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Die Industrie in Ostwürttemberg ist stark exportabhängig und wird durch die US-Zölle extrem belastet.Die Industrie in Ostwürttemberg ist stark exportabhängig und wird durch die US-Zölle extrem belastet. © Symbolbild: Pixabay/Archiv

IHK-Ostwürttemberg-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler betont: „Wir sind eine stark vom Exportgeschäft abhängige Region.“

Heidenheim. Nach der Einigung zwischen der EU und den USA im Zollstreit rechnen deutsche Unternehmen mit weiteren Beeinträchtigungen im transatlantischen Handel. Das zeigt eine aktuelle Blitzumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter mehr als 3300 Betrieben bundesweit – darunter 360 aus Baden-Württemberg. Auch Unternehmen aus Ostwürttemberg sind vertreten. Die US-Handelspolitik hat spürbare und teils gravierende Folgen für die exportorientierte Wirtschaft in der Region. Vor allem die Automobilindustrie ist betroffen.

Baden-Württemberg stark betroffen

In Baden-Württemberg berichten 86 Prozent der befragten Unternehmen von negativen Auswirkungen der bisherigen US-Handelspolitik – deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt (72 Prozent). Ein ähnliches Bild zeigt sich in Ostwürttemberg. „Wir sind eine stark vom Exportgeschäft abhängige Region. Mehr als 50 Prozent unserer produktiven Wertschöpfung des Industriesektors geht in den Export. Am stärksten betroffen sind die Bereiche der Zulieferer für die Automobilbranche, aber auch der Maschinen- und der Anlagenbau. Wir haben in diesen Branchen laut einer Studie zur Transformationsstrategie rund elf Prozent unserer Wertschöpfung und neun Prozent der Mitarbeiter. Zusätzliche Zölle kann man in dieser Situation nicht gebrauchen“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler, der bereits im Interview vor den Folgen der Zölle gewarnt hat. Die Automobilbranche steht zudem vor dem Problem, dass Zölle nur schwer über höhere Preise an US-Verbraucher weitergegeben werden können.

Hohe Kosten und Unsicherheiten

Der neue „Normalzustand“ im US-Geschäft verursacht hohe Kosten und Belastungen. Als größte Herausforderung nennen 80 Prozent der Unternehmen im Land die Unsicherheit und mangelnde Verlässlichkeit der US-Zollpolitik. „Es bleibt zu hoffen, dass durch die Vereinbarung mit der Trump-Administration nun eine gewisse Planbarkeit und Berechenbarkeit kommt“, sagt Rentschler. Weitere zentrale Probleme sind laut Umfrage der hohe „Basiszollsatz“ von 15 Prozent, kostenintensive und bürokratische Zollverfahren sowie eine geringere Wettbewerbsfähigkeit auf dem US-Markt.

Die handelspolitischen Unsicherheiten hinterlassen auch in der globalen Marktstrategie deutscher Unternehmen deutliche Spuren: 54 Prozent der Betriebe mit direktem US-Geschäft geben an, künftig weniger mit den Vereinigten Staaten handeln zu wollen. In Ostwürttemberg liegt dieser Wert sogar bei 64 Prozent. Bundesweit reduzieren 26 Prozent ihre US-Investitionen oder legen sie auf Eis – in der Region sind es 43 Prozent.

Neue Märkte im Visier

Angesichts der aktuellen Herausforderungen richten knapp zwei Drittel der deutschen Unternehmen ihren Blick auf neue Märkte. Für 46 Prozent der Befragten gewinnt der europäische Binnenmarkt an Bedeutung. In Ostwürttemberg liegt dieser Wert bei 64 Prozent, in Baden-Württemberg bei 50 Prozent. Auch der asiatisch-pazifische Raum rückt stärker in den Fokus, ebenso wie europäische Länder außerhalb der EU mit bestehenden Handelsabkommen – etwa das Vereinigte Königreich. Darüber hinaus gewinnen Märkte wie Mexiko und Kanada an Attraktivität.

Rentschler ordnet den Zollstreit regional ein: „Diese Drohungen und irrationalen Entscheidungen, die von Donald Trump kommen, sind Gift für Unternehmensplanungen. Unternehmer brauchen vor allem Planungssicherheit, wenn sie Entscheidungen treffen wollen über Investitionen, über die Erweiterung von Kapazitäten, aber auch im Alltag, wenn es um das ganz normale Tagesgeschäft geht. Drohen, schimpfen, beleidigen: Das kennt man bislang nur von Despoten und Diktatoren. Dass sich der Repräsentant einer demokratischen Weltmacht so verhält, ist neu. Dabei schadet Trump vor allem seiner Volkswirtschaft. Immerhin ist Europa der größte Binnenmarkt der Welt.“