Vor einer Woche hatte ein russischer Blitzvorstoss in der Ostukraine Alarm in Kiew ausgelöst. Für einmal ist es den ukrainischen Truppen jedoch gelungen, sehr schnell zurückzuschlagen.
Ein Artillerist der 82. Luftlande-Sturmbrigade, die an den Kämpfen nördlich von Pokrowsk beteiligt ist, feuert mit seinem Geschütz auf russische Truppen.
Oleksandr Ratushniak / Reuters
Mindestens so wichtig wie die Auseinandersetzungen an den Verhandlungstischen sind die militärischen Entwicklungen an der Front in der Ukraine. Denn sie entscheiden darüber, wie stark der Druck auf die beiden Seiten ist, diplomatische Zugeständnisse zu machen. Vor diesem Hintergrund war es ungünstig für die Ukraine, dass ihre Armee ausgerechnet in der Woche vor dem Gipfeltreffen in Alaska einen empfindlichen und potenziell katastrophalen Rückschlag in der Provinz Donezk erlitten hatte. Der russische Präsident Putin ging dadurch gestärkt in die Verhandlungen mit den Amerikanern.
Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Mehrere Dörfer zurückerobert
Doch in den letzten Tagen haben die ukrainischen Streitkräfte am betreffenden Frontabschnitt mithilfe von massiven Verstärkungen einen erfolgreichen Gegenschlag durchgeführt. Es gelang ihnen laut der gewöhnlich gut informierten Analysegruppe Deep State Map, den russischen Vormarsch nördlich der Stadt Pokrowsk zu stoppen und mehrere Dörfer zurückzuerobern. Darunter ist auch der Ort Soloti Kolodjas, einer der Hauptschauplätze der jüngsten Kämpfe.
Zuvor waren kleinere russische Kampfeinheiten, mutmasslich weniger als tausend Mann, in einem Blitzvorstoss weit in die Tiefe des gegnerischen Gebiets eingedrungen. Sie nutzten dabei eine Lücke in den ukrainischen Verteidigungsanlagen und die Tatsache, dass viele Abwehrstellungen personell ungenügend besetzt sind. So stiess ein Teil der Russen in kurzer Zeit 15 Kilometer vor und bedrohte sogar die wichtige Verbindungsstrasse zwischen Pokrowsk und dem Regionalzentrum Kramatorsk.
Zum befürchteten grossen Durchbruch kam es jedoch nicht. Bevor die Russen umfangreiche Verstärkungen schicken konnten, setzten ukrainische Gegenangriffe ein. Diese sind zum Teil durch Drohnenvideos belegt. Laut den Analytikern von Deep State Map wurden die Russen nicht nur hinter die sogenannte Neue Donbass-Linie – einen mehrstufig aufgebauten Verteidigungsgürtel – zurückgedrängt, sondern stellenweise auch eingekesselt. Das an den Kämpfen beteiligte 1. Korps meldete 271 getötete oder schwerstverletzte Russen sowie 13 Kriegsgefangene.
Soldaten der 79. Luftlandebrigade veröffentlichten am Sonntag aus dem Zentrum des Dorfs Soloti Kolodjas das untenstehende Video als Beleg, dass sie die Ortschaft zurückerobert hatten:
3rd battalion 79th AirAssault Brigade have retaken Zolotyi Kolodiaz‘, Donetsk.https://t.co/hTxBuvZmiD pic.twitter.com/nTwAzAguCZ
— imi (m) (@moklasen) August 17, 2025
Massives Aufgebot
Insgesamt sollen am Gegenangriff Teile von sechs Brigaden und weitere Einheiten beteiligt sein. Das deutet auf ein ungewöhnlich massives Aufgebot und bestätigt, dass die Militärführung in Kiew höchst alarmiert war. Es zeigt zugleich, dass die Ukraine durchaus noch über flexibel einsetzbare Reserven verfügt, um einen Kollaps abzuwenden.
Zugleich weisen skeptische Stimmen darauf hin, dass die Verstärkung an der Pokrowsk-Front womöglich mit einer Schwächung anderswo erkauft wurde. Zudem handle es sich um Symptombekämpfung, während das Grundproblem bestehen bleibe – der wachsende russische Druck an der gesamten Front im Donbass. Ohnehin ist die Gefahr am fraglichen Frontabschnitt noch nicht vollständig gebannt. Die verbleibenden russischen Sturmtruppen werden zwar von mehreren Seiten bedrängt. Aber es gibt Berichte darüber, dass Moskau Verstärkung in diese Gegend geschickt hat.