Lassen Sie uns von Orten reden, die das Lexikon „Vegetationsflecken“ nennt. Mit anderen Worten von Oasen! Das Wetter ist danach.

Stuttgart, das Wadi zwischen Wald und Reben, hat glücklicherweise eine Menge solcher Flecken – auch wenn der Dattelpalmenbewuchs noch zu wünschen übrig lässt und sich das heimische Streuobst trotz Temperaturen jenseits der 30 Grad hartnäckig gegen den Granatäpfel-Anbau behauptet. Alles nur eine Frage der Zeit.

Zumal Stuttgart heute schon eine Reihe von Oasen-Merkmalen aufweist. Mit etwas gutem Willen erkennt man unterhalb des Württembergs die Umrisse einer sogenannten Flussoase. In Fachkreisen spricht man auch von einer „unechten Oase“, durch die ein „Fremdlingsfluss“ fließt und die Besiedlung der angrenzenden Wüstenlandschaft überhaupt erst ermöglicht, wie man an Bad Cannstatt erkennen kann, das es bekanntlich schon früh zu Blüte gebracht hat.

Die Bezeichnung „Fremdlingsfluss“ für den Neckar trifft’s im übrigen ganz gut, denn er ist bis heute auf seltsamerweise ein Fremder in der Stadt geblieben – erst recht in seiner gänzlich uncoolen Funktion als „Bundeswasserstraße“. Typisch für Flussoasen ist im übrigen, dass sie laut Lexikon „altertümliche Bewässerungskulturen“ hervorgebracht haben. Das erklärt so manches. Vielleicht auch die Cannstatter Steillagen.

Karawanen von Badenden ziehen zu den Mineralbädern

Außer Flussoasen gibt es Grundwasseroasen. In diesen, so lernen wir, wird mittels Pumpen oder Brunnen Wasser an die Oberfläche befördert. Und damit sind wir schon mitten drin in der City und blicken in den versiegten Marktplatzbrunnen und fragen uns: Wie lange es wohl noch dauert, bis dort die defekte Grundwasserpumpe erneuert ist, und auf dem – trotz Fontänchenfeld – steinwüstenähnlichen Marktplatz wieder mehr Oasen-Feeling aufkommt?

Des weiteren kennt das Oasen-Lexikon den Typus der Quellwasseroase. Und da macht uns hier in Stuttgart keiner was vor! „Quellwasseroase!“ Es könnte keine treffendere Bezeichnung für die aus den Mineralbädern Leuze, Berg, und Cannstatt bestehende Mineralwasserlandschaft geben, wo aus mehr als 20 Quellen jede Sekunde 500 Liter Mineralwasser sprudeln. Kein Wunder machen dort gerade jetzt wieder Karawanen von Badenden halt und drängen sich um die kostbaren Quellwasserstellen. Nur die Kamele müssen draußen bleiben! 

Seiht aus wie Italien, ist aber Stuttgart – das Lapidarium. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Erfreulicherweise gibt bei uns auch Ruheoasen. Orte, durch die kein „Fremdlingsfluss“ fließt und deren Attraktivität nicht von einer funktionierenden Pumpe abhängt, sondern die aus sich heraus wirken und an denen man einfach so aufblüht. Von diesen Vegetationsflecken wollen wir einen herausgreifen, der durch besondere Ruhe besticht. Er liegt jenseits der großen Autokarawanenstraßen versteckt im Westen in der Mörikestraße. So versteckt, dass die Stadt ihn neuerdings mit Plakaten bewirbt („Deine Auszeit im Grünen!“), damit man ihn nicht ganz vergisst. Die Oase heißt Lapidarium und ist gerade 75 Jahre alt geworden, was erdgeschichtlich unbedeutend, stadtgeschichtlich jedoch beachtlich ist.

Im Lapidarium steht „das Ewige dicht neben dem Vergänglichen“

Eine von vielen Besonderheiten in diesem von Gustav Wais geschaffenen und vom Stadtpalais betreuten Freilichtmuseum mit seinen rund 200 steinernen Überresten von Alt-Stuttgart besteht darin, dass hier „das Ewige dicht neben dem Vergänglichen steht“, wie es der Schriftsteller Hermann Lenz so schön formulierte. Er war der Meinung, man könne sich in diesem Bilderbuch der Stadt sogar selbst begegnen. Ganz im Sinne des Aphoristikers Walter Ludin, der uns lehrt: „Wer keine Oase in sich trägt, überlebt die Wüste nicht.“ Stuttgart hat er damit nicht gemeint.

Lapidarium

Öffnungszeiten
Das Städtische Lapidarium, das auf Initiative von Gustav Wais in dem von Karl von Ostertag-Siegle 1905 angelegten Park 1950 entstanden ist, hat zwischen Mai und Oktober geöffnet. Die Öffnungszeiten sind Donnerstag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr – bei freiem Eintritt. Der Eingang zum Lapidarium befindet sich in der Mörikestraße 24/1. Es ist eingeschränkt rollstuhltauglich.

Programm
An diesem Samstag und Sonntag, jeweils um 17 Uhr, findet im Lapidarium das Philosophische Café der Anstifter statt. Gelesen wird aus Heinrich von Kleists „Penthesilea“. Tickets kosten 15 Euro. Angeboten werden dort auch Outdoor-Yoga und Yin Yoga sowie Freilichttheater. Führungen durch das Lapidarium finden immer samstags um 16 Uhr statt (außer am 16.9). Tickets kosten 4 Euro, ermäßigt 3 Euro. Die Teilnehmerzahl ist auf 20 begrenzt, es gilt das Motto: wer zuerst kommt, mahlt zuerst bzw. ist dabei. Es können aber auch Gruppenführungen gebucht werden. Weitere Infos gibt es beim Stadtpalais unter: stadtpalais@stuttgart.de , Tel: 0711 216 258 00. red