Nichts leitet die Außenpolitik des US-Präsidenten mehr als der Wunsch, als „Friedensstifter“ in die Geschichte einzugehen. Daher kam er auch bei den Pressekonferenzen im Weißen Haus mit Selenskyj und den europäischen Spitzenpolitikern nicht umher, aufzuzählen, wie viele Kriege er schon beendet habe.

Er kam auch darauf, um zu zeigen, dass eine Waffenruhe nicht unbedingt nötig ist, um den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland zu lösen. Trump glaubt inzwischen, dass beide Länder direkt über einen Frieden verhandeln sollten, auch wenn sie weiterkämpfen. Er befindet sich damit auf der Linie von Wladimir Putin, der eine Waffenruhe strikt ablehnt.

Bereits im Vorfeld des Ukraine-Gipfels rühmte sich der US-Präsident mehrmals damit, dass er „sechs Kriege in sechs Monaten“ beendet habe. Diese Behauptung wiederholte er auch am Montag beim Ukraine-Gipfel in Washington mehrmals. Welche Kriege meint er? Und stimmt das überhaupt?

  1. Indien – Pakistan: Trump erklärte, er habe einen jahrhundertealten Konflikt beendet und sogar einen Atomkrieg verhindert. Indien bestreitet jedoch, dass die USA eine ausschlaggebende Rolle beim Waffenstillstand mit Pakistan gespielt hätten. Hinzu kommt, dass der erzielte Waffenstillstand den Kaschmir-Konflikt nicht löst.
  2. Israel – Iran: Trump brüstet sich im Fall von Iran und Israel, einen 30-jährigen Konflikt in zwölf Tagen beendet zu haben. Zwar spielten US-Maßnahmen gegen Irans Nuklearprogramm eine Rolle, doch ein dauerhafter Frieden ist nicht in Sicht – im Gegenteil. Israel hat sich das Recht vorbehalten, den Iran erneut anzugreifen, sollte der Iran sein Atomprogramm wiederaufnehmen. Zudem hat Trump die Einigung nicht rein diplomatisch erzielt: eine Intervention des US-Militärs ging der Waffenruhe voraus.
  3. Ruanda – Demokratische Republik Kongo: Ein von den USA vermitteltes Abkommen sieht den Abzug ruandischer Truppen aus Kongo vor. Das stellt tatsächlich einen wichtigen Schritt in Richtung Frieden dar. Doch die Krux liegt in der Umsetzung: Die von Ruanda unterstützten M23-Rebellen haben das Abkommen nicht unterzeichnet. Die Kämpfe gehen daher weiter.
  4. Kambodscha – Thailand: Nach Grenzscharmützeln vermittelte Trump einen Waffenstillstand. Doch der jahrzehntelange Streit um Grenzziehung und Tempelanlagen bleibt ungelöst.
  5. Armenien – Aserbaidschan: Trump half beim Entwurf eines Abkommens nach den Kämpfen um Bergkarabach. Ein echter Fortschritt – aber die Umsetzung bleibt schwierig, unter anderem, weil Aserbaidschan für einen endgültigen Abschluss einer Einigung eine Verfassungsänderung in Armenien fordert. Auch die Schaffung einer Handelsroute zwischen Aserbaidschan und seiner Exklave Naxcivan steht auf der Kippe: Der Iran, an dessen Grenze diese Route verlaufen würde, wird nicht zustimmen.
  6. Welcher der sechste Krieg sein soll, ist unklar. Trumps Team nannte in einer Aufzählung zudem Serbien und Kosovo und Ägypten und Äthiopien. In beiden Fällen gab es aber keine Kampfhandlungen, die hätten beendet werden können.

Echten Frieden zu schaffen bedeutet nicht nur, Kämpfe zu beenden, sondern Konflikte zu lösen. Bisher ist das Trump in keinem der Fälle vollständig gelungen. Dabei zeigt sich ein grundlegender Widerspruch zu dem, was er vor Selenskyj behauptet hat: Dass bei seinen Friedensbemühungen keine Waffenruhen nötig gewesen seien, um Lösungen zu erzielen. Vielmehr hat es Trump in den meisten Fällen nur zu Waffenruhen oder Abkommen auf unklarer Grundlage gebracht. (mlk)