Die Münchnerinnen und Münchner sind am 26. Oktober aufgerufen, darüber abzustimmen, ob sich die Stadt nach 1972 erneut um die Ausrichtung Olympischer Sommerspiele bewerben soll – entweder für 2036, 2040 oder 2044. Die Debatte nimmt gerade Fahrt auf, zuletzt haben sich vor allem Gegner und Kritiker zu Wort gemeldet. Zeit, bei einem Befürworter nachzufragen wie Münchens Zweitem Bürgermeister, Dominik Krause, 35, von den Grünen.

SZ: Ältere Herren wie Oberbürgermeister Dieter Reiter mit seinen 66, Ministerpräsident Markus Söder mit seinen 58 oder Innen- und Sportminister Joachim Hermann mit seinen 68 Jahren beschwören gern die Erinnerung an die Olympischen Spiele von 1972, schwärmen von toller Atmosphäre, großartiger Stimmung. Kann Ihre Generation damit überhaupt noch was anfangen?

Dominik Krause: Ich kann nicht für meine Generation sprechen, aber für mich kann ich sagen, dass ich schon damit aufgewachsen bin, wie prägend ’72 für die Stadt war. Obwohl ich ihn selber nicht mehr erlebt habe als Oberbürgermeister, bin ich mit einem Bild des jungen Hans-Jochen Vogel groß geworden, der Aufbruch- und Zukunftsstimmung in die Stadt gebracht hat. Trotz Widerstände, die es damals auch gab. Aber es gelang ihm, die Münchnerinnen und Münchner mehrheitlich zu begeistern und in einer unglaublichen Geschwindigkeit große Infrastrukturprojekte umzusetzen, von denen wir noch heute profitieren, wie den S- und U-Bahn-Bau oder den Olympiapark.

Zweiter Bürgermeister Dominik Krause wirbt für Olympische Sommerspiele in München – seine Grünen positionieren sich dagegen neutral.Zweiter Bürgermeister Dominik Krause wirbt für Olympische Sommerspiele in München – seine Grünen positionieren sich dagegen neutral. (Foto: Johannes Simon)

Und jetzt hoffen viele auf eine Wiederholung von 1972.

Wir haben nicht mehr 1972, die Zeit ist eine andere, die Stadt steht an einem anderen Punkt. Sie muss nicht mehr komplett umgebaut werden, wie es vor ’72 der Fall war, dafür ist München schon viel zu weit entwickelt. Ich würde da eher den Vergleich zu Paris ziehen, wo die Olympischen Sommerspiele zuletzt stattgefunden haben. Auch das ist ja eine weit entwickelte Stadt, und dort hat es die sehr grün denkende Bürgermeisterin Anne Hidalgo geschafft, die Spiele für eine nachhaltige Weiterentwicklung zu nutzen: Das U-Bahnnetz ist um 15 Prozent gewachsen, es sind 400 Kilometer Radwege gebaut worden, es wurde ein Olympisches Dorf für mehrere Tausend Menschen gebaut, es gab neue Parks und Grünflächen…

Die Kritiker geben zu bedenken, dass die Mieten ebenfalls gestiegen seien, wie in vielen anderen Olympia-Städten zuvor auch…

Ich weiß nicht, woher sie diese Zahlen nehmen, ich habe dazu keine Quellen gefunden – eher im Gegenteil. Es geht auch nicht darum, dass wir für Olympia irgendwelche Villen im Münchner Nordosten bauen wollen, sondern ein nachhaltiges Stadtviertel mit bezahlbarem Wohnraum, das über die Spiele hinauswirkt. So wie das nach ’72 mit dem Olydorf passiert ist. Das ist jetzt nicht unbedingt das Paradebeispiel für Gentrifizierung. Um noch mal auf die Pariser Bürgermeisterin Hidalgo zurückzukommen, die ja nicht im Verdacht steht, übermäßig IOC-freundlich zu sein: Sie hat von 15 Tagen des Glücks während der Spiele gesprochen, die die ökologische Stadtentwicklung um mindestens zehn Jahre beschleunigt haben.

Die Befürworter argumentieren gern mit der Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen durch Olympia. Kritiker entgegnen, dass die Projekte sowieso angegangen werden müssen.

Ja, wir würden diese Dinge gerne auch so machen – aber das ginge nicht so schnell, und es fehlt das Geld. Wir stehen momentan vor einem wahnsinnig knappen Haushalt, wir sind gerade als Stadt leer ausgegangen beim Investitionspaket vom Bund. Da würden Olympische Spiele eine große monetäre Unterstützung bedeuten durch Bund und Land. Und sie würden alle langwierigen Planungsverfahren beim ÖPNV- und Wohnungsbau deutlich beschleunigen. Ich finde, dass das von den Kritikern einfach außer Acht gelassen wird. Wenn man sagt, wir brauchen keine Olympischen Spiele, um diese Projekte umzusetzen, ist das eine legitime Position. Dann muss man aber auch eine Antwort liefern, wie man sie dann finanziert.

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Wohnungsbau, ÖPNV-Ausbau, Finanzierung – das sind alles sehr rationale Aspekte. Muss man die Leute beim Thema Olympia nicht stärker bei den Emotionen packen?

Da bin ich vollkommen d’accord. Wir hatten voriges Jahr einen Sommer mit vielen Großveranstaltungen wie der Fußball-EM oder den Konzerten von Adele oder Taylor Swift. Und nach den Rückmeldungen, die ich bekommen habe, waren die Münchnerinnen und Münchner begeistert, dass so viel in der Stadt los war. Da wäre Olympia natürlich wieder eine Gelegenheit, ein großes Fest in der Stadt zu haben.

Innenminister Herrmann hat neulich erst wieder die Nachhaltigkeit des Münchner Bewerbungskonzepts gerühmt: dass mehr als 90 Prozent der Wettkampfstätten bereits vorhanden sind. Wie kann man das behaupten, wenn man noch gar nicht weiß, welche Sportarten das IOC 2036, 2040 oder 2044 überhaupt im Programm haben will? Was ist, wenn das IOC neue Sportstätten fordert?

Es geht doch nicht darum, dem IOC einen Blankoscheck auszustellen. Sondern darum, abzufragen, ob die Münchnerinnen und Münchner grundsätzlich Olympische Spiele in dieser Stadt haben wollen. Und wenn dabei ein Ja rauskommt, werden wir uns in der Stadtpolitik dann schon genau anschauen, was man miteinander vereinbart. Und dass das selbstverständlich nicht zum Nachteil für die Stadt ist, was wir unterschreiben.

Die Gegner einer Olympia-Bewerbung haben schon vor den Sommerferien angefangen zu plakatieren und in der vorigen Woche auch ihr Bündnis „NOlympia“ vorgestellt. Von den Befürwortern ist seit Wochen nichts zu sehen und nichts zu hören – was ist denn da los? Glauben die denn alle, die Zustimmung der Bevölkerung ist ein Selbstläufer?

Der Münchner Stadtrat hat sich mit großer Mehrheit für eine Olympia-Bewerbung ausgesprochen und auch dafür, eine Werbe-Kampagne zu starten. Diese Kampagne verantwortet seitens der Stadt der Oberbürgermeister. Er hat auch entschieden, wie sie aussieht und wann sie startet. Momentan ist Dieter Reiter aber noch im Urlaub; ich gehe davon aus, dass er danach gleich loslegen wird.

Bis dahin gehört das Spielfeld also den Kritikern?

Ich finde es vollkommen legitim, dass es Kritik gibt. Genau deswegen hat die Stadtpolitik ja von Beginn an gesagt, dass es einen Bürgerentscheid geben wird. Damit nicht die Politik entscheidet, sondern die Münchnerinnen und Münchner.

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Und wer vertritt denn jetzt die Argumente pro Olympia-Bewerbung nach außen? Die bekanntesten Gesichter sind bislang nur OB Reiter, Ministerpräsident Söder, Innenminister Herrmann. Bräuchte es nicht andere Werbefiguren? Jüngere? Vielleicht eine Frau? Oder Sportler? Gibt’s keinen Sportler, der für Olympia in München werben will?

Soweit ich weiß, ist man schon mit vielen Sportlerinnen und Sportlern im Austausch. Die Kampagne liegt wie gesagt beim Oberbürgermeister, aber ich gehe davon aus, dass sie auch zu Wort kommen werden. Im Übrigen will ich nur anmerken, dass es zwar richtig ist, wenn Sie sagen, die prominentesten Befürworter sind ältere Männer. Aber ich habe mich zu der Frage auch immer sehr positiv geäußert, und ich fühle mich zumindest noch nicht so alt (lacht).

Im Gegensatz zu den anderen Parteien in der Stadt gibt es bei den Grünen keine einheitliche Haltung zur Olympia-Bewerbung: Sie als Zweiter Bürgermeister sind dafür, Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann aus dem Stimmkreis München-Mitte ist dagegen, die Partei als Ganzes hat beschlossen, neutral zu bleiben. Können es sich die Münchner Grünen im Hinblick auf die Kommunalwahlen im März 2026 leisten, so ein zerrissenes Bild abzugeben?

Ich bin sicher, dass es bei allen Parteien unterschiedliche Positionen dazu gibt, und ich finde, dass es uns Grüne ausmacht, dass wir diese Diskussion offen führen. Wir wollen und können damit leben, dass es unterschiedliche Positionen gibt. Alle Parteimitglieder können sich positionieren, wie sie das wollen. Entscheiden tun es am Ende die Münchnerinnen und Münchner, das ist bindend für uns.

Und Sie selbst befürworten weiterhin eine Olympia-Bewerbung? 

Wie gesagt: Ich erkenne an, dass es bei mir in der Partei andere Positionen dazu gibt, und ich finde auch die Kritik an einer Olympia-Bewerbung durchaus legitim. Aber aus der Perspektive eines Münchner Bürgermeisters heraus, der einen Blick darauf hat, wo es hakt bei der nachhaltigen Weiterentwicklung der Stadt, halte ich das weiterhin für eine große Chance.