Die gelernte Gärtnerin Daniela Merela aus Harthausen hat fotografisch dokumentiert, wie viele Bäume in den vergangenen 15 Jahren in Harthausen gefällt wurden. 40 prägnante Bäume hat sie gefunden, mitunter wurden sie nicht ersetzt. Foto: Caroline Holowiecki
In der Sommerhitze drängt esdie Menschen in den Schatten.In Harthausen wird er rarer. Daniela Merela hat dokumentiert, wie viele Bäume gefällt wurden.
Die Sommerhitze hat Daniela Merela ausgesperrt. In ihrer abgedunkelten Wohnung ist es kühl. Dennoch ist die zierliche Frau auf 180. Immer wieder springt sie auf, holt Unterlagen. Was die 58-Jährige so aufwühlt, sind die Bäume in ihrem Heimatort Harthausen. Beziehungsweise die Bäume, die nicht mehr da sind. Mehr durch Zufall hat Daniela Merela 2010 angefangen, schöne Bäume zu fotografieren. Los ging es mit einer Rotbuche. „Ich habe sie fotografiert, weil sie so prächtig war“, später wurde ein Trompetenbaum abgelichtet. Das private Album wuchs, doch dann kam das, was Daniela Merela als „Katastrophe“ bezeichnet: 2019 wurde am Reiterweg ein etwa 80 Jahre alter Walnussbaum zugunsten einer Neubebauung gefällt. Sie sichtete ihre Fotos und stellte fest, dass von 30 privaten Bäumen, die sie fotografiert hatte, 15 weg waren. „Das hat mich erschreckt.“
Aus Vorher/Nachher-Fotos hat sie ein Buch gemacht, in der jüngsten Gemeinderatssitzung hat sie ein Exemplar an den Bürgermeister Falk-Udo Beck übergeben, außerdem hat sie ihre Erkenntnisse den Mitgliedern des Gremiums zur Verfügung gestellt. Daniela Merelas Fotobilanz: 40 stattliche Bäume, sowohl private als auch städtische, sind in den vergangenen 15 Jahren aus Harthausen verschwunden – ohne gleichwertige Nachpflanzungen, wie sie sagt. Faktisch seien es wohl deutlich mehr, denn „ich habe nicht ganz Harthausen kartografiert“.
Befreiungen gibt es nur in Ausnahmefällen
Der Knackpunkt: In Filderstadt gibt es seit 1987 eine Baumschutzsatzung. Sie besagt, dass „Bäume mit mindestens 80 Zentimeter (…) Stammumfang, gemessen 100 Zentimeter über dem Erdboden, unter Schutz gestellt“ sind. „Es ist verboten, die geschützten Bäume zu entfernen oder zu zerstören.“ Befreiungen seien nur in Ausnahmen möglich, werde doch eingegriffen, können Ersatzpflanzungen verlangt werden.
Bei Bauprojekten werden häufig Bäume gefällt. (Symbolbild) Foto: dpa
Hans-Joachim Maschlanka aus dem Tiefbauamt relativiert Daniela Merelas Beobachtungen nicht. „So alte, prägende Bäume, die schmerzen, wenn sie weichen müssen“, sagt er, gleichwohl betreffe das Phänomen im Stuttgarter Raum alle alten Bauernsiedlungen, Stichwort Nachverdichtung. Er stellt klar: „Wenn ein Bauvorhaben beantragt wird, und ein Baum steht im Weg, dann verhindert der Baum nicht das Bauvorhaben.“ Bauherren würden verpflichtet nachzupflanzen, das könne jedoch auch anderswo in der Stadt passieren. Die Schutzsatzung wiederum, die zum Tragen kommt, wenn etwa Privatleute im Garten fällen wollen, scheint ein nicht allzu scharfes Schwert zu sein. Ein Antrag auf Befreiung kostet 40 Euro, und das Formular bietet dem Antragsteller schon etliche gute Gründe an. Man muss nur sein Kreuzchen setzen.
Hans-Joachim Maschlanka sagt, dass er bisher nur selten eine Befreiung abgelehnt habe – weil ihm die Handhabe fehle. „In der Regel wird es genehmigt.“ Oft seien Bäume Gärten schlichtweg entwachsen, ragten in Mauerwerk hinein oder verdeckten Fenster. Zum Zeitpunkt der Pflanzung werde oft nicht bedacht, wie groß die Bäume werden. Hinzu kommt: „Es gibt viele Bürger, die einfach so fällen, das kriegen wir gar nicht mit.“ Hans-Joachim Maschlanka betont: Die Stadt pflanze mehr nach, als sie fälle. Doch, auch das gehöre zur Wahrheit, nicht jeder Jungbaum überlebe.
Der städtische Bauhof gießt grundsätzlich nur Jungbäume
Daniela Merela ist vom Fach. Als Gärtnerin weiß sie, dass viele Bäume den vergangenen Hitzesommern zum Opfer gefallen sind, doch mitunter ist sie auch unglücklich damit, wie die Stadt mit ihren Bäumen im Sommer umgeht. Sie würde nicht ausreichend gepflegt. Als Beispiel nennt sie die Linde bei der Tankstelle in Harthausen. Sie sei bereits stark angegriffen. „Die Stadt reagiert nur, wenn die Bürger was melden“, sagt sie. Kritik setzt es auch von anderer Seite. Andreas Schweizer, Mitglied der Freie-Wähler-Fraktion im Gemeinderat, ist Gärtnermeister und Baumpfleger. „Wenn ich sehe, was die Stadt macht, kriege ich Stress“, sagt er. Im Stadtgebiet sehe er oftmals Bäume, die zu wenig gegossen oder gedüngt würden. „Die Linde an der Tankstelle in Harthausen schreit förmlich nach Wasser“, sagt er. Die Krux hier: Laut Hans-Joachim Maschlanka gießt der Bauhof grundsätzlich nur Jungbäume, denn bei mehr als fünf Jahre alten Bäumen gehe man davon aus, dass sie allein durchkämen.
Bäume haben es nicht leicht. „Ich bin da manchmal schon verzweifelt“, sagt Andreas Schweizer, viele Menschen sähen Bäume nur als lästige Dreckmacher. Entsprechend lobt er Merelas Engagement und fordert mehr Aufmerksamkeit von den Fachämtern und der Bürgerschaft. „Wir müssen auf unser Grün aufpassen“, zum Schutz vor der zunehmenden Hitze sei es unverzichtbar. Auch Daniela Merela nimmt die Stadt und den Gemeinderat in die Pflicht und fordert, „dass die Baumschutzverordnung beachtet und angewendet wird“. Auch sähe sie die Einstellung eines kommunalen Baumwarts gern. Von ihren Mitmenschen wünscht sie sich, dass sie Bäume erhalten und möglichst neue pflanzen. „Harthausen ist überall.“
Jugendgemeinderat will Bäume pflanzen
Pflanzaktion
Der Jugendgemeinderat Filderstadt setzen sich für mehr Grün und mehr Schatten in der Stadt ein. Im Oktober soll eine erstes Baumpflanzprojekt an der Südfassade der Realschule im Bildungszentrum Seefälle in Bonlanden starten. Vier Bäume sowie einige Sträucher sollen vor die langen Fensterreihe der Klassenzimmer im Erdgeschoss gesetzt werden, um das Gebäude besser vor der Sonne zu schützen. Bewässert werden sollen die Jungpflanzen über einen Gießplan.
Sauerstoff
Ein kräftiger Baum produziert ungefähr so viel Sauerstoff, wie zehn Menschen zum Atmen benötigen, heißt es online beim Landesministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Ein Hektar Wald speichere im Durchschnitt etwa fünf Tonnen CO2 pro Jahr.