Beweis dafür, dass der westliche Versuch einer diplomatischen Isolierung Russlands gescheitert ist. Mehr noch: Der amerikanische Präsident Donald Trump erfüllt einen der grössten Wünsche des Kremls, nämlich dass Putin als Führer einer Grossmacht auf Augenhöhe behandelt wird. «Wir sind die Nummer 1 und sie die Nummer 2 in der Welt», sagte Trump danach und vergass in seiner Ehrfurcht für einmal sogar China.

Viel Ehre für einen Kriegsverbrecher

Politiker müssen im Dienst der Sache manchmal unappetitliche Dinge verrichten. Ein Dialog mit widerlichen Despoten ist nicht grundsätzlich falsch, wenn er mit Rückgrat und ohne Selbsterniedrigung erfolgt. Doch Trump handelt gegenüber Russland konzeptlos und geht in seiner Ehrerbietung viel zu weit. Der Anblick, wie der Anführer der freien Welt dem grössten Kriegsverbrecher der Gegenwart zulachte und applaudierte, während dieser den für ihn ausgerollten roten Teppich abschritt, war ein Moment der Schande.

Auch nach dem Treffen, das mehrere Stunden früher als geplant und ohne erkennbare Vereinbarung endete, überschüttete er «Wladimir» mit kumpelhaften Freundlichkeiten. Vergessen war offenbar, was er noch im Juli in einem Anflug von Klarsicht geäussert hatte: Putin gebe sich im Gespräch zwar immer sehr nett, aber lasse dann nachts trotzdem Städte bombardieren.

Der ausgebildete Geheimagent Putin weiss, wie er Menschen für sich einnehmen kann. In Anchorage streichelte er das Ego des Amerikaners, indem er versicherte, Trump habe die Wahl von 2020 nur wegen Betrügereien mit Briefstimmen verloren. Zudem behauptete er, unter dem Republikaner wäre der Krieg niemals ausgebrochen. Solche Schmeicheleien erfreuten den Gastgeber sichtlich. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat recht behalten mit seiner Warnung, dass Putin das Gipfeltreffen zur Manipulation der Amerikaner missbrauchen werde.

In der Sache hat Trump allem Anschein nach nichts Greifbares erhalten: weder den von ihm geforderten Waffenstillstand noch eine öffentliche Zusage Putins zu Verhandlungen mit Selenski, nicht einmal ein kurzzeitiges Moratorium für Russlands Luftangriffe gegen ukrainische Städte. Der amerikanische Präsident sprach zwar von Fortschritten, konnte aber in seinen widersprüchlichen Äusserungen nicht kohärent darlegen, worin diese bestehen.

Putin macht weiter wie bisher

Alles deutet darauf hin, dass Russland den Krieg uneingeschränkt fortsetzen will. Putin bekräftigte an der Seite Trumps unbeirrt seine Ansicht, dass als Voraussetzung für einen Frieden die «Grundursachen des Konfliktes» beseitigt werden müssten. Das ist Russlands Kurzformel für einen langen Katalog von Forderungen, die von der Ausschaltung der Ukraine als eigenständige Nation bis zur Rückabwicklung der Nato-Osterweiterung reichen.

Man kann dem Kreml viel vorwerfen, aber nicht, dass er es an Klarheit mangeln liesse. Um die russische Position zu ergründen, hätte es keinen ehrenvollen Gipfel gebraucht, kein «Abfühl-Treffen», wie es Trump nannte. So aber haben die USA den Aggressor Putin diplomatisch stark aufgewertet.

Aber nicht nur dies: Putin reist auch mit dem klaren Signal nach Hause, dass ihm die Amerikaner auf seinem Kriegskurs keine Steine in den Weg legen wollen. Von den «schwerwiegenden Konsequenzen», die Trump im Vorfeld angedroht hatte, wenn Putin einen Waffenstillstand weiter verweigere, ist jedenfalls keine Rede mehr. Der Chef des Weissen Hauses sagte in Anchorage sogar ausdrücklich, dass er in den nächsten Wochen nicht mehr an Sanktionen denken werde. Den Druck erhöhte er stattdessen auf die Ukraine, mit der Aussage, dass es nun an Selenski liege, einem Abkommen zuzustimmen. Dies klingt ganz danach, als wolle Trump im nächsten Schritt die Ukrainer – bei einem bereits für Montag geplanten Besuch Selenskis in Washington – zu weiteren Konzessionen drängen.

Rückschlag für Europa

Diese Entwicklung bedeutet ein Fiasko für die Europäer und ihre ganz anders gelagerte Ukraine-Politik. In einem vom deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz vorgestellten Fünf-Punkte-Konzept hatten sie vor dem Gipfel vergeblich für einen anderen Kurs geworben. Ein Waffenstillstand als erster Schritt, keine juristische Anerkennung für Putins Landraub, weitreichende Sicherheitsgarantien für die Ukraine und eine gemeinsame transatlantische Strategie mittels Druck auf Moskau und starken Rückhalts für Kiew sind darin zentrale Punkte.

Keines dieser Prinzipien wird von Trump mitgetragen. Der amerikanische Präsident ist nun auch in Punkt eins abrupt auf die russische Linie eingeschwenkt. Er hat die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand fallengelassen und will künftig lieber über die Details eines Friedensvertrags verhandeln. Das ist schon lange Moskaus Position, aus einem einfachen Grund: Auf diese Weise kann die russische Invasionsarmee ungehindert ihr Zerstörungswerk fortsetzen.

Trump geht ungeachtet aller europäischen Ratschläge seinen eigenen Weg und bereitet Putin damit einen Triumph. Kein Wunder, wirkte von allen Politikern am Gipfelort niemand so gelöst und freudig wie der russische Präsident.