Dem Mann scheint die Antwort weiterhin ratlos zurückzulassen; er will doch nur zum Sommerfest. Damit aber ist er an diesem Tag wohl in der Minderheit – die Massen, sie wollen zum „Treasure Hunt“, dem ersten Influencer-Flohmarkt Münchens, und „Content Creator“ treffen, deren Leben sie sonst nur am Bildschirm verfolgen. Manche hoffen sicher auch, etwas von den Sachen als Schnäppchen abzugreifen, die Influencer von Firmen zum in die Kamera halten geschenkt bekommen. Und damit: rein ins Getümmel!

An einem der ersten Stände am Eingang steht Carina Pietzuch, ihren 51 000 Followern wohl besser bekannt als „mama.ist.unterwegs“. Vor ihr auf dem Tisch liegt viel Kleidung, allerdings meist in sehr kleinen Größen, denn die sogenannte Momfluencerin hat zwei kleine Kinder. Und naja, Pietzuch dachte, dass sie hier vor allem auf junge „Fashionistas“ trifft, man könnte auch sagen: auf werdende Mütter mit Stil.

Tatsächlich, und das hat Pietzuch selbst überrascht: Es sind viele Frauen da, die schon ältere Kinder haben, sie hätte also auch ruhig größere Größen mitnehmen können. Trotzdem ist sie zufrieden, sie habe schon sehr viel verkauft, sagt sie, als gerade jemand fragt, was die hellblaue Trachtenweste, die einmal ihrem Mann gehört hat, kostet. Ein paar Stücke für Erwachsene hat sie nämlich auch ausgemistet.

Brenda Severin ist Model und Modedesignerin. Auf dem Flohmarkt verkauft sie bayerische Dirndl mit afrikanischen Prints.Brenda Severin ist Model und Modedesignerin. Auf dem Flohmarkt verkauft sie bayerische Dirndl mit afrikanischen Prints. (Foto: Stephan Rumpf)Romina Palumbo alias „tropenbird“ verkauft unter anderem ein Paar High Heels.Romina Palumbo alias „tropenbird“ verkauft unter anderem ein Paar High Heels. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein paar Stände weiter – insgesamt sind es rund 70 – steht Romina Palumbo. Mit noch nicht einmal 2000 Followern ist sie, die sich auf Instagram „tropenbird“ nennt, noch eine eher kleine Nummer. Dass sie hier als solche verkaufen darf, hätte sie deshalb auch gar nicht gedacht. Als eine Freundin sie gefragt habe, ob sie mitkommen wolle, habe sie deshalb auch erst gedacht: na klar, zum selber stöbern. Aber dann hat sie einfach gefragt, ob sie auch selbst verkaufen darf – und sie durfte.

Das Teuerste, das Palumbo dabeihat, sind High Heels von Paolo Mattei, laut Preisschild haben sie einmal 59,99 Euro gekostet. Unter dem Tisch steht aber auch eine Umsonst-Box. Während man am Stand steht, nehmen sich daraus gleich mehrere Frauen je ein Tuch. Die habe sie früher immer getragen, um ihre Glatze zu kaschieren, sagt die Frau im regenbogenfarbenen Paillettenkleid. Heute trägt sie einen Einhorn-Haarreif, den sie ein paar Stände weiter erworben hat.

Wieder ein paar Stände weiter steht Brenda Severin, eine großgewachsene Frau im roten Samtkleid. Als eine der wenigen verkauft das Model mit 38 300 Followern Neuware. Genauer: Dirndl von ihrem Label Luv4you. Severin stammt ursprünglich aus Kenia, ihre Trachtenkleider zieren afrikanische Prints. Eins habe sie bereits verkauft, für den Aktionspreis von 529 Euro. Allerdings scheint das, was Severin als einen Mix der Traditionen beschreibt, nicht alle zu überzeugen. Eine ältere Dame sagt im Vorbeigehen: „Des is’ für mi kei Dirndl ned.“

Auf einer Bühne moderiert Influencerin Yase Lion, die 72 000 Follower hat, über den Abend hinweg zehn mehr oder wenige kurze Gespräche. Mit Carina Pietzuch alias „mama.ist.unterwegs“ etwa geht’s ums Thema „Mit Kindern reisen“, mit Finn Keßler alias „nebula.finn“ darum, wie man vom Tiktok-Star zum Creator für den FC Bayern München wird, und mit Philip Windsperger, besser bekannt als Onkel Phil, geht es darum, wie „Münchner Gesindel“ innerhalb kürzester Zeit zur „größten Instagram-Seite Münchens“ mit 336 000 Followern wurde. Übrigens: Windsperger hat, nachdem er im April noch fabulierte, Dieter Reiter als Oberbürgermeister beerben zu wollen, angekündigt, für den Stadtrat kandidieren zu wollen. Für welche Partei? Noch offen. Es sind also auch Menschen vertreten, die nach mehr streben als einen Influencer-Dasein.

Organisiert hat den Flohmarkt Louis Bausch zusammen mit dem Radiosender Charivari. Denn Bausch kennt sie alle: Auf dem Oktoberfest betreibt er den Schnapsstand „Wiesnstamperl“, dort treffen sich alle Stars und Sternchen – und auch die, die sich dafür halten. Kein Wunder also, dass sie auch kommen, wenn er zum Flohmarkt lädt.

Martin Kettenmeyer  verkauft unter anderem eine Tasche von Jacquemus.Martin Kettenmeyer  verkauft unter anderem eine Tasche von Jacquemus. (Foto: Stephan Rumpf)Alessandro Capasso alias „Sandrocap“ hat viel Trachtenmode im Gepäck.Alessandro Capasso alias „Sandrocap“ hat viel Trachtenmode im Gepäck. (Foto: Stephan Rumpf)Die Influencerin „Mocamaus“ (von links) mit ihren Followerinnen Josephine Constabel, Annabelle Weiß und Laura Eichhorn.Die Influencerin „Mocamaus“ (von links) mit ihren Followerinnen Josephine Constabel, Annabelle Weiß und Laura Eichhorn. (Foto: Stephan Rumpf)

Bauschs Ruf gefolgt sind auch Martin Kettenmeyer und Alessandro Capasso. Erster verkauft an seinem Stand Iphone-Hüllen, Armbänder, Klamotten, aber auch eine kleine Jacquemus-Tasche, für die er selbst einmal 350 Euro bezahlt hat. Ob die Leute seinetwegen da sind? Ein junges Mädchen, das mit ihrer Tante gerade am Stand steht, verneint. Sie kennt Kettenmeyer, der auf Instagram nur „martin_kto“ heißt, nicht. Aber, sagt sie: Er habe die besten Sachen.

Anders ist das bei Capasso alias Sandrocap, der ist mit 139 000 Followern aber – zumindest im direkten Vergleich – auch ein Großkaliber. Kein Wunder also, dass der Comedian stellenweise mehr damit beschäftigt ist, Selfies mit seinen Fans zu machen, als zu verkaufen. Gut, dass er nicht alleine am Verkaufsstand steht; seine Mutter, seine Tante und sein Stiefvater helfen mit. Für den Mann im lockeren grünen Zweiteiler ist es der erste Flohmarkt und so viel nach etwa einer Stunde schon mal als Zwischenbilanz: „Es macht Spaß.“

Er, der noch nie ein Fan-Treffen gemacht hat, freut sich, jene zu treffen, die tagtäglich seinen Content anschauen. Und ein bisschen was zu verkaufen hat er freilich auch. Eine Lederhose mit hellblauer Stickerei zum Beispiel. Mit Tracht wird man als Münchner Content-Creator schließlich bestens versorgt. Außerdem lohnt sich der Verkauf dieses Mal ja gleich doppelt: Zehn Prozent der Einnahmen sollen nämlich am Ende für einen guten Zweck gespendet werden. An wen, das wissen Capasso und die anderen aber am Abend noch nicht.

Hinter dem Stand von „Mocamaus“, die ihren echten Namen nicht preisgeben will, stehen die 24-jährige Josephine Constabel, Annbelle Weiß und Laura Eichhorn, beide 19 Jahre alt. Die drei haben von ihrer großen „Fashion-Inspiration“ Gästelistenplätze gewonnen, aus Augsburg und Landshut sind sie angereist. Was sie an Mocamaus so begeistert? Ihr ganzer Japan-Concent, dass alles ein „bisschen girly“ ist.

Im Gang stehen neben jungen durchgestylten Männern, die ziemlich offensichtlich selbst zum Shoppen hier sind, auch immer wieder welche, die eher hinterhertrotten. Einer ist Maximilian Buchholz, 34. Fragt man ihn, warum er hier ist, kommt die Antwort prompt: wegen seiner Freundin, Antonia Schubert. Es ist etwa 19 Uhr, die beiden sind gerade erst gekommen, wollten sich nicht stressen.

Eigentlich kommen die beiden aus Hamburg, nicht wegen des Flohmarkts, aber wenn er schon stattfindet, dann wollen sie den eben mitnehmen. Was die 32-Jährige allerdings vermisst: Plus-Size-Mode. Überhaupt ist sie eher auf der Suche nach „besonderen, ausgefallenen Stücken“, als nach einem Selfie mit einem Promi. Das unterscheide sie vermutlich von den jungen Leuten. Ähnlich sieht das auch die 42-jährige Nina Schmidt, sie habe nur die „Ex von Lothar Matthäus“ gekannt. Davon abgehalten, Kettenmeyer die Jacquemus-Tasche abzukaufen, hat es sie aber nicht, 300 Euro hat sie dafür bezahlt.

Am Ausgang stehen Eva und Katharina, beide 18 Jahre alt, zwei Stunden sind sie hergefahren. Katharina ist fündig geworden, ihre Freundin nicht. Begeistert sind sie aber beide nicht: vieles zu teuer, vieles gar nicht mal so schön. Und die Influencer, davon kannte sie auch keinen. Aber, sagt Eva, ein paar seien sie jetzt schon „reingefolgt“. Ob es später noch zur Aftershow-Party geht, die ebenfalls in der Olympiahalle stattfindet? Nein, sie gehen jetzt Pizza essen und dann vielleicht noch ins Bahnwärter Thiel.