Mehrere Jahrzehnte prägte Heiner Sefranek das Jeans-Label MUSTANG entscheidend mit. Dem SWR erzählt er über sein bewegtes Leben, von Omas Cowboy-Hose über Putin bis heute.
Weltweit werden jährlich deutlich über eine Milliarde Jeans verkauft. Der Umsatz könnte Studien zufolge bis 2028 noch deutlich steigen. Einer, der das Geschäft mit den lässigen Hosen in und auswendig kennt, ist Heiner Sefranek aus Künzelsau (Hohenlohekreis). Mit dem Unternehmen und der Marke MUSTANG schrieben seine Familie und er Jeans-Geschichte. Heute tritt die deutsche Jeans-Legende kürzer. Dem SWR gewährt er Einblicke in sein Leben – geschäftlich und privat.
Immer am Puls der Zeit
Der 77-Jährige sitzt an einer langen Tafel in einem weißen Wintergarten, entspannt mit locker sitzendem Sweatshirt, grau, wie er seine Hosen gerne trägt. Die Trends auf dem Modemarkt verfolgt er auch 14 Jahre nach seinem Ausstieg aus der Geschäftsleitung genau, über Fachzeitschriften, beim Schaufensterbummel und über seinen Sitz im MUSTANG-Beirat.
Gerade sind weiter geschnittene Jeans wieder angesagt, aber auch die von ihm selbst favorisierten Slimtfit oder Tampered Jeans laufen nach wie vor gut, sagt er. Zahlen veröffentlicht das weltbekannte Unternehmen keine, aber vor allem im Fachhandel wächst MUSTANG nicht nur im Jeans-Bereich, sondern auch bei Schuhen, Taschen und – seit neuestem – bei Düften.
All das ist Teil von Heiner Sefraneks erstem Leben, das 1948 in Künzelsau begann. Da hatte die Fabrik für Arbeitskleidung seiner Oma Luise Hermann gerade die erste „Jeans“ in Deutschland auf den Markt gebracht: „Hermanns Cowboy Hose“.
Die undatierte Aufnahme zeigt einen Raum, in dem Näherinnen die ersten Jeans außerhalb der USA in Künzelsau fertigen.
picture-alliance/ dpa | DB Mustang
Kindheit zwischen Wirtschaftswunder und Stoffballen
Im jungen Nachkriegsdeutschland trafen die Ami-Hosen erst allmählich den Nerv. Für die Jugend hatten sie etwas Rebellisches, weil sie hauteng geschnitten so anders als die weiten Hosen der Elterngeneration waren. Als es Vater Albert Sefranek gelang, echten Denim-Stoff aus den USA zu importieren, musste auch ein amerikanischer Name her. Im Lexikon stieß man auf MUSTANG.
„Als Kinder haben wir manchmal heimlich zwischen den gefährlich schweren Stoffballen gespielt, Burgen gebaut, da gab’s immer mal wieder den Hosenboden voll.“
Auch wenn sich fast alles um die Firma drehte, habe der Vater sich Zeit genommen, um an Kocher oder Jagst mit den Kindern baden zu fahren.
Marschieren mit Gasmaske als Retourkutsche
Eine Leidenschaft, die Vater und Sohn teilten, ist das Engagement im Tennisverein. Ein Part seines späteren „zweiten Lebens“, der ihm aber schon früh eine unangenehme Erfahrung einbrockt. Denn als Sefranek zum Bund muss, spielt am ersten Wochenende der Grundausbildung in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) zu Hause der Tennisclub Ingelfingen (Hohenlohekreis) um den Aufstieg gegen Böblingen.
Eigentlich darf niemand nach Hause, aber er wird von der Tennismannschaft gebraucht. Vater Albert Sefranek lässt seine Kontakte zu einem Bataillonskommandeur spielen und regelte die Sache. Das aber nahmen dem Sohn die Vorgesetzten in Wetzlar ziemlich übel.
„Wenn die anderen normal marschiert sind, hatte ich eine Gasmaske auf und auch keinen einzigen Sonntag mehr frei.“
Doch er macht seinen Weg, wird Fernmelder. „Morsen kann er noch heute!“, wirft seine Frau Jacqueline Sefranek ein, die kurz einen Blick in den Wintergarten wirft. Das Spiel gegen Böblingen ging übrigens krachend verloren.
Showdown um die Macht
Nach Studium und Lehre geht Sefranek für gut ein Jahr in die USA. Als er 1974 zurückkommt, möchte er im Unternehmen Dinge anders machen als sein Vater. Vor allem als Hersteller mehr Unabhängigkeit von den Händlern schaffen. „Da hat es manchmal schon ziemlich geknirscht“, meint er.
In den 1980ern beginnt die Internationalisierung von MUSTANG Fahrt aufzunehmen. Den Aktivitäten in den Niederlanden, in Österreich, Schweiz und Belgien folgt ein Werk in Portugal und der Schritt nach Frankreich.
Mittlerweile will der Cousin von Sefranek mehr Macht im Unternehmen. Der Streit gipfelt in einer Forderung des Cousins, dass Sefranek eine „Unterwerfungserklärung“ unterschreiben soll. Als der sich weigert, stimmen Albert Sefranek, Onkel und Cousin für einen Verkauf der Firma. Heiner Sefranek erkennt die Chance, nimmt Kredite auf und kauft die Anteile. Damit hat er ab 1990 das Sagen. Allerdings hat sein Vater sich ein Vetorecht in die Satzung schreiben lassen.
Albert Sefranek (18.5.1920 – † 02.03.2014) Gründer und langjähriger Chef von MUSTANG.
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Putin und die Wende
MUSTANG strebt Richtung Osten. Im ungarischen Marcali wird ein Werk übernommen. Auch in Russland möchte das Unternehmen produzieren. Es kommt zu Verhandlungen mit der Stadtspitze von St. Petersburg. Drei, vier Mal mit dabei ist auch der damalige stellvertretende Bürgermeister, Wladimir Putin. Am Ende gelingt der Vertrag. Mit Blick auf das heutige Regime in Moskau, sagt Sefranek:
Damals hätte ich mir die Situation so nie vorstellen können – Putin machte den Eindruck, dass er Kontakt zum Westen sucht, dass er auch auf Wandel durch Handel setzte.
Das Logo von MUSTANG in einem Schaufenster.
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Entlassungswellen – MUSTANG unter Druck
Ende der 1990er Jahre gerät MUSTANG stark unter Druck. Die Nachfrage nach Jeans sinkt. Die Konkurrenz produziert bereits in riesigen Fabriken in China und anderswo in Fernost. In Seckach (Neckar-Odenwald-Kreis) verlieren 180 Beschäftigte den Job. 1998 wird dann auch die Produktion am Stammsitz in Künzelsau geschlossen. „Natürlich waren alle traurig, inklusive mir, aber es gab keine bösen Worte, ich hab fast geheult, so hat mich das damals gerührt“, sagt er.
Bis 2007 folgen weitere Werksschließungen in Portugal, Ungarn und Polen. Von Hongkong aus geht MUSTANG in die Produktionsbetriebe in China und entwickelt dort gemeinsame Ideen. „Wir möchten nicht nur zukaufen, sondern auch weiterhin den Hersteller-Bonus haben“, betont Sefranek.
Das zweite Leben nach der Jeans
Als „zweites Leben“ bezeichnet der Unternehmer seine Ehrenämter und Hobbys. Über viele Jahrzehnte ist er im Vorstand des Tennisclubs Ingelfingen aktiv, lange davon als erster Vorsitzender. Besonders stolz ist er auf den Bau der Tennishalle. Zudem übernimmt er für rund fünf Jahre den Förderverein der Burgfestspiele Schloss Stetten.
Heiner Sefranek bei Theater im Fluss 2016.
Theater im Fluss Künzelsau e.V.
Als 2010 klar wird, dass weder Sohn noch Tochter MUSTANG übernehmen werden, verkauft Sefranek den Großteil der Familienanteile an Investoren. Kurz darauf verlässt er die Geschäftsleitung und wechselt in den Beirat. In dieser Phase gründet er mit anderen das Theater im Fluss in Künzelsau. Erst vor drei Jahren gibt er auch hier den Vorsitz ab.
Das dritte Leben
Heute genießt er es, nicht mehr in Verantwortung zu sein. Er und seine Frau Jacqueline Sefranek lieben Abenteuerurlaub und ihren großzügigen Garten. „Ich kann loslassen, bin auch froh, dass ich nicht mehr in dieser Tretmühle drin bin, es ist jetzt wie ein drittes Leben“, sagt er strahlend.
Das MUSTANG „Museum für die Zukunft“ in Künzelsau
Im Wohnhaus der Gründerin Luise Hermann ist seit 2007 in Künzelsau das MUSTANG Museum untergebracht. Die Ausstellung gibt Einblicke in die Geschichte des Unternehmens und der Gründerfamilie. Im Jahr 2020 verlegte MUSTANG seinen Stammsitz nach Schwäbisch Hall. Die Zukunft des Museums in Künzelsau blieb erst mal offen. Seit etwas mehr als einem halben Jahr ist es allerdings für den Publikumsverkehr geschlossen. Die Ausstellungstechnik läuft zum Teil nicht mehr zuverlässig. Hin und wieder gibt es noch Führungen für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von MUSTANG. Investitionen ins Museum plant MUSTANG derzeit nicht. Die Historie soll stattdessen über die Homepage des Unternehmens vermittelt werden.