Ein kleiner Seitenweg führt in einen Park, früher ein Kasernengelände des königlich bayrischen Regiments, dann der US-Armee und später von der Bundeswehr genutzt. Im Zentrum dieses Parks steht ein ziegelrotes Rondell mit einem Löwen darin, geweiht den Toten von damals. Seitdem ist das Leben weitergegangen: Zwei große Gebäude stehen wie Zeitzeugen an den Rändern des Augsburger Prinz-Karl-Parks: ein Palais und das frühere Kreiswehrersatzamt. Lange war das Gelände verwildert und unbebaut, dann entstand ein erstes orangefarbenes Gebäude, bald folgte eine ganz besondere Wohngemeinschaft. Zehn Jahre ist das nun her. Die Bewohner erzählen.

„Ursprünglich sollte das Haus an einer anderen Stelle stehen, schräg gegenüber bei den Bahngleisen“, sagt Anne Ulbricht. Als dann ein ruhigerer Bauplatz zur Verfügung gestellt wurde, war für sie die Entscheidung, sich eine eigene Wohnung zu kaufen, gefallen. Wie viele andere Bewohner wollte sie raus aus einem Mietverhältnis. Die Gründe für eine solche Entscheidung variieren – von Einsamkeit über Probleme mit Schimme, bis hin zu teils unangenehmen Mitmietern ist alles dabei. Dem zu entkommen und mit Menschen, die man kennt und schätzt, unter einem Dach zu leben, war das Ziel der meisten Bewohner in Prinz-Karl-Park. Ein weiteres war, nachhaltig zu wohnen.

Augsburger Hausgemeinschaft lebt Demokratie und Nachhaltigkeit

Annette Hofstetter blickt vom dritten Stockwerk der Prinz-Karl-Straße 11 a auf den Park mit den großen, grünen Baumkronen. Hinter den Häuserreihen spitzelt der Wittelsbacher Turm hervor. Von unten aus dem ersten Stock erklingt leises Klavierspiel. „Wenn ich hier auf den Balkon trete, dann denke ich mir immer noch jeden Tag: wow“, sagt sie. Das sie überhaupt einziehen konnte, war ein Zufall: „Aus heiterem Himmel ist eine Münchnerin abgesprungen“, schildert sie den glücklichen Zufall. Seitdem wohnt Finanzbeamtin Hofstetter in ihrer 68-Quadratmeter-Wohnung unter dem Flachdach mit Photovoltaik-Anlage die einen Teil des hauseigenen Stroms produziert. „Die haben wir vor fünf Jahren nachgerüstet“, erklärt sie.

Park und Photovoltaik machen das Wohnen im Passivhaus attraktiv, doch ohne die Gemeinschaft geht es nicht. „Wir haben vor dem Einzug gewusst, neben wem wir später wohnen werden“, sagt die 67-jährige Regina Wünsche, die mit ihrem ein Jahr jüngeren Mann Jürgen eingezogen ist. Denn bis auf eine Mietpartei sind alle im Passivhaus Eigentümer, die in Austausch miteinander stehen: „Wir besprechen uns in der Hausgemeinschaft wie in einer Demokratie“, sagt die gelernte Schreinerin, die besonders die Werkstatt im Keller schätzt. Erst vor einem Jahr ist der Entschluss gefallen, das Haus selbst zu verwalten.

Das Haus im Augsburger Prinz-Karl-Viertel steht für modernes, urbanes Wohnen

Zu klären gab es in der Vergangenheit so einiges, bis das Haus in seiner heutigen Form stand: Fast einen halben Meter dick sind die gedämmten Wände, die die Fernwärme im Haus speichern. Also keine Gas-, keine Öl-Heizung und ein möglichst niedriger Verbrauch, das war den Eigentümern wichtig. „Jeder konnte entscheiden, ob er in der Wohnung eine Fußbodenheizung oder kleine Heizkörper haben wollte“, sagt Hans Mayr, der Handwerker im Haus.

Die Idee für das Passivhaus sei bei einer Expo unter dem Titel Urbanes Wohnen ausgestellt worden, sagt Rentnerin Inge Kroll. Damals sei das Interesse für alternative Wohnformen groß gewesen. So ist ein Haus entstanden, indem jede Wohnung einen eigenen Schnitt hat. Zwei der drei Familien im Haus leben auf zwei Stockwerken. Anne Ulbricht lebt als einziger Single im Erdgeschoss: „Während Corona haben die Familien bei uns angefangen, die Zäune zwischen den Gärten abzubauen, dadurch konnten die Kinder hier spielen, während im Park die Leute vom Ordnungsamt patrouillierten.“

Neben dem Gemeinschaftsgarten gibs es auch einen Gemeinschaftsraum, falls einmal Angehörige übernachten wollen. Davon macht Oma Wally Heilgemeir selten Gebrauch. Oft im Haus ist sie trotzdem und kümmert sich um die Enkelkinder Sami und Julian. Die beiden zwölf und acht Jahre alten Buben bolzen gerne im Park: „Wenn denen ein Mann fehlt, dann steh ich im Tor und muss Bälle halten“, sagt Heilgemeir. Später ruft sie die beiden durch die Hecke zum Abendessen in die 120 Quadratmeter Wohnung in der die Kinder frei ein und ausgehen können.

Das Gefühl, sich frei und gleichzeitig geborgen zu fühlen, spielte auch für Annette Hofstetter eine wichtige Rolle. Sie joggt gerne durch den nahegelegenen Siebentisch-Wald eine ausgedehnte Runde zu Kuhsee und Hochablass. Mit ihrer Nachbarin Inge Kroll ist sie schon öfter verreist. Hofstetter erklärt den Reiz der Wohngemeinschaft im Passivhaus so: „Wir haben unser Baby zusammen groß werden sehen.“ Natürlich gibt es auch hie und da kleine Reibereien wegen Zigarettengestank oder Grillrauch der in die Wohnung zieht. Mit guter Kommunikation sei das jedoch schnell aus der Welt geschafft.

  • Kristina Orth

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