Essen/Moers. Olga Weinknecht reagiert auf den Ukraine-Gipfel in Washington. Die Ukrainerin berichtet auch von der gespaltenen Stimmung in ihrem Heimatland.

Nach dem Gipfel in Washington zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie dessen europäischen Verbündeten bleiben viele Ukrainer nachdenklich zurück. So auch Olga Weinknecht aus Moers. Sie hofft, wie viele andere aus der ukrainischen Community in NRW, auf einen Weg zum Frieden für ihr Heimatland, macht sich jedoch Sorgen, weil bisher nichts Eindeutiges beschlossen wurde. In der Ukraine selbst sei die Stimmung dagegen gespalten.

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Ukrainerin verwundert über Fokus auf Trumps Laune und Selenskyjs Kleidung

Nach dreieinhalb Jahren Krieg sei es höchste Zeit für Frieden, findet Weinknecht, die für die AWO im Kreis Wesel den Fachbereich Innovation, Beratung und Integration leitet. Daher freut sie sich einerseits darüber, dass erste Schritte versucht werden und Bewegung in die Sache kommt, wie sie der NRZ erzählt. „Bald könnten beide Kriegsparteien miteinander sprechen, was zuvor nicht möglich gewesen wäre. Das ist für mich positiv.“

Andererseits kann sie nicht nachvollziehen, dass sich scheinbar auf dem Gipfel dann doch alles um US-Präsident Trump gedreht hatte. Das sei ihr Eindruck. „Es ging darum, dass man Trump nicht verärgern möchte und alles an seine Stimmung anpasst. Dabei geht es hier um das Schicksal eines Staates und eines Volkes. Geht es nicht um Menschenleben statt um die Laune einer einzelnen Person?“, fragt die Moerserin, die seit rund 30 Jahren in Deutschland lebt. Sie findet, die europäischen Nationen müssten souveräner auftreten.

Ebenso unverständlich ist für die der Fokus auf die Kleidung von Selenskyj. Er trete nicht als Privatperson auf, sagt Weinknecht. „Selenskyj ist der Präsident eines Landes, das im Krieg ist. Und so muss er gesehen werden. Er ist das Gesicht dieser Nation, die gerade leidet und blutet.“ Von seinen eigenen persönlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten sei abzusehen. „Darüber kann man diskutieren. Aber nicht jetzt, wenn die Nation, die ihn gewählt hat, darauf hofft, dass alles noch ein gutes Ende nimmt“, findet sie. In dieser Situation über Äußerlichkeiten zu sprechen, sei für sie unverständlich.

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Ukrainer am Niederrhein: Noch schwer, an ein Ende des Krieges zu glauben

Auch dass sich für Trump offenbar alles um „Deals“ drehe, störe Weinknecht. „Es geht immer darum, was die USA für ihre Hilfe bekommen. Aber im Ukrainischen gibt es ein Sprichwort: ‚Ein schlechter Frieden ist immer besser als ein guter Krieg‘“, sagt sie und fügt hinzu: „Vielleicht sind wir auf dem Weg dahin.“ Ähnlich würden es auch viele in der ukrainischen Community am Niederrhein sehen. „Viele wollen gerne glauben, dass das Ende des Krieges naht. Es fällt ihnen aber noch schwer, wirklich daran zu glauben.“

In der Ukraine selbst sei die Stimmung dagegen anders, sagt Weinknecht. Eine Freundin aus Kyjiw habe ihr gesagt, dass das Land in zwei Lager gespalten sei. Es gebe viele, die sagen, dass man die Russen jetzt nicht triumphieren lassen dürfe. Man lasse sie als Gewinner aus dem Konflikt gehen und das würden viele Ukrainer nicht zulassen wollen. Dafür habe das Land zu viele Opfer gebracht.

Vor allem die mögliche Aufgabe von Territorien sorge für Unmut. „Viele Menschen, die sich freiwillig für die Armee gemeldet haben und bis zum Schluss kämpfen, würden sich fragen, wofür sie das gemacht haben“, erzählt die Moerserin. „Es sind dreieinhalb Jahre Leid und Schrecken, die fast jede Familie in der Ukraine betreffen. Da kann man nicht einfach von vorne anfangen.“

Olga Weinknecht lebt seit rund 30 Jahren in Deutschland.

Olga Weinknecht lebt seit rund 30 Jahren in Deutschland.
© FUNKE Foto Services | Volker Herold

Stimmung in der Ukraine: Selenskyj muss zwei große Lager beachten

Die andere Seite der Bevölkerung sehne sich nach Frieden, weil viele müde und erschöpft seien. „Sie wollen nicht noch mehr Opfer sehen, Kinder in den Krieg schicken und Verwandte verlieren“, berichtet Weinknecht. „Das ist ein menschliches Verlangen nach dem Frieden. Das sind zwei Meinungen, mit denen man respektvoll umgehen muss.“ Deswegen müsse man auch Selenskyjs Situation verstehen. „Er kann die Stimmung im Land nicht ignorieren.“

Für mögliche direkte Gespräche zwischen Selenskyj und Putin hofft sie auf eine vernünftige Vorbereitung. „Auch die Präsidenten untereinander können nicht auf Anhieb eine Lösung finden. Vor allem, weil die Positionen so weit auseinander liegen“, meint Weinknecht. „Ich hoffe, das wird nicht überstürzt gemacht nach der Laune von Trump.“ Auch die Europäer müssten sich für Sicherheitsgarantien einsetzen, fordert sie. „Es geht ja auch um die Sicherheit Europas.“