Die ganze Familie ist in einem Pariser Restaurant eingekehrt: Mutter, Vater und drei Kinder im Vor- und Grundschulalter. Der Nachwuchs sitzt artig auf den Stühlen und isst, eine Touristin beobachtet sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung. „Wie brav und leise die Kinder sind“, murmelt sie. „In eineinhalb Stunden sind sie kein einziges Mal aufgesprungen.“

Tatsächlich verläuft die Kindererziehung in Frankreich allgemein strikter als in vielen anderen europäischen Ländern. Das führt oft zu einem geringeren Lärmpegel in Zügen oder Restaurants. Die Amerikanerin Pamela Druckermann hat dem Thema ein Buch gewidmet: „Warum französische Kinder keine Nervensägen sind“ wurde zum Bestseller.

Politikerin: Komfort der Erwachsenen wird über Teilhabe der Kinder gestellt

Dennoch toben die Jüngsten auch in Frankreich gerne und nicht immer mit Rücksicht auf lärmempfindliche Mitmenschen. Deshalb hat eine Debatte über die Einführung von kinderfreien Hotels oder Urlaubsresorts an Fahrt aufgenommen – aber auch über ein mögliches Verbot, Minderjährige auszuschließen. Frankreich gilt allgemein als kinderfreundliches Land. Es hat eine vergleichsweise hohe Geburtenrate von 1,62 Kindern pro Frau. Die Zahl der „no kids“-Ferienunterkünfte ist Branchenvertretern zufolge gering, nimmt aber zu.

Das sei „erschreckend“, so Sarah El Hairy, Hohe Kommissarin für Kinder. „Man zieht den Komfort der Erwachsenen zum Nachteil der Teilhabe der Jüngsten vor“, kritisierte die frühere französische Staatssekretärin für Jugend. Angesichts des „sozialen Drucks“, der von Menschen ausgehe, die empfindlich auf die Anwesenheit, die Bewegungen oder die Stimmen von Kindern reagierten, setzten Eltern diese oft vor Zeichentrickfilme, um sie ruhigzustellen. Den „brutalen Trend“ der kinderfreien Hotels, der aus dem Ausland komme, gelte es El Hairy zufolge in Frankreich zu bremsen – wenn nötig, per Gesetz. Ein positiver Anreiz soll durch eine neue Auszeichnung für besonders familienfreundliche Angebote von Museen, Hotels oder Restaurants gesetzt werden.

Ob ein Verbot möglich ist, bleibt dabei umstritten. Tatsächlich ist das Recht von Kindern auf Zugang in private Unterkünfte oder Hotels in Frankreich nicht festgeschrieben, auch wenn das Strafgesetzbuch „jede Unterscheidung auf Basis des Alters oder der familiären Situation“ verbietet. Die sozialistische Senatorin Laurence Rossignol hat vorgeschlagen, Minderjährigkeit als Kriterium für Diskriminierung anzuerkennen, um die juristische Unklarheit aufzuheben.

Hotelverband: Es geht nicht um Ideologie, sondern ums Geschäft

Demgegenüber wies Véronique Siegle, Präsidentin des Hotellerie-Bereichs beim Hotel- und Gaststättenverband Umih, darauf hin, dass Reiseclubs und andere Ferienunterkünfte, die ein reines Erwachsenen-Angebot („Adults only“) haben, nicht aus ideologischen, sondern geschäftlichen Gründen handeln: „In einem Wettbewerbsmarkt geht es in erster Linie um eine kommerzielle Strategie, die es ermöglicht, auf eine bestehende Nachfrage einzugehen und sich von anderen abzuheben.“

Es gibt auch viele Angebote, die speziell auf Familien mit Kindern zugeschnitten sind

Auch Vincent Lagarde, Dozent an der Universität Limoges, der 2024 eine erste Studie über die Ausweitung des kinderfreien Freizeitangebots in Frankreich durchgeführt hat, warnt vor schnellen Vorverurteilungen. In manchen Fällen handele es sich um als exklusiver geltende und daher teurere Premium-Angebote, die den Anbietern mehr Umsatz versprechen. Es finde eine Segmentierung der Tourismusleistungen statt, mit dem Ausschluss von Kindern auf der einen und speziell auf kleine Gäste angepasste Angebote auf der anderen Seite. Von einer kinderfeindlichen Gesellschaft würde er nicht sprechen, so Lagarde.

Stattdessen werde das Problem künstlich aufgebläht: „Nach zwei Jahren heftiger Mediendebatten gab es keine einzige Klage von Familien und Vereinen.“ Auch seien die Nutzer von entsprechenden Angeboten „nur für Erwachsene“ nicht bloß kinderlose Paare oder Rentner, sondern oftmals Eltern oder Beschäftigte im Kinderbetreuungs- oder Schulsektor, die Abstand von ihrem Alltag suchten; und das auch in Frankreich, dem Land der meist gut erzogenen Kinder.

  • Birgit Holzer

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