Am Montag, dem 18. August, informierte die IHK zu Leipzig über die jüngste Umfrage zum Wirtschaftsstandort Leipzig. Auch OBM und Wirtschaftsdezernent saßen dabei, um wohlformulierte Worte vorzutragen. Aber das Ergebnis ist eher wieder nur Bauchgefühl, eine der üblichen Umfragen unter ausgewählten Unternehmern, die dann wieder Noten verteilt haben für ein vorgefertigtes Raster, das niemanden klüger macht. Eine richtige Standortanalyse untersucht die konkreten Infrastrukturen vor Ort. Doch darum ging es nicht.

„Deutschlands und ist interessant für Investoren aus dem In- und Ausland. Die aktuelle Standortbefragung von Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig und Handwerkskammer zu Leipzig – an der sich 291 Mitgliedsunternehmen aus allen Branchen beteiligt haben, zeigt jedoch: Die Bewertung fällt kritischer aus als zur letzten Umfrage 2019“, meldeten die IHK und die Handwerkskammer.

„2025 bewerten nur noch 7 Prozent der Unternehmen den Standort mit ‚sehr gut.‘ Im Jahr 2019 waren es noch 15 Prozent. Auch der Anteil der ‚gut‘ -Bewertungen ist drastisch von 69 auf 46 Prozent zurückgegangen.“

Da will man doch schon gern wissen, was die 291 Unternehmen (von insgesamt 67.000 Mitgliederunternehmen allein in der IHK zu Leipzig) da konkret als Standortnachteile benannt haben.

„Einzelne Standortfaktoren haben sich gegenüber der letzten Umfrage 2019 spürbar verschlechtert. Das betrifft besonders den Bereich der Verwaltungsprozesse, das Thema innerstädtischer Verkehr sowie das Niveau der Energiepreise, Gebühren, Abgaben und Steuern“, meinen die Kammern nach Auswertung der Umfrage.

Was prägt eigentlich einen Standort?

Energiepreise, Gebühren, Abgaben und Steuern aber unterscheiden Leipzig nicht wirklich von anderen Standorten in Deutschland. Und der Fokus allein auf den innerstädtischen Verkehr verstellt die Sicht darauf, dass für einen Wirtschaftsstandort die überregionalen Verbindungen viel wichtiger sind und deshalb ausschlaggebend für Unternehmensansiedlungen: Autobahnen, Flughafen, Bahnverbindungen. Dazu kommen sämtliche Telekommunikationsanbindungen, die im Zeitalter der Digitalisierung noch viel wichtiger werden.

„Zwar sind Leipzigs kulturelle Vielfalt, das lebendige Zentrum und die hohe Lebensqualität wertvolle Standortvorteile – für Unternehmen ebenso wie für Fachkräfte“, meinte Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig.

„Doch diese Attraktivität will finanziert sein – und das Geld dafür erwirtschaften in erster Linie unsere Unternehmen und ihre Beschäftigten. Attraktive Standortbedingungen sind die Grundlage für eine starke Wirtschaft. Und dazu müssen die Kosten für Unternehmen gesenkt werden, unnötige Bürokratie abgebaut und Bearbeitungs- sowie Genehmigungszeiten verkürzt werden.“

Obskure Stadtratsbeschlüsse

Aber wie ist das wirklich mit dem innerstädtischen Verkehr?

„Die wiederkehrenden Diskussionen über den Verkehrsfluss in der Stadt Leipzig spiegeln auch unsere Befragungsergebnisse wider“, erklärte der Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig, Matthias Forßbohm.

Insbesondere beim innerstädtischen Verkehr und bei der Verfügbarkeit von Parkplätzen und Anlieferzonen sehe man besonders die Diskrepanz zwischen der Zufriedenheit mit der aktuellen Lage und der Relevanz dieser Faktoren für die Ausübung handwerklicher Tätigkeiten. Womit dann eigentlich deutlich wird, dass hier eher die Handwerker ihren Frust geäußert haben.

Grundsätzlich befürworte er die dringend notwendigen Investitionen in die Infrastruktur, um hier wieder eine höhere Zufriedenheit herzustellen. Daher gelte es nun, so Forßbohm, die bestehenden Stadtratsbeschlüsse – zum Beispiel für die Fahrradstreifen am City-Ring oder die Baumaßnahmen in der Prager Straße – zügig umzusetzen, um den Wirtschaftsverkehr wieder fließen zu lassen. Welche Stadtratsbeschlüsse er da meinte, wird nicht ersichtlich.

Die Fahrradstreifen auf dem Ring werden nicht auf der Grundlage von Stadtratsbeschlüssen umgesetzt. Und in der Prager Straße wird ein Abschnitt am Völkerschlachtdenkmal aus und umgebaut. Mehr Platz für den motorisierten Verkehr gibt es da hinterher auch nicht.

Der OBM widerspricht

Die Ergebnisse aus Leipzig – so stellen IHK und Handwerkskammer fest – spiegeln einen bundesweiten Trend wider: Der wirtschaftliche Puls schwäche sich ab. Stadtpolitik und Verwaltung seien jetzt aufgefordert, Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu ergreifen.

Dabei investiert Leipzig schon Millionen in die Wirtschaftsförderung. Und das bei einer Haushaltslage, bei der eine Genehmigung des Doppelhaushalts 2025/2026 noch immer nicht in Sicht ist.

„Unser Haushalt sichert Investitionen und damit Wertschöpfung in der Region und setzt auf starke Wirtschaftsförderung“, sagte Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig. Und widersprach damit den beiden Kammerpräsidenten.

„Wir leisten damit unseren Beitrag, damit die Wirtschaft wieder anspringt. Wir wissen, wie wichtig eine starke Wirtschaft ist. Nicht nur, weil rund ein Viertel unserer Einnahmen aus der Gewerbesteuer stammt – aus der Leistung unserer Unternehmen. Ohne diese Einnahmen keine Ausgaben für Soziales, Kultur, Klimaschutz oder Wirtschaftsförderung. Auch deshalb nehmen wir die Umfrageergebnisse sehr ernst. Wir wollen ein attraktiver Standort für Unternehmen sein.“

Einzige Schraube, an der Leipzigs Verwaltung wirklich drehen kann: Die städtischen Genehmigungsprozesse könnten schneller sein, wie Clemens Schülke, Bürgermeister und Beigeordneter für Wirtschaft, Arbeit und Digitales, erklärte: „Die Unzufriedenheit mit der Haltung der Verwaltung gegenüber Unternehmen ist uns ein klarer Auftrag. Wir müssen und wollen wirtschaftsnah denken und wirtschaftsfreundlich handeln.

Wir müssen weg von der Frage ‚Was muss der Antragsteller uns noch liefern?‘ hin zu ‚Wie kann ich den Investor unterstützen, den Prozess abkürzen?‘. Denn auch als Verwaltung stehen wir im Wettbewerb mit anderen Städten und Kreisen; ein wirtschaftsfreundlicher Ruf entscheidet mit darüber, ob Betriebe wachsen oder sich neu ansiedeln. Das ist unser gemeinsamer Auftrag.“

Aber auch das ist nicht neu. Genauso wie die abgefragten Kritikpunkte, die auch seit 2019 dieselben sind. Eine wirkliche Einschätzung des Wirtschaftsstandorts Leipzig bietet die Umfrage nicht. Und mit einer profunden Analyse hat sie auch nichts zu tun.