Alexander Sebald

Wie Energies Ersatzkeeper zum unerwarteten Pokalhelden wurde

Alexander Sebald jubelt gegen Hannover 96 | Bild: picture alliance/dpa/Robert Michael

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Video-Zusammenfassung: Jakob Rüger | Sportschau | 16.08.2025 | Bild: picture alliance/dpa/Robert Michael

Alexander Sebald hatte sich auf einen Pokalabend auf der Ersatzbank eingestellt. Dann verletzte sich Energie Cottbus‘ Stammkeeper und bescherte Sebald einen Kaltstart. Zwei Stunden später war ein neuer Pokalheld geboren. Von Jakob Lobach

Am Ende wirkte Alexander Sebald fast ein wenig apathisch. Während die Fangesänge noch vielstimmig aus dem Inneren des Stadions von Energie Cottbus hallten, stand der Ersatzkeeper mit leerem Blick in dessen Katakomben. „Ich bin gerade absolut am Ende“, sagte der 29-Jährige, der sich kurz zuvor zu einem echten Pokalhelden aufgeschwungen hatte. „Ich hatte eine richtig schwere Woche mit einem Todesfall in der Familie“, ergänzte er erklärend. Umso beeindruckender ist die Leistung, mit der Sebald seine Cottbuser am Samstagabend sensationell in die zweite Runde des DFB-Pokals führte.


Bethke verletzt sich eine halbe Stunde vor Anpfiff

Dabei deutete selbst eine halbe Stunde vor dem Anpfiff des Pokalspiels gegen den Zweitligisten Hannover 96 noch nichts darauf hin, dass Sebald überhaupt zum Einsatz kommen würde. Wie immer absolvierte Energies Stammkeeper Elias Bethke sein Aufwärmprogramm – bis er plötzlich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Cottbuser Rasen lag. Seinen Oberschenkel hatte Bethke sich verletzt, so schwer, dass er kurz darauf gestützt in die Kabine verschwand. Sebald musste übernehmen.

Und Sebald übernahm. „Das sind genau die Momente, auf die du als zweiter Torwart hinarbeitest“, sagte Sebald später. Momente, in denen der zweite Mann plötzlich im Fokus der Stadionscheinwerfer steht. Kaum erwähnenswerte fünf Pflichtspiele im Brandenburgischen Landespokal hat Sebald in den vergangenen beiden Spielzeiten absolviert. Nun also der DFB-Pokal, zum zweiten Mal in seiner Karriere, vor 18 000 Fans auf den vollen Rängen.

Sebald sprach nach dem Spiel von einem „Kaltstart“. Ein Kaltstart, den der gebürtige Franke allerdings bravourös meisterte. In der sechsten Minute flog Sebald nach eine hannoveranischen Schuss erstmals durch seinen Fünfmeterraum. Die Parade war stark, das anschließend abgepfiffene Abseits egal. Sebald hatte sich selbst ein erstes Gefühl für sein persönlich größtes Spiel der vergangenen Jahre verschafft.

Der Moment der Wachablösung: Bethke geht, Sebald übernimmt | Bild: picture alliance/dpa/MichaelDer Moment der Wachablösung: Bethke geht, Sebald übernimmt | Bild: picture alliance/dpa/Michael


Sebald wird zum Elfmeterkiller

Dieses Gefühl bewahrte Sebald sich auch dann, als sich seine Aufgabe in der zwölften Minute veränderte. Weil Tolcay Ciğerci Cottbus vorne mit einem Traumtor in Führung brachte, ging es für Sebald hinten plötzlich nicht mehr darum, einen frühen Rückstand zu verhindern. Es ging für Cottbus, insbesondere für Sebald fortan einzig und allein darum, besagte Führung zu verteidigen.

Der kritischste Moment bei diesem Vorhaben entstand in der 41. Minute. Weil Energies Dominik Pelivan seinen Gegenspieler im eigenen Strafraum zu Fall brachte, legte sich Hannovers Boris Tomiak kurz darauf den Ball auf dem Elfmeterpunkt zurecht. Auf seinen Einsatz als Ganzen war Sebald zwar nicht wirklich vorbereitet gewesen, auf diesen Moment kurioserweise schon. „Wir haben gestern noch darüber gesprochen, wie Tomiak seine Elfmeter schießt“, sagte er nach Spielende.

Lange warten, den Anlauf hinauszögern, den Torhüter ausgucken – Tomiaks Plan war bekannt und ging wohl genau deshalb nicht auf. Sebald blieb im Cottbuser Tor so lange stehen, bis Tomiak schießen statt gucken musste. Dann war er schnell unten in seiner linken Ecke und parierte den Strafstoß mühelos. Kurz darauf ging es zur Halbzeit in die Kabinen.


Selbst die Tragik ist chancenlos gegen Sebald

Die Geschichte dessen, was nach Halbzeitpause passierte, ist im Grunde schnell erzählt: Hannover drückte, während Cottbus defensiv leiden musste. Chance für Chance wurden die Abschlüsse des Zweitligisten aus Niedersachen gefählicher. Einzig einen wusste Hannover nicht zu überwinden: Alexander Sebald. Während Elias Bethke mit bandagiertem Oberschenkel auf der Bank saß – Trainer Claus-Dieter Wollitz sprach nach Spielende von einem Muskelfaserriss – lief sein Stellvertreter zu Hochform auf.

Ein unerwarteter Held in Hochform, der am Ende fast noch zu einer tragischen Figur wurde. In der 92. Minute begang Sebald nach unzähligen Paraden seinen einzigen Fehler. Ein haltbarer Ball, der unter seinem langsam fallenden Körper hindurch ins Tor kullerte. Ein dicker Bock, der Hannover beinahe noch in die Verlängerung gerettet hätte.

Weil aber der Torschütze Benjamin Källman knapp im Abseits gestanden hatte, bleib es beim „Beinahe“. Und Alexander Sebald blieb völlig verdient der unwahrscheinliche Held eines unwahrscheinlichen Cottbuser Pokalabends.

Sendung: rbb24, 16.08.2025, 21:45 Uhr