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„Ich glaube, wir machen zu wenig mit dem, was wir haben“: Eva Hofmann am Meer in Portugal. © Privat
Die einstige Kulturamtschefin der Gemeinde Oberhaching, Eva Hofmann, spricht über ihr neues Leben in Portugal – dorthin ist die jetzt 60-Jährige ausgewandert.
Oberhaching – 22 Jahre hat die Literaturwissenschaftlerin Eva Hofmann das Oberhachinger Kulturamt geleitet. Sie kuratierte Konzerte, Kabarett und Kino auf dem Kyberg, schrieb aber auch selbst die Texte fürs Literatur- und manchmal auch fürs Jazzfestival. Vor vier Jahren kündigte sie ihren Job – und fing ein neues Leben an. Ein Gespräch mit der 60-Jährigen über den Mut, sich dem Augenblick anzuvertrauen.
Was hat Sie an Ihrem neuen Leben am meisten überrascht?
Die Erkenntnis, dass man nie zu alt ist, nicht nur seine Lebensumstände, sondern auch sich selbst zu verändern.
Die meisten Menschen bleiben, wenn es um Träume geht, im Konjunktiv hängen. Sie haben sich einen Traum erfüllt und einen Zweitwohnsitz in Portugal angeschafft. Wie mutig sind Sie?
Ich bin weder Hasardeur noch Feigling. Ich brauche genaue Planungen, auch ein Worst-Case-Szenario, um meine Risiken abzuschätzen. Mut darf nicht Naivität bedeuten. Der konkrete Schritt nach Portugal hat dann im Grunde nicht mehr als ein Vierteljahr gedauert. In dem Moment, in dem uns klar war, dass es funktionieren kann, haben wir es getan.
Aus der Ferne, also Portugal, betrachtet: Was schätzen Sie an Deutschland? Und was ist an Portugal definitiv attraktiver?
An Deutschland schätze ich einerseits ganz Pragmatisches, die bessere Gesundheitsversorgung, andererseits rein Persönliches: Familie und Freunde. Wenn ich über diese engeren Beziehungen hinausschaue, ist Portugal erheblich attraktiver: freundlicher, entspannter, humorvoller, hilfsbereiter. Auch die Portugiesen jammern manchmal, aber sie tun das ohne jede Bitterkeit. Denn am Ende wissen sie, dass ihnen niemand was in Sachen Wetter, Meer und Grillfisch entgegensetzen kann.
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Man merkt Ihnen an, wie sehr Sie Ihr neues Leben genießen. Gibt es dafür ein Geheimrezept?
Es sind oft die Kleinigkeiten im Alltag, die mich mit Dankbarkeit erfüllen: ein paar nette Worte, ein schöner Spaziergang, eine Umarmung. So etwas muss man sich bewusst machen und sich sagen: Ich habe es gerade richtig gut. Und vielleicht kann man in Folge diese Momente immer weiter ausdehnen.
Die für Sie wertvollste der sicher vielen gewonnen Freiheiten?
Die Freiheit des Verzichts. Da ist noch so viel im Leben, das ich tun könnte und möchte – aber langsam begreife ich, dass meine Zeit endlich ist. Und ich habe begriffen, dass es nicht schlimm wäre, Dinge auf der Agenda in meinem Kopf unerledigt abzuhaken: Ich muss den Roman nicht schreiben, und ich muss auch nicht unbedingt Australien bereisen. Wichtiger ist, dass ich die restliche Zeit in meinem Leben nutze, um andere und mich selbst ein bisschen zufriedener, vielleicht sogar glücklich zu machen.
Gibt es auch etwas, was Ihnen am geregelten Arbeitsleben heute fehlt?
Das einzige, was mir manchmal fehlt, sind Menschen aus der Zeit.
Sie arbeiten weiterhin, wie schaffen Sie sich eine Struktur im Alltag?
Ich war es schon immer gewohnt, mir meine Arbeit weitgehend selbst zu strukturieren. Je freier ich arbeiten konnte, umso deutlicher trat meine Tendenz zur Selbstausbeutung zu Tage. Die habe ich auch jetzt nicht verloren, aber sie tritt nun flexibler in Erscheinung. Ich kann ja zumeist schreiben, wann ich will. Daher gönne ich mir immer wieder mal den Luxus des Nichtstuns.
Ein Tipp für alle, die wenigstens zeitweise raus wollen aus dem Hamsterrad?
Freiheit beginnt im Kopf. Sie bedeutet viel mehr als einfach nur Befreiung von ungeliebten Umständen. Man muss bereit sein, die komplette Zuständigkeit für das eigene Leben zu akzeptieren. Keine Ausreden, keine Rechtfertigungen. Ein freies Leben bedeutet für mich, dass man die Verantwortung der Gestaltungsfreiheit im Guten wie im Schlechten übernimmt.