Solingen. Eine Woche lang richten wir in den kommenden Tagen den Blick auf Höhscheid. Zum Start der neuen Stadtteilserie spricht das ST mit Markus Schlösser und Louis Gabel, als Revierförster auch für Höhscheids städtische Wälder zuständig.
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Höhscheid ist mit einer Fläche von 34,85 Quadratkilometern der flächenmäßig größte Solinger Stadtteil und hat mit 25 Prozent der Fläche auch einen großen Waldbestand. Das ST war mit Markus Schlösser, Abteilungsleiter Wald und Landschaft beim Stadtdienst Natur und Umwelt, sowie seinem Kollegen Louis Gabel, Revierförster für Solingen-West, in der Natur unterwegs.
Geht es dem Wald wirklich so schlecht?
Markus Schlösser: Nach den drei Dürrejahren 2018 bis 2020 war es in 2023 und 2024 extrem nass. Auch in diesem Jahr hatten wir schon verhältnismäßig viel Regen. Und trotzdem sind wir mit Blick auf die Feuchtigkeit der Böden in großen Bereichen noch im Defizit. Es gibt also Probleme, das betrifft einige Baumarten mehr, andere weniger. Ich würde nicht sagen, dass der Wald stirbt, sondern dass der Wald sich verändert. Aber das muss nicht unbedingt negativ sein. In jeder Katastrophe steckt eine Chance und die nutzen wir.
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Ist der Borkenkäfer-Befall auch ein Teil der Katastrophe?
Schlösser: Das Problem mit den Borkenkäfern ist zum Stillstand gekommen, weil wir – eben auch wegen des Borkenkäferbefalls – kaum noch Fichten in den Wäldern haben. Der Borkenkäfer braucht aber frische Fichten zum Brüten, wenn die fehlen, bricht die Population zusammen.
Louis Gabel: Der Rückgang der Fichten zeigt auch, dass wir in Solingen und vor allem auch in den Wäldern der Wupperberge hauptsächlich Erholungswald und wenig Wirtschaftswald haben. Offiziell heißt das „erholungsgenutzter Wirtschaftswald“.
Wenn es nicht um die Rettung jeder einzelnen Baumart geht, was ist dann das große Ziel mit Blick auf den Wald?
Schlösser: Es ist wichtig, für die kommenden Generationen einen Wald zu erhalten, der alle Funktionen erfüllt. Das sind Erosionsschutz, Klimaschutz, Artenvielfalt, Trinkwasserspeicher und Erholung für die Menschen.
Auch die alten Buchen und die alten Eichen, also die heimischen Laubbäume, bekommen zunehmend Stress.
Markus Schlösser
Revierförster
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Welche Bäume wird es denn voraussichtlich bald nicht mehr im Wald geben?
Schlösser: Neben den schon erwähnten Fichten bekommen auch die alten Buchen und die alten Eichen, also die heimischen Laubbäume, zunehmend Stress mit dem Klimawandel. Buchen beispielsweise vertragen keine extreme Trockenheit, aber auch keine übermäßige Nässe.
Gabel: In der Ohligser Heide sind beispielsweise jetzt 120-jährige Buchen abgestorben, weil im Boden zu viel Wasser und kein Sauerstoff mehr war. Bei diesen Extremen stößt man an die Grenzen dessen, was Baumarten vertragen können.
Und wie wird der Wald sich dann verändern?
Schlösser: Wir müssen uns davon freimachen, dass es hier im Wald nur Bäume und Pflanzen geben darf, die schon immer hier waren. Auch Bäume, die es seit der letzten Eiszeit hier nicht gegeben hat, können gut für den Solinger Wald sein. Wir müssen offen sein für Ergänzungen. Es geht ja in erster Linie darum, das Gebilde der Waldstruktur zu erhalten.
Gabel: Wir müssen halt jetzt schauen, welche Bäume es gibt, die besser mit dem sich verändernden Klima zurechtkommen. Das können ganz andere sein, aber auch einige der bestehenden Bäume, wie etwa die Traubeneiche, können wir noch mitnehmen, die kommt mit dem Klima gut klar.
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Wie findet man heraus, was funktioniert und was nicht?
Schlösser: Wir haben hier im Grenzgebiet zwischen Höhscheid und Aufderhöhe eine Fläche, wo früher Fichten standen, die aber der Borkenkäfer zunichtegemacht hat. Auf diesen etwa 4000 Quadratmetern haben wir in den vergangenen Jahren etwa 2000 verschiedene kleine Bäume gepflanzt. Mit einem Gatter ist das Gelände vor Wildtieren, die gerne die zarten Pflänzchen fressen, geschützt.
Gabel: Als Beispiele haben wir dort die Esskastanie, eine Baumart, die schon die alten Römer mitgebracht haben, und die sich seit langem bewährt hat. Daneben die einheimische Weißtanne, aber auch Douglasien, Lärchen oder Bergahorn, um nur einige zu nennen.
Schlösser: Das ist quasi ein kleines selbstgemachtes Versuchslabor. Das muss man natürlich jetzt über Jahrzehnte beobachten, auch wie sich die Pflanzen, die wir immer in kleinen Gruppen gesetzt haben, untereinander verhalten.
Revierförster Markus Schlösser (r.) und sein Kollege Louis Gabel testen auf einem etwa 4000 Quadratmeter großen Waldgelände auf der Stadtteilgrenze zwischen Höhscheid und Aufderhöhe, ob Baum-Setzlinge geeignet sind für das Solinger Klima.
Quelle: Christian Beier
Können Bäume, die gefällt werden müssen, noch vermarktet werden?
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Schlösser: Das tote Holz kann in der Regel noch wirtschaftlich genutzt werden. Man darf aber nicht zu lange warten, sonst zersetzen Pilze das Holz. Solingen hat etwa 2400 Hektar Wald, die Hälfte davon ist in städtischem Besitz, darum kümmern wir uns. Von dem Rest sind etwa 400 Hektar Landeswald, etwa in Gräfrath oder an der Sengbachtalsperre. Die restlichen etwa 800 Hektar sind in privatem Besitz, darum wird sich natürlich auch privat gekümmert und das Holz privat vermarktet.
Dort, wo durch Kahlschlag freie Flächen entstehen, wachsen auch andere Pflanzen. Ist das gewünscht?
Gabel: Fingerhut beispielsweise ist eine Pionierpflanze, die dort entsteht, wo es Kahlschlag gab. Sie wächst nämlich gut auf Nadelsubstrat. Das ist eine Blühpflanze, die wiederum gut für Insekten ist. Auch das sorgt für die Vielfalt im Wald.
Schlösser: Andere Pflanzen, wie die wilde Brombeere, legt sich allerdings mit ihren Ranken um die Bäume. Um das zu verhindern, wird das Testgebiet mit den jungen Bäumen beispielsweise einmal im Jahr gemäht.
Mittelfristig bekommen wir hier das Klima, das derzeit in Südeuropa herrscht. Dadurch verschiebt sich alles.
Louis Gabel
Revierförster für Solingen-West
Um die Aufforstung zu unterstützen, gibt es immer wieder Aktionen, Spenden von der Stadt-Sparkasse, von Firmen oder aus dem Aufforstungsprojekt der Realschule Vogelsang. Wie wichtig ist das?
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Schlösser: Das ist eine wichtige Hilfe. Denn ein Baum kostet mit Pflanzung etwa 3,50 Euro. Wir haben ja auch klare Vorgaben, wo das Saatgut für die Bäume, die wir in der Forstbaumschule kaufen, herkommen darf. Derzeit gibt die Stadt etwa 200.000 Euro jährlich für die Wiederaufforstung aus.
Ist das Fazit also, beim Wald ändert sich vieles, aber das ist nicht schlimm?
Schlösser: Es bleibt nichts, wie es ist, aber nur konservieren zu wollen, hilft nicht weiter. Man muss sich den Gegebenheiten anpassen und darin eine Chance sehen.
Gabel: Mittelfristig bekommen wir hier das Klima, das derzeit in Südeuropa herrscht. Dadurch verschiebt sich alles. Klimamodelle, die es bis zum Jahr 2100 gibt, zeigen diesen Standort-Drift auf. Deshalb bauen wir den Wald klimaresistent für die Zukunft auf.
Persönlich:
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Louis Gabel (25) hat Forstwirtschaft studiert und leitet seit Anfang dieses Jahres als Revierförster das Forstrevier Solingen-West.
Markus Schlösser (58) hat ebenfalls Forstwirtschaft studiert. Von 1994 bis 2015 war er Revierförster im Revier Solingen-Ost, seit zehn Jahren ist er Leiter der Abteilung Wald und Landschaft beim Stadtdienst Natur und Umwelt.
ST