Kiel. Die evangelische Kindertagesstätte Hoppetosse in Kiel-Holtenau hat zum Wochenbeginn seine Krippengruppen dauerhaft geschlossen und den betroffenen Eltern zum 31. August den Betreuungsvertrag gekündigt. Als Grund nennt der Träger, der Kirchenkreis Altholstein, eine zu hohe Belastung mit Formaldehyd in den Krippen- und Schlafräumen. Das Gas ist in der EU seit 2014 als krebserzeugend eingestuft.

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Der Richtwert für Innenraumluft liegt bei 100 Mikrogramm pro Kubikmeter. Dieser Wert sollte auch kurzzeitig (30 Minuten) nicht überschritten werden und entspricht ebenso der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation.

Wir sind davon ausgegangen, dass wir damit bis zum Neubau kommen.

Jürgen Schindler, Pressesprecher Kirchenkreis Altholstein

In der Kita Hoppetosse werden rund 80 Kinder betreut. Es gibt drei Elementargruppen – eine davon ausgelagert im evangelischen Gemeindehaus – und zwei Krippengruppen. Zum Wochenbeginn erhielten die Eltern ein Schreiben von Susanne Mißfeldt, Regionalleiterin Kindertagesstättenwerk. Darin heißt es: „Wir schließen die beiden Krippengruppen in der Hoppetosse.“ Denn: „Die Messwerte überschreiten nach wie vor den Richtwert.“

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Der höchste gemessene Formaldehyd-Wert liegt bei 140 Mikrogramm pro Kubikmeter, so Mißfeldt auf Nachfrage. Diese Werte könne man eine Zeit lang tolerieren, so das Landesamt für Arbeitsschutz, Soziales und Gesundheit. Es rät jedoch von einer längerfristigen Nutzung ab, obwohl es keine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung sieht.

Bäume und Sträucher umgeben die Kita „Hoppetosse“ im Kieler Stadtteil Holtenau.

Bäume und Sträucher umgeben die Kita „Hoppetosse“ im Kieler Stadtteil Holtenau.

Daraufhin stand das Telefon von Elternsprecherin Sabrina Biere nicht still, zumal es eine Vorgeschichte gibt. „Die Werte waren schon deutlich höher, und da hat man nicht die Reißleine gezogen“, sagt sie. Svenja Karstens hat für die Elternschaft das Formaldehyd-Problem dokumentiert. Sie selbst hat aufgrund der Vorkommnisse bereits im Mai einen anderen Platz für ihr Kind gesucht.

Formaldehyd seit 2017 Thema in der Kita Hoppetosse

Seit Jahren liege ein „muffiger“ Geruch im Gebäude, der sich penetrant in Textilien und Haaren festsetze. „Selbst die Erzieherinnen sagen, dass sie sich zu Hause erstmal duschen und umziehen“, so Biere. Dieser „besondere Geruch“ sei bereits 2017 Anlass für eine Raumluftuntersuchung gewesen. Auf Elternabenden hieß es mehrfach, dass die Raumluft regelmäßig überprüft worden sei und die Ergebnisse aber immer unbedenklich gewesen seien. Im April 2024 baten Eltern die Kita-Leitung aufgrund der Atemwegserkrankung eines Kindes um Einsicht in die alten Messergebnisse. Dabei kam heraus, dass nicht regelmäßig gemessen wurde, sondern nur einmal im Jahr 2017.

Die empörten Eltern forderten daraufhin erneute Messungen. Das Ergebnis vom Juli 2024 zeigt: Trotz des bestehenden Lüftungskonzepts wurden die gesundheitlichen Vorsorge-Richtwerte für Formaldehyd in allen beprobten Räumen erneut überschritten. Der Wert lag zwischen 161 und 228 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Elementarbereich wurde dabei ausgespart.

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Elternsprecherin Sabrina Biere und Maria Schlüter fordern auch Messungen im Elementarbereich. 

Elternsprecherin Sabrina Biere und Maria Schlüter fordern auch Messungen im Elementarbereich. 

Das Landesamt empfahl dem Träger, die Lüftungsroutine zu intensivieren, die innenliegenden Span- und Faserplatten zurückzubauen und Wandlüfter einzubauen. Bis auf den Rückbau der Platten setzte der Träger alles um. „Wir sind davon ausgegangen, dass wir damit bis zum Neubau kommen“, sagt Jürgen Schindler, Pressesprecher des Kirchenkreises Altholstein. „Eine Sanierung wäre nicht mehr zielführend gewesen. Zumal das Gebäude nicht mehr den heutigen Anforderungen an eine Kita entspricht“, sagt Mißfeldt. Ein Neubau ist bereits seit 2017 im Gespräch. Die Pläne liegen vor. 2024 sei man dem sehr nahe gewesen. „Die Finanzierung ist jedoch nicht geklärt“, so Schindler.

Kita Hoppedosse in Kiel: Eltern stehen unter Schock

Bei der Nachmessung im November 2024 lagen die Werte unter dem Richtwert. Allerdings wurden nur drei Räume gemessen, nicht jedoch der Schlafraum der Seepferdchen. Dort lag der Wert im Juli bei 228,63 Mikrogramm pro Kubikmeter. In diesem Raum schlafen die Kinder bis zu zwei Stunden bei geschlossenen Fenstern. Das stößt auf Unverständnis bei Biere. „Wenn der Träger die potenzielle gesundheitliche Gefährdung ernst nehmen würde, hätte er als Auftraggeber in allen Räumen testen lassen.“

Der Schock sitzt bei den Eltern tief. Einerseits hatten sie dem Träger vertraut, andererseits müssen sich einige im laufenden Kita-Jahr einen neuen Platz suchen. „Die Erzieher sind toll, die Stimmung ist total schön und es gibt eine eigene Köchin. Man möchte da nicht weg.“ So wie Maria Schlüter waren viele von der Kita begeistert. Doch das hat sich geändert. „Ich bin traurig und erschüttert, dass man so hintergangen wird“, sagt sie.

Katrin Schmäl ärgert sich darüber, dass dem Träger nicht bewusst sei, was das für die Familien bedeutet, die sich auf die Einrichtung verlassen haben. Sie nennt Beispiele: die Suche nach einem neuen Platz, in einer Phase, in der das Kita-Jahr schon begonnen hat. Hinzu kommt der Stress und die Zeit bei der neuen Eingewöhnung. Nun hofft sie auf die Flexibilität ihres Arbeitgebers und Unterstützung aus der Familie.

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Susanne Mißfeldt versteht den Ärger der Eltern: „Das ist uns alles bewusst, weshalb wir uns jetzt und nicht erst, wenn alle 20 Krippenplätze in der Kita belegt sind, dazu entschlossen haben.“ Die Kombination aus den Werten und die Tatsache, dass es die Schlafräume betrifft, habe die Verantwortlichen dazu veranlasst, die Reißleine zu ziehen, so Mißfeldt.

„Ein Jahr lang hat man die hohen Werte in Kauf genommen, und jetzt wird geschlossen.“ Aus den Worten von Svenja Karstens spricht Unverständnis. Martina Starke, die Vorsitzende des Holtenauer Ortsbeirats, sieht das genauso: „Ich finde es unglaublich, dass mit der Gesundheit der Kinder und Erzieher so leichtfertig umgegangen wird.“ Deshalb kommt das Thema auf die Tagesordnung des Ortsbeirats. Zu der Sitzung wird auch der Träger eingeladen. Dieser wird dem Wunsch der Eltern auf jeden Fall nachkommen und auch in den Elementarräumen messen lassen.

KN