Der Radfahrer sei „gemütlich“ unterwegs gewesen, sagte ein Zeuge. Der 50-jährige Familienvater auf einem Klapprad konnte einer plötzlich geöffneten Tür eines Taxis nicht ausweichen. Ein „Dooring“-Unfall, der tödlich endete.

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War es die Schuld eines 74-jährigen Taxi-Fahrgastes? Das Amtsgericht Tiergarten verhandelte am Dienstag wegen fahrlässiger Tötung. Sichere Erkenntnisse fehlen.

Es geschah am 20. Februar 2023. Der 74-Jährige war in Spandau in ein Taxi gestiegen. Die Fahrt sollte nach Charlottenburg gehen. An der Kantstraße Ecke Wielandstraße wollte der Gast aussteigen. Der Fahrer hielt auf der markierten Sperrfläche kurz vor Beginn des Parkstreifens zwischen Autofahrbahn und Fahrradstreifen.

Auf Sperrfläche gehalten

Eigentlich darf so ein Bereich nicht befahren werden. Gegen 14.25 Uhr bezahlte der 74-Jährige auf der Rückbank, öffnete dann die Tür. „Ich hörte ein dumpfes Geräusch“, so der Taxifahrer. Sie seien ausgestiegen. Bewusstlos habe der Radfahrer auf dem Radweg gelegen.

Sven W. hatte so schwere Kopfverletzungen erlitten, dass er später im Krankenhaus starb. Sein Tod warf seine Tochter und seine Frau aus der Bahn.

Gefährliche Unachtsamkeit

Die Anklage ging von Unachtsamkeit aus. Der Fahrgast habe sich beim Aussteigen „nicht ausreichend versichert, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist“. Der 74-Jährige habe die rechte hintere Tür geöffnet, „ohne auf den rückwärtigen Radverkehr zu achten“.

Der Verteidiger sagte für den Senior, der Unfall mache ihn betroffen, er spreche den Hinterbliebenen sein tiefes Beileid aus. Doch er habe die Tür gerade mal 30 Grad geöffnet, dann über die Schulter nach hinten geschaut, einen Radfahrer aber nicht gesehen.

Ein tragisches Unglück sei es, gewesen, so der Anwalt. „Es gibt Schicksalsschläge, unvermeidbare Ereignisse, die nicht strafbar sind.“ Laut Ermittlungen könnte der Radfahrer kurz nach links gezogen haben, um einem aus der Wielandstraße kommenden Fahrzeug auszuweichen.

Es gibt für diesen Fall viele technische Möglichkeiten.

Ein Unfallsachverständiger im Prozess gegen einen 74-Jährigen, der in einen sogenannten Dooring-Unfall verwickelt war.

In dem Fall hätte sich W. für einen Augenblick hinter dem Taxi befunden und wäre nicht durch Schulterblick zu sehen gewesen, so ein Unfallsachverständiger. Doch wenig stehe fest – „es gibt für diesen Fall viele technische Möglichkeiten“.

Richter Karsten Parpart entschied auf Freispruch: „Wir wissen eigentlich nichts.“ Er könne den Fall nicht aufklären. Es sei ein Unfall, „den auch der Sachverständige nicht richtig rekonstruieren konnte“. Die Staatsanwältin hatte 1500 Euro Strafe gefordert.

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Mit dem Freispruch auf Kosten der Landeskasse Berlin folgte das Gericht dem Antrag des Verteidigers. Die Staatsanwältin hatte auf eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 Euro (1500 Euro) wegen fahrlässiger Tötung plädiert. Der Angeklagte habe sich bei dem Geschehen an einer viel befahrenen Straße nicht ausreichend versichert, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.