So ernüchternd der USA-Russland-Gipfel in Alaska nach außen hin verlaufen ist, so lassen die Aktivitäten des politischen Westens für die Ukraine hoffen. Am Montag werden unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Donald Trump ins Weiße Haus begleiten.

Das ist ein starkes Zeichen für die Entschlossenheit des Westens, die Ukraine zu unterstützen. Die Präsenz von Merz, von der Leyen und anderen Europäern dürfte – bei aller Unberechenbarkeit Trumps – garantieren, dass Trump Selenskyj diesmal besser, ja respektvoll behandeln wird, anders als bei dem erschütternden Eklat im Oval Office im Februar.

Merz, Macron, von der Leyen und Selenskyj in Washington

Nach dem Gipfeltreffen in Alaska wollen führende europäische Politiker in Washington mit US-Präsident Donald Trump das weitere Vorgehen für einen Frieden in der Ukraine erörtern. Bundeskanzler Friedrich Merz wird dazu am Montag gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und anderen europäischen Staats- und Regierungschefs zu politischen Gesprächen in die US-Hauptstadt reisen, wie die Bundesregierung am Sonntag mitteilte.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, sie werde auf Bitten Selenskyjs an den Beratungen teilnehmen. Noch am Sonntag werde sie den ukrainischen Präsidenten in Brüssel begrüßen. „Gemeinsam werden wir an der Videokonferenz der ,Koalition der Willigen’ teilnehmen“, erklärte sie auf der Plattform X.

Nach dem umstrittenen Treffen von Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Alaska wollen die Europäer verhindern, dass Trump und Putin einen Deal gegen die Interessen Europas und der Ukraine machen. In Washington werden auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni und der finnische Präsident Alexander Stubb dabei sein. Macrons Büro erklärte, die Staats- und Regierungschefs würden die „Koordinationsarbeit zwischen den Europäern und den Vereinigten Staaten mit dem Ziel fortsetzen, einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen, der die vitalen Interessen der Ukraine und die Sicherheit Europas wahrt“. (rtr)

Ja, Wladimir Putins Empfang am Wochenende in den USA samt rotem Teppich, einem ihm applaudierenden US-Präsidenten und einer gemeinsamen Fahrt mit der gepanzerten Präsidenten-Limousine, verstört. So viel Ruhm wie am Wochenende in Alaska wurde Kriegsherr Putin zuletzt etwa bei seinen Freunden in China und Nordkorea zuteil.

Putins Gebaren in Anchorage aber war aufklärerisch. Er zeigte mit Blick auf seinen Krieg gegen die Ukraine keinen Zentimeter Bewegung, geschweige denn Entgegenkommen.

Dass Deutschland neuerdings eine außenpolitisch aktive Regierung hat, ist schon einmal ein guter Anfang. Bundeskanzler Merz ‚kann‘ mit den maßgeblichen Akteuren – dank einer klugen Mischung aus vornehmer Zurückhaltung und Selbstbewusstsein.

Daniel Friedrich Sturm, Leiter Tagesspiegel-Hauptstadtbüro

Der Desinformations-Spezialist und Ex-KGB-Spitzel Putin sprach von einer „Tragödie“ in der Ukraine, von der „Situation in der Ukraine“, einem „ukrainischen Konflikt“. Parallel zum Gipfel ließ Putin sein Mordwerk in der Ukraine fortsetzen.

Putin ließ erkennen, wie sehr er die Ukraine und den Westen verachtet. Das sollte – nach über 20 Jahren seiner Herrschaft über den Kreml – dem letzten Naivling im Westen deutlich machen, dass jede Hoffnung auf eine Verständigung mit dem Lügner und Vertragsbrecher Putin geradezu absurd und hochgefährlich ist.

Putin spielt auf Zeit

Es konnte einem fast übel werden, dass Trump öffentlich jede Forderung an Putin vermissen ließ und von einer „fantastischen Beziehung mit Präsident Putin, mit Wladimir“, sprach.

Putin und Trump bei der Ankunft auf der Joint Base Elmendorf-Richardson in Anchorage, Alaska.

© AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Putin, dessen Soldaten schon eine ganze Weile Erfolge an der Front erkämpfen, denkt in langen Linien. Er hat Zeit, er spielt auf Zeit. Er regiert Russland seit einem Vierteljahrhundert, wird womöglich noch im Kreml sitzen, wenn Trump das Weiße Haus verlassen haben wird.

Wie Merz auf den Trump-Putin-Gipfel reagiert Im Kanzleramt gilt jetzt das Prinzip Hoffnung

Trump wiederum will einen schnellen Erfolg, nachdem er im Wahlkampf angekündigt hatte, er werde den Krieg an „Tag Eins“ im Amt beenden. Trump will Ruhe, egal zu welchen Konditionen und egal, wie lange sie hält.

Wer sich auf Trump verlässt, ist im Zweifel verlassen

Umso erstaunlicher wirkt es daher, dass Trump Medienberichten zufolge bereit ist, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu gewähren. Vorsicht aber! Ja, eine Beteiligung der USA an einer Mission zur Überwachung eines eventuellen Friedensschlusses wäre wünschenswert und mehr als ein symbolischer Akt.

Wer nicht will, dass Deutschland kämpfen muss, muss der Ukraine helfen.

Daniel Friedrich Sturm, Leiter Tagesspiegel-Hauptstadtbüro

Die Ukraine, aber auch Europa, sollten Trumps Versprechen mit Vorsicht genießen. Wer sich auf Trump verlässt, ist im Zweifel verlassen. Das heißt: Europa wird der Ukraine „eiserne Sicherheitsgarantien“ (Merz) gewähren müssen, ob mit oder ohne Trump.

Daher ist es erfreulich, dass die „Koalition der Willigen“ handeln will. Die Ukraine-Unterstützer, organisiert von Merz, Emmanuel Macron und Keir Starmer, waren für Sonntagnachmittag zu einem virtuellen Treffen verabredet.

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Politik besteht zuweilen aus Symbolik, was der frühere Bundeskanzler Olaf Scholz nie verstehen wollte. Doch es hat das Potenzial zu weit mehr als Symbolik, dass Merz, von der Leyen und andere Europäer mit Selenskyj zu Trump reisen wollen.

Dass Deutschland neuerdings eine außenpolitisch aktive Regierung hat, ist schon einmal ein guter Anfang. Bundeskanzler Merz „kann“ mit den maßgeblichen Akteuren – dank einer klugen Mischung aus vornehmer Zurückhaltung und Selbstbewusstsein.

Ein solches Agieren sollte Merz bei der innenpolitisch absehbar turbulenten Diskussion über eine deutsche Beteiligung an Sicherheitsgarantien ebenfalls an den Tag legen.

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Bei den Sicherheitsgarantien und all dem geht es nicht um Freundlichkeiten, Geschenke für die Ukraine, sondern darum, dass ihr Kampf es uns (vorerst) erspart, selbst kämpfen zu müssen. Wer nicht will, dass Deutschland kämpfen muss, muss der Ukraine helfen.