​Nach der zweiten Nacht auf See hatten die führenden Boote im Ocean Race Europe die Biskaya schon fast gemeistert. Am Nachmittag werden sie voraussichtlich Kap Finisterre passieren. Entspannung tritt deshalb auf Etappe zwei keineswegs ein, denn die Top-Crews ringen Bug an Bug miteinander um jeden Meter. Es herrscht Hochspannung!

Ocean Race Europe: Kap Finisterre voraus

Am Dienstagvormittag hatten die sieben Crews ihre Überquerung des Golfs von Biskaya noch fortgesetzt. Am Nachmittag werden sie voraussichtlich Kap Finisterre passieren, eine entscheidende Passage, bevor sie am Mittwoch in Matosinhos-Porto zu einem dreistündigen Zwischenstopp eintreffen. Die Abstände bleiben hauchdünn: Die ersten fünf Imocas trennten keine drei Seemeilen! Mehrmals hat “Holcim-PRB” mit Biotherm die Führung getauscht. Kurz nach 11 Uhr dann setzte sich Team Malizia an die Spitze.

Während viele Europäer Urlaub machen, die langen Sommertage genießen, sich entspannen und die Rückkehr in den Alltag noch ein wenig hinauszögern, kämpfen die Segler und Segelerinnen draußen auf See unermüdlich weiter. In leichten bis mäßigen Winden gibt es aktuell kaum Möglichkeiten zur Flucht nach vorne. Allenfalls die zweite Comeback-Crew Allagrande Mapei Racing hatte sich zeitweise ein wenig im Osten der Flotte und jetzt im Westen abgesetzt, war damit aber nicht erfolgreich.

Die Teams belauern sich, während sie darum kämpfen, jedes Quentchen Speed aus ihren Booten zu quetschen. Diese zweite Etappe ist besonders wichtig: Sie ist die längste und winkt mit doppelter Punktzahl. Die Hälfte davon wird am Mittwoch in Matosinhos-Porto beim Fly-By-Blitzbesuch vergeben. Beim dreistündigen Stopp beim Fly-by in Matosinhos-Porto – voraussichtlich am Mittwochmorgen – werden so viele Punkte vergeben wie für die gesamte erste Etappe von Kiel nach Portsmouth.

Start, Neustart und Gedrängel an der Spitze

Nachdem eine fast windstille Zone vor Ouessant am Vortag wie eine neue Startlinie auf Etappe zwei im Ocean Race Europe gewirkt hatte, an der sich das Feld stark zusammenschob, hatte das Rennen wie neu begonnen. “Holcim-PRB”-Navigator Nicolas Lunven erklärte: „Es war nicht einfach, weil die Strömung stark war und wir uns neu formieren, gemeinsam neu starten und vermeiden mussten, dass einige Freunde uns davonziehen.” Zum Live-Tracker geht es hier.

Sébastien Marssets Team Canada Ocean Racing – Be Water Positive hatte bei Ouessant einen hübschen Vorsprung herausgeholt. Marsset sagte: “Wir waren mit unserer Entscheidung bei Ouessant gestern wirklich sehr zufrieden. Das war eine Entscheidung, die wir schon seit längerem geplant hatten. Dass wir daran festgehalten und es durchgezogen haben, war sehr befriedigend, zumal wir so wieder Anschluss an das Feld finden konnten.”

Besser noch, so Marsset: “Es war interessant, weil wir so im Rennen geblieben sind. Gleich danach konnten wir richtig Gas geben und dranbleiben. Das hat großen Spaß gemacht, und das lieben wir natürlich! Die Stimmung an Bord ist ausgezeichnet, alle sind sehr konzentriert. Die einzige Diskussion unter uns dreht sich darum, wer am Ende jeder Wache die beste Koje bekommt!“ Gegen Mittag hielten die Kanadier weiter Platz vier.

Laue Sommerwinde statt Herbststürme

Das vertraute Biskaya-Revier haben die erfahrenen Teams dieses Mal anders erlebt als oft bei der Vendée Globe, wenn Herbststürme dden Solisten gleich zu Beginn böse Bedingungen bescheren. Dieses Mal war es “einfach nur ein großartiger Tag”, wie Nico Lunven sagte. Seine Beschreibung: “Wir segelten auf glatter See und konnten unsere Targets erreichen. Es gab wenig Wind, aber sobald man 13 Knoten überschreitet, beschleunigt das Boot stark.“

Eine klare Flotten-Hierarchie ist auf dieser zweiten Etappe im Ocean Race Europe angesichts der knappen Abstände noch nicht zu erkennen. Während zwar Team Amaala (7.) und Allagrande Mapei Racing (6.) etwas zurückgefallen sind, bleibt der Kampf an der Spitze in Winden um acht bis zwölf Knoten intensiv, insbesondere im aktuellen Duell zwischen Team Malizia und Team Holcim PRB.

Alle Augen sind nun auf Kap Finisterre gerichtet, das die Crews am späten Nachmittag erreichen sollten. „Wir werden mit Westwind darauf zufahren, aber die Frage ist, ob wir wenden müssen, um vorbeizukommen. Strategisch ist das sehr interessant“, kündigte “Biotherm”-Skipper Paul Meilhat an. Liegt Kap Finisterre erst einmal hinter den Crews, dürfte es bis nach Matosinhos-Porto ein Geschwindigkeitsrennen werden.

Ocean Race Europe: Hoffen auf Geschenke

„Dieser Zwischenstopp ist etwas ungewöhnlich, wir werden nicht viel Zeit haben, ihn zu genießen“, erinnerte Paul Meilhat. Doch er blieb optimistisch: „Ich hoffe, wir werden ein paar Leute treffen und vielleicht ein paar kleine Geschenke bekommen – Sardinen und Pastéis de nata. Das würde der ganzen Crew wirklich gefallen!“

Wie eng es auf See auf Etappe zwei zugeht, zeigt Team Malizias Clip vom Vortag gut: