faktenfinder

Stand: 17.08.2025 20:17 Uhr

Auch der Linken-Co-Chef van Aken war im ARD-Sommerinterview zu Gast. Insgesamt zeigte er sich faktenfest. Einige seiner Aussagen hielten einer Überprüfung nicht stand, andere lassen sich nicht vollständig belegen.

Von Dustin Haack, WDR, Wulf Rohwedder, ARD-faktenfinder, Nicolas Stehle, SWR, Jonas Wagner, WDR

Innen-., Außen, Sozial- und Steuerpolitik – im ARD-Sommerinterview mit dem Linken-Co-Vorsitzenden Jan van Aken wurde ein breites Spektrum an Themen angesprochen. In den meisten Punkten zeigte sich van Aken faktensicher. Für einige seiner Aussagen fehlen jedoch konkrete Nachweise, bei anderen der Kontext.

Da es während eines solchen Gesprächs nicht immer möglich ist, falsche oder irreführende Behauptungen sofort zu korrigieren, werden hier einige seiner Behauptungen noch einmal genauer beleuchtet.

Militärausgaben schwierig in Relation zu setzen

Van Aken konstatiert, dass sich die jährlichen Rüstungsausgaben Russlands auf rund 300 Milliarden Euro belaufen, während die europäischen NATO-Staaten gemeinsam etwa 420 Milliarden Euro aufbringen. Diese Zahlen entstammen einer Greenpeace-Studie. Diese bezieht sich auf Zahlen der NATO und des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) aus dem Jahr 2023. Die angegebenen Werte sind kaufkraftbereinigt. Van Aken spricht von „europäischen NATO-Staaten“, die Zahlen beziehen sich aber auf alle NATO-Staaten ohne die USA. Kanada gehört somit auch dazu.

Zu den Rüstungsausgaben Russlands und denen der NATO-Staaten existieren unterschiedliche Berechnungen und Parameter. So werden sie beispielsweise in Relation zur Bevölkerungszahl, zum Bruttoinlandsprodukt oder zur realen Kaufkraft gesetzt, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

Das International Institute for Strategic Studies (IISS) veröffentlichte Anfang dieses Jahres eine Studie, laut der die Europäer im Jahr 2024 457 Milliarden US-Dollar für Verteidigung ausgaben, während sich die russischen Ausgaben auf 145,9 Milliarden US-Dollar beliefen.

Nominal lagen die Europäer also auch hier klar vorne. Unter Berücksichtigung der Kaufkraftparität errechnete das IISS jedoch für Russland einen Wert von 462 Milliarden US-Dollar, womit dessen Militärausgaben die der europäischen NATO-Staaten leicht übertreffen würden.

Indien nicht dauerhaft größter Importeur russischen Öls

„Das meiste russische Öl geht tatsächlich nach Indien und kommt von Indien raffiniert wieder nach Europa. Da ist China gar nicht der Profiteur. Da muss man wirklich genau auf die Fakten schauen.“ Das sagt der Linken-Chef über die russischen Ölexporte – und liegt damit falsch.

Richtig ist, dass Indien seine Rohöleinfuhren aus Russland in den vergangenen Jahren vervielfachte, sogar für eine kurze Zeit der größte Importeur russischen Öls war – ein Rolle, die bis zum Angriff auf die Ukraine die EU innehatte. Über die Gesamtzeit seit der russischen Invasion in die Ukraine gerechnet übernahm China die Position – und hält sie bis heute.

Indien exportierte bisher Raffinerieprodukte in die EU, wohl auch nach Deutschland. Laut dem Thinktank „Global Trade Research Initiative“ (GTRI) verkaufte Indien im Haushaltsjahr 2023/2024 Erdölprodukte im Wert von 19,2 Milliarden US-Dollar in die EU. Im Haushaltsjahr 2024/2025 sank dieser Wert jedoch um 27,1 Prozent auf 15 Milliarden US-Dollar. Das im Juli beschlossene 18. Sanktionspaket der EU verbietet inzwischen die Einfuhr von Erzeugnissen aus russischem Rohöl, die in Drittstaaten raffiniert wurden.

Falsche Angaben zu Maßnahmen gegen russische Schattenflotte

Van Aken behauptet, die Bundesregierung würde nichts dagegen unternehmen, dass mit Rohöl beladene Schiffe der russischen Schattenflotte deutsches Staatsgebiet passieren. Das ist irreführend.

Wie Rechtswissenschaftlerin Sabine Schlacke auf dem Portal lto.de erklärt, ist „die Freiheit der friedlichen Durchfahrt von Schiffen auf Meeren und Ozeanen […] eines der Grundprinzipien des […] UN-Seerechtsübereinkommens (SRÜ)“. Küstenstaaten – und das ist Deutschland im beschriebenen Szenario Fehmarns, wenn die Schiffe keinen Hafen anlaufen – können nur sehr beschränkt Kontrollen durchführen.

Eine Möglichkeit dazu glaubt die Bundesregierung nun aber dennoch gefunden zu haben. „Seit dem 1. Juli 2025 befragen deutsche Behörden passierende Tanker nach ihrem Versicherungsschutz gegen Ölverschmutzungsschäden“, gab das Bundesverkehrsministerium im Juli bekannt. Auf eine Überprüfung verständigt hatten sich zahlreiche Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee bereits im Dezember 2024.

Weiterhin kritisiert van Aken mit Blick auf die EU-Sanktionen gegen die russische Schattenflotte, dass diese erst im 18. Sanktionspaket enthalten gewesen seien. Das ist falsch.

Zwar hat die EU die einzelnen Schiffe tatsächlich lange nicht in ihre Sanktionen einbezogen. Erste Sanktionen für Schiffe, „die Transfers von Schiff zu Schiff durchführen und mutmaßlich gegen das russische Öleinfuhrverbot […] verstoßen“, gab es aber bereits in dem im Juni 2023 auf den Weg gebrachten 11. Sanktionspaket. Mit dem 14. Paket wurden dann im Dezember 2024 erstmalig auch konkrete Schiffe gelistet, die Zahl dieser Schiffe stieg bis zum im Juli beschlossenen 18. Sanktionspaket auf 444 Schiffe.

Schwierige Schätzung zu Einnahmen aus einer Vermögensteuer

Der Linken-Chef gibt an, durch die Wiedererhebung der Vermögensteuer nach den Plänen seiner Partei 108 Milliarden Euro pro Jahr einnehmen zu können. Zu der Frage, was eine Vermögensabgabe tatsächlich bringen würde, gibt es zahlreiche Analysen und Positionen.

Die Schätzungen – etwa von der Unternehmensberatung Ernst & Young und dem ifo-Institut, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), der Friedrich-Ebert-Stiftung oder dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) – schwanken zwischen einer und knapp 30 Milliarden Euro jährlich. Die Linke verspricht hier also deutlich mehr als bekannte Studien, macht die Grundlagen dafür aber nicht wirklich transparent.

Jedoch: Viele Berechnungen sind schon fast zehn Jahre alt oder berücksichtigen nicht die konkreten Pläne der Linkspartei. Insofern hat van Aken recht, wenn er sagt: Wie viel Geld durch eine solche Abgabe eingenommen wird, hängt davon ab, wie viel der Gesetzgeber sich nimmt. Van Akens Partei gibt zudem selbst zu, dass Verwaltungskosten den Betrag letztlich in der Gesamtbetrachtung wieder schmälern könnten. 

Stundenlohn“ von Susanne Klatten

Die Website WageIndicator.de schätzt das Einkommen von Susanne Klatten und errechnet dabei einen Tagessatz von mehr als 8,8 Millionen Euro. Das stützt van Akens Aussage, sie habe „in einem Jahr mal einen Stundenlohn bekommen von 1,1 Millionen Euro“. WageIndicator beruft sich dabei auf Schätzungen des Wirtschaftsmagazins Forbes, die Zahlen können allerdings nicht unabhängig geprüft werden.

Antwort auf Fragen aus der Community

Nach dem Sommerinterview beantwortete van Aken noch Fragen aus der tagesschau-Community. In diesem Zusammenhang behauptete er, „dass die Milliardäre keine Erbschaftssteuer zahlen oder nur ein paar Cent.“ In dieser pauschalen Form ist die Aussage nicht korrekt. So zahlte die Familie des verstorbenen Unternehmers Heinz Hermann Thiele im Juli etwa vier Milliarden Euro an Erbschaftssteuer.

Tatsächlich gibt es für die Empfänger von Großerbschaften jedoch mehrere Möglichkeiten, diese Steuerlast deutlich oder sogar ganzheitlich zu reduzieren, zum Beispiel durch Schenkungen vor dem Tod des Erblassers oder die Überführung von Vermögen in Stiftungen.

Ein weiterer Weg ist die Beantragung einer Verschonungsbedarfsprüfung, die erfolgen kann, wenn der Erbe oder Beschenkte angibt, er könne die anfallende Steuer nicht aus verfügbarem eigenem Vermögen zu begleichen. Auf diesem Wege musste Matthias Döpfner für die Unternehmensanteile im Wert von rund einer Milliarde Euro, die ihm Verlegerwitwe Friede Springer geschenkt hatte, keine Schenkungssteuer zahlen.

Laut einer Kleinen Anfrage der Linken-Gruppe um Bundestag hat der Staat Steuerpflichtigen im Jahr 2023 im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung in 26 Fälle insgesamt rund 6,3 Milliarden Euro erlassen.

Angabe zum BAföG-Höchstsatz zu niedrig

„Ich glaube im Moment ist der BAföG-Höchstsatz bei 800 und etwas – das reicht überhaupt nicht aus“ – das sagte van Aken zum Bundesausbildungsförderungsgesetz. Tatsächlich liegt der BAföG-Höchstsatz aktuell bei 992 Euro. Bezieher, die über ihre Eltern krankenversichert ist, bekommen monatlich höchstens 855 Euro.

Die Höhe des individuellen Förderbetrags ist unter anderem abhängig von der Art der Ausbildungsstätte, der Unterbringung sowie vom Einkommen der Geförderten und ihrer Eltern. Im Schnitt erhielten sie 635 Euro pro Monat.

Die Sätze sollen nun jedoch erhöht werden: die Wohnkostenpauschale für Studierende, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, von derzeit 380 auf 440 Euro im Monat, dem Grundbedarf, der aktuell bei 475 Euro im Monat liegt, in zwei Schritten auf das Niveau der Grundsicherung.

Das letzte ARD-Sommerinterview in diesem Jahr findet am Sonntag, den 24. August mit dem CSU-Chef Markus Söder statt.