Ein zufällig entdecktes Dokument in einem Hotel in Anchorage wirft ein Schlaglicht auf die Kulissen der jüngsten Begegnung zwischen Donald Trump und Wladimir Putin – und offenbart Ungereimtheiten im Ablauf eines Treffens, das ohnehin Fragen aufwarf.
Die Entdeckung eines achtseitigen Protokolldokuments in einer öffentlichen Druckerstation des Captain Cook Hotels in Anchorage, Alaska, hat neue Details zum Gipfel zwischen Donald Trump und Wladimir Putin ans Licht gebracht. Verfasst vom „Office of the Chief of Protocol“ des US-Außenministeriums, war das Dossier offenbar zur Vorbereitung des Treffens bestimmt – doch der Fundort lässt Zweifel an der organisatorischen Sorgfalt aufkommen.
Ein symbolträchtiger Rahmen mit Lücken
Laut dem Bericht der US-Radiosendung NPR Morning Edition sollte der Gipfel ursprünglich weitaus umfangreicher ausfallen, als er letztlich verlief. So war etwa eine einstündige gemeinsame Pressekonferenz geplant, die schließlich nach nur zwölf Minuten abrupt beendet wurde. Auch ein „Working Lunch“ mit beidseitigen Delegationen wurde kurzfristig gestrichen. Stattdessen verließen beide Präsidenten den Veranstaltungsort unmittelbar nach der Pressebegegnung – ohne öffentliche Erklärung für die Planänderung.
Das Protokolldokument listete detailliert den geplanten Tagesablauf, das Sitzschema beim Mittagessen sowie die Namen und Kontakte zahlreicher Delegationsmitglieder auf. Besonders auffällig: Die phonemische Aussprache russischer Namen war eigens notiert – etwa „POO-tihn“ für den russischen Präsidenten. Zudem war als Gastgeschenk an Putin eine Miniatur des Weißkopfseeadlers vorgesehen, des offiziellen Symbols der Vereinigten Staaten.
Wer spricht mit wem – und wie lange?
Die ursprünglich geplante Tischordnung legt nahe, dass das Mittagessen nicht bloß ein symbolischer Akt sein sollte. Trump sollte von sechs hochrangigen US-Offiziellen flankiert werden, darunter laut Dokument der Nationale Sicherheitsberater und der Außenminister. Putin hätte mit seinem langjährigen Chefdiplomaten Sergej Lawrow und seinem Berater Juri Uschakow an der Tafel Platz genommen. Der Speiseplan – Filet Mignon mit Brandy-Pfeffersauce und Flétan Olympia – verweist auf einen kulinarisch sorgfältig inszenierten Rahmen, dessen kurzfristige Streichung zusätzlich Fragen aufwirft.
Dass ausgerechnet ein solches internes Vorbereitungsdokument mit sensiblen Kontaktdaten in einem Hotel öffentlich zugänglich wurde, sorgt nicht nur für Spott, sondern auch für sicherheitspolitische Bedenken. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Anna Kelly, versuchte die Bedeutung des Papiers herunterzuspielen. Es handele sich lediglich um ein „mehrseitiges Lunch-Menü“, keine sicherheitsrelevante Information sei betroffen. Der US-Außenminister äußerte sich bislang nicht.
Wiederholung bekannter Muster
Die Episode erinnert an frühere diplomatische Begegnungen Trumps mit Putin, insbesondere an das umstrittene Helsinki-Treffen im Juli 2018, bei dem Trump in der gemeinsamen Pressekonferenz öffentlich die Einschätzung der US-Geheimdienste infrage stellte. Auch damals war der Ablauf geprägt von überraschenden Abweichungen und mangelnder Transparenz. Dass sich nun Ähnliches wiederholt – und erneut in einem informellen, abgeriegelten Rahmen – wirft erneut Fragen zur außenpolitischen Strategie Trumps auf.
Symbolik ohne Substanz?
Die Wahl des Ortes – Anchorage, Alaska – mag als geopolitischer Hinweis gedeutet werden. Alaska liegt an der Grenze zur russischen Einflusszone im Pazifik und symbolisiert einen strategischen Korridor zwischen den beiden Großmächten. Doch der abrupte Verlauf des Treffens lässt vermuten, dass weniger substanzielle Verhandlungen im Zentrum standen als vielmehr die Inszenierung bilateraler Nähe. Gerade im Kontext wachsender Spannungen zwischen Russland und der NATO sowie dem fortdauernden Krieg in der Ukraine bleibt der Mangel an greifbaren Ergebnissen bemerkenswert.
Dass zentrale diplomatische Abläufe offenbar improvisiert oder gar unterbrochen wurden, steht symptomatisch für eine Außenpolitik, die stark auf persönliche Dynamiken und mediale Inszenierung setzt – auf Kosten langfristiger strategischer Kohärenz.
Autor: Andreas M. Brucker