Falls der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der britische Premier Keir Starmer eine Rechtfertigung für ihr sonntägliches Treffen gebraucht hätten, dann hätte US-Präsident Donald Trump pünktlich abgeliefert. Hilft Trump bei einem Neustart der Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien?
London – Der amerikanische Präsident Donald Trump hat seine Ankündigung umgesetzt und neue Zölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China verhängt. Die EU werde bald folgen, warnte er.
Großbritannien und die Europäische Union sind sich inzwischen einig, dass sie dieser neuen US-Regierung lieber gemeinsam gegenüberstehen. Das Wiederauflebenlassen der vom Brexit gekappten Beziehungen dürfte dabei helfen.
„Es ist sehr wichtig, dass wir eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU haben, wenn es darum geht, wie wir das breitere Verhältnis zu den USA gestalten“, sagte Bundeskanzler Scholz am Sonntag auf die Frage nach Trumps Zöllen. Es sei ein „guter Moment“ für London und Brüssel, die Beziehungen zu verbessern.
Starmer, der Premierminister der britischen Labour-Regierung, strebt seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr eine engere Zusammenarbeit mit den EU-Verbündeten an und hat ein umfassendes Abkommen mit Brüssel im Blick. Das sei auch ein zentrales Ziel des bilateralen Treffens am Sonntag gewesen, wie es aus deutschen Regierungskreisen hieß. Die beiden Regierungschefs hatten sich auf dem Landsitz des Premierministers in Checkers getroffen.
Starmers wird seine EU-Anbandlungsversuche am Montag fortsetzen: Als erster Premierminister seit dem Brexit wird er an einem Treffen des Europäischen Rates teilnehmen. Thema der Sitzung ist die Stärkung der Sicherheitsbeziehungen.
Aber die von Starmer versprochene umfassende „Neuausrichtung“ der EU-UK-Beziehungen wird kompliziert bleiben. Das schwierige Verhältnis zwischen Großbritannien und Deutschland – der größten Volkswirtschaft der EU – zeigt, wie viele Hindernisse noch im Weg stehen.
Sag nicht „Wiedereintritt“
Fünf Jahre nach dem britischen EU-Austritt am 31. Januar 2020 meinen 55 Prozent der Briten, dass das Vereinigte Königreich sich der EU wieder annähern sollte. Nur 10 Prozent bevorzugen Distanz, wie aus einer aktuellen Umfrage des Thinktanks European Council on Foreign Relations hervorgeht.
Eine verbesserte Zusammenarbeit in Verteidigungs-, Sicherheits- und Handelsfragen könnte die Folgen abmildern, sollten die USA ein weniger zuverlässiger Partner werden.
Starmer könnte diesen Aufschwung gut gebrauchen. Er kämpft mit seinen ehrgeizigen Wachstumszielen, die in den letzten Wochen im Zuge steigender Kosten für Kredite Rückschläge erlitten. Steigende Kreditkosten sind ein Zeichen für schwindendes Vertrauen der Investoren.
Doch der Teufel steckt im Detail. Besonders deutlich wird das in der Migrationsfrage.
Beide Seiten haben ein Interesse daran, legale und illegale Zuwanderung besser zu steuern, doch der Brexit ist schuld an vielen Ineffizienzen.
Gerade Unternehmen auf der einen Seite des Ärmelkanals, die für ein paar Stunden Fachkräfte von der anderen Seite brauchen, müssen mindestens drei Wochen auf ein Visum warten.
Hier prallen britische und deutsche Vorstellungen aufeinander.
Die Bundesregierung setzt sich für ein „Jugendmobilitätsabkommen“ ein, das jungen Menschen mehr Bewegungsfreiheit zwischen beiden Ländern ermöglichen würde.
Die britische Regierung unter Starmer reagiert jedoch äußerst empfindlich auf alles, was an die ungeliebten Verpflichtungen der EU-Mitgliedschaft erinnern könnte. Alles, was nach einer Rückkehr zur europäischen Freizügigkeit aussieht, ist ein rotes Tuch.
Das deutsche Lobbying für das Mobilitätsabkommen hat einige in der Downing Street verärgert. Am Tag von Scholz‘ Besuch in Chequers berichtete die Times unter Berufung auf anonyme Quellen, dass der deutsche Botschafter in London durch „wenig hilfreiche Briefings“ Unmut erregt habe.
Sorry, keine Rosinenpickerei
Unterdessen bleibt Brüssel wachsam gegenüber britischen Versuchen des „Rosinenpickens“.
Starmers konservative Vorgänger hätten versucht, bilaterale Mobilitätsabkommen mit wirtschaftlich starken EU-Staaten wie Deutschland auszuhandeln, erklärte eine mit dem Anliegen vertraute Quelle gegenüber Euractiv. Wohl auch, weil Migration aus ärmeren osteuropäischen Ländern während des Brexit-Referendums als Sündenbock herhalten musste.
Doch Berlin und andere Hauptstädte hätten dies abgelehnt. Der Versuch, einzelne EU-Staaten gegeneinander auszuspielen, sei für sie ein Tabu, hieß es weiter.
Gibt Großbritannien die EU doch nicht auf?
Unter Starmer haben Großbritannien und Deutschland Fortschritte bei einem bilateralen Freundschaftsvertrag gemacht. Dieser sollte den Rahmen für eine engere parlamentarische und kulturelle Zusammenarbeit schaffen.
Die Verhandlungen sollten letzten Monat abgeschlossen werden. Doch dann scheiterte die deutsche Ampelregierung, und die Gespräche wurden ausgesetzt – voraussichtlich bis zur Bildung einer neuen Regierung, was bis zum späten Frühjahr dauern könnte.
Solche Abkommen sind ohnehin nicht mehr als Symbolpolitik. Starmer weiß, dass echter Fortschritt nur im direkten Umgang mit allen EU-Ländern möglich ist. Dafür braucht es aber ein Mandat aus den EU-Hauptstädten – und das dürfte frühestens nach einem gemeinsamen Gipfel erteilt werden, der momentan für April oder Mai erwartet wird.
Aber schon die Frage nach dem richtigen Ansatz könnte für Meinungsverschiedenheiten zwischen den 27 EU-Ländern sorgen.
Sollte ein Kooperationsabkommen über Sicherheit in einem separaten Abkommen vorangestellt werden? Das wäre Großbritannien leichter zu verkaufen, aber bei einigen EU-Ländern wie Frankreich weniger beliebt? Oder sollte das Thema als Teil eines umfassenden Abkommens behandelt werden?
Mit anderen Worten: Das alte britische Paradoxon bleibt bestehen.
„Ich will eine enge Beziehung in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen, in Energie, im Handel und unserer Wirtschaft“, sagte Starmer in Chequers – um dann ein großes „Aber“ hinterherzuschieben.
Die Vorteile einer engeren EU-Zusammenarbeit müssten „ohne eine Rückkehr in die EU“ möglich sein.
Deutsch-britischer Staatsvertrag wird vorerst auf Eis gelegt
Ein umfassender bilateraler Vertrag zwischen Deutschland und Großbritannien wird nicht wie geplant ratifiziert werden und steht vor einer ungewissen Zukunft, wie Euractiv erfahren hat. Dies gefährdet eine der zentralen außenpolitischen Prioritäten des britischen Premierministers Keir Starmer.