S-Bahn-Stammstrecke Stuttgart: Hunderte Bauarbeiter im Einsatz – was im Tunnel gerade passiert Schweres Gerät ist im Einsatz in der neuen Tunnelröhre, in der ab Juli 2027 die S-Bahnen über Haltestelle Mittnachtstraße verkehren sollen. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Noch bis 5. September ist die Stammstrecke gesperrt. Der Grund sind die technische Aufrüstung und die Vorbereitung auf S 21. Hier ein Blick in den Tunnel. 

Fast muss man zweimal hinschauen, ob des ungewöhnlichen Anblicks. Wo sonst die S-Bahnen beinahe im Minutentakt ein- und ausfahren, steht nun ein Mercedes-Laster auf den Schienen am unterirdischen Bahnsteig des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Das Zwei-Wege-Fahrzeug, das sowohl über Räder als auch Rollen für die Schienen verfügt, ist für die vorbereitenden Maßnahmen an der neuen Oberleitung im Einsatz. Auf dem Bahnsteig selbst stehen mehrere Rollen mit 15-Hertz-Kabel. Der Belag wird vor der Tonnen schweren Fracht mit Teppich und Holzlatten besonders geschützt. Schließlich wurde dieser bei den vorangegangenen Sperrungen während der Sommerferien – bereits viermal – ebenso umgestaltet wie die anderen Haltestellen Stadtmitte, Schwabstraße, Feuersee und Universität auf der sogenannten Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen. „Alleine 50 Kilometer Kabel werden in diesem Sommer verbaut“, erklärt Katja Besnier, die Koordinatorin für die Tunnelnachrüstung.

Anschluss der neuen Haltestelle Mittnachtstraße

Das betrifft in erster Linie den Bereich zwischen der neuen Haltestelle Mittnachtstraße und dem Hauptbahnhof. Hier wird der Tunnel mit neuer Sicherungs- und Kommunikationstechnik ausgestattet – die Voraussetzung für den Digitalen Knoten Stuttgart (DKS). Dieser soll einmal ermöglichen, die S-Bahnen mit einem noch höheren und auch verlässlicheren Takt auf dem Nadelöhr der Stammstrecke verkehren zu lassen. Dafür müssen aber alle Züge mit der neuen Technik ECTS (European Train Control System) ausgestattet sein. Die neuen bis zu vier Zentimeter dicken Kabel verlaufen neben den Gleisen bis zur Haltestelle Hauptbahnhof tief und schließlich unter den Hohlbahnsteigen über einen zentralen Aufgang bis zum neuen Technikgebäude, das im Erdreich verborgen zwischen Bonatzgebäude und Heilbronner Straße entsteht. „Es ist eine sehr aufwendige Arbeit“, weiß Besnier.

Generell steht der Anschluss der neuen S-Bahn-Haltestelle Mittnachtstraße im Mittelpunkt. Es werden neue Schienen und auch die Weichen zum bestehenden Gleisbett geschliffen und verlegt. „Wo es nun in Richtung Bad Cannstatt rechts weggeht, verläuft die Route in Zukunft geradeaus“, sagt Besnier – es ist sozusagen Licht am Ende des Tunnels. Besonders knifflig ist für die Ingenieure die Verlegung eines Masse-Federsystems, das auf einem 400 Meter langen Teilabschnitt von der Wolframstraße in Richtung Hauptbahnhof auf Wunsch der Stadt verlegt wird. Anstatt wie von der neuen Neckarbrücke auf einem Schotterbett, werden die gegossenen Betonfundamente auf mehr als 1000 kleine Kunststoffkerne angehoben, die für einen zusätzlichen Schall- und Erschütterungsschutz für das oberhalb gelegene zukünftige Baufeld A2 im Rosensteinquartier sorgen. Die Kosten übernimmt die Stadt.

Kosten von 30 Millionen Euro

Die Arbeiten beschränken sich aber nicht nur auf diesen Abschnitt. Insgesamt werden während der bis einschließlich 5. September laufenden Sperrung des rund acht Kilometer langen innerstädtischen Tunnels 20 Maßnahmen umgesetzt. Die Kosten belaufen sich auf rund 30 Millionen Euro. Während oben der Ärger bei den Pendlern über die weiten Umwege wegen der Stammstreckensperrung bei den Pendlern vorherrscht, herrscht unter Tage rege Betriebsamkeit. „Im Schnitt 200 bis 300 Mitarbeiter sind täglich im Einsatz, an sieben Tagen die Woche, rund um die Uhr“, betont Bauoberleiter Markus Vens.

Im Rahmen der Qualitätsoffensive für den Schienenstrang Stuttgart (QSS) werden gleichzeitig Streckentrenner ausgetauscht. Mit dem neuen Programm soll – durch den Einbau sog- und druckfester Türen sowie weiterer Weichen für mehr Flexibilität – das Netz und damit der Betrieb der S-Bahn Stuttgart stabiler gemacht werden. Unter anderem ermöglicht es die Steigerung der Höchstgeschwindigkeit je nach Streckenabschnitt von 60 auf 80 oder von 80 auf 100 Stundenkilometer.

Rolltreppe zur Kronenpassage bleibt gesperrt

Die für Fahrgäste augenscheinlichste Änderung ist die Sperrung der Rolltreppe zur Kronenpassage. Diese wird derzeit für rund 2,3 Millionen Euro komplett erneuert. In Einzelteilen von bis zu 5,8 Tonnen werden die beiden Rolltreppen angeliefert, erklärt Johannes Müller, Projektleiter für Personenbahnhöfe. Vor Ort werden diese zusammengeschraubt. Fertiggestellt wiegen die 30 Meter langen und 12,2 Meter hohen Rolltreppen dann 16,7 Tonnen und können eine Belastung von bis zu 33 Tonnen aushalten. „Wir benötigen daher drei bis vier Monate Bauzeit“, sagt Müller. Aufwärts soll die Rolltreppe daher Ende September, abwärts Ende Oktober betriebsbereit sein.

Stuttgart 21 soll im Juli 2027 in Betrieb gehen

Alle Aufgaben dienen der Deutschen Bahn den nun endgültig selbst festgezurrten Zeitplan für die Eröffnung von Stuttgart 21 einhalten zu können. Denn im Juli 2027 sollen alle S-Bahn-Linien über die neue Trasse und die Haltestelle Mittnachtstraße verkehren, betonen die Experten vor Ort noch einmal. Bis es soweit ist, müssen Pendler aber erneute Einschränkungen in Kauf nehmen. Neben der Stammstreckensperrung in den Sommerferien 2026, muss der innerstädtische Tunnel auch im Frühling 2027 noch einmal zur reinen Baustelle werden. Zunächst sollen aber ab 6. September dieses Jahres die S-Bahnen wieder planmäßig verkehren.