Leipzig. Ukraine-Gipfel in Washington. US-Präsident Donald Trump lädt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zum Kriegsgespräch. Mit dabei: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Friedrich Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
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Die Medien berichten danach von Fortschritten und positiver Stimmung – alle scheinen begeistert. Und das nur wenige Tage nachdem Trump beim Treffen mit Wladimir Putin in Alaska den roten Teppich für den russischen Machthaber ausrollen ließ. Die Hoffnung auf Frieden, sie ist bei einigen so groß wie lange nicht.
Doch wie sehen das die Menschen, die direkt von Putins Krieg betroffen sind? Wir haben sechs Ukrainerinnen und Ukrainer aus Leipzig gefragt. Das sind ihre Gedanken zum Ukraine-Gipfel.
„In meinen Augen ist die ganze Situation eine Farce“
Anna Stepanova ist sich sicher, Russlands Ziel sei es, die Existenz der Ukraine zu beenden.
Quelle: Christian Modla
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Anna Stepanova stammt aus Odessa in der Ukraine, arbeitet als TV-Produzentin und lebt seit sieben Jahren in Leipzig.
„Ich denke nicht, dass es sofort einen gerechten Frieden für die Ukraine geben wird. In meinen Augen ist die ganze Situation eine Farce und geht nur schwer in meinen Kopf hinein. So geht es den meisten Ukrainerinnen und Ukrainern. Das angegriffene Land wird wohl zu Zugeständnissen gezwungen werden und der Aggressor wird für seine barbarischen Verbrechen belohnt und von Trump sogar gefeiert. Somit gilt nun das Recht des Stärkeren, was eine extreme Bedrohung auch für den Rest Europas darstellt.
Niemand wünscht es sich mehr in Frieden zu leben als die Menschen in der Ukraine. Die Befürchtungen sind aber berechtigterweise groß, dass Russland lediglich eine Pause machen und in kurzer Zeit wieder angreifen wird. So wie schon nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und Donezk/Luhansk 2014. Das Ziel Russlands ist es, die Existenz der Ukraine zu beenden. Jetzt können wir nur auf harte Sicherheitsgarantien hoffen, die einen erneuten Angriff hoffentlich verhindern werden.“
„Das ist doch absurd“
Severyn Flyunt, 24 Jahre, lebt seit 23 Jahren in Leipzig, seine Eltern stammen aus der Ukraine. Er organisiert Unterstützer-Demonstrationen für die Ukraine.
Quelle: privat
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Severyn Flyunt ist in Deutschland geboren, aber ukrainischer Staatsbürger. Er ist Mitglied des Migrantenbeirats der Stadt und Mitglied im Freundeskreis der Ukraine in Leipzig.
„Es wäre schön, daran zu glauben, dass jetzt ein gerechter Frieden kommt. Aber mein Gefühl sagt mir: auf keinen Fall. Russland wird das weiter in die Länge ziehen und die Ukraine terrorisieren und mit Flugzeugen und Soldaten weiter angreifen. Vielleicht wird es später irgendwann mal etwas mit einem Waffenstillstand. Aber noch glaube ich nicht an ein direktes Treffen zwischen dem russischen Diktator Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Es ist schwierig, wenn Trump erst Putin auf dem roten Teppich empfängt und kurz darauf Selenskyj nicht. Das stellt sich schon die Frage, inwieweit die USA noch ein westlicher Verbündeter sind oder ob sie nur gemeinsam mit dem Kriegsverbrecher Putin das Land aufteilen und sich die Bodenschätze holen wollen. Trumps Illusion ist wohl, dass er am Ende den Friedensnobelpreis bekommt. Das ist doch absurd.“
„Russlands ‚Friedenssignal‘ besteht aus Blut“
Künstlerin Anna Perepechai hält nicht sonderlich viel vom Ukraine-Gipfel.
Quelle: Dirk Knofe
Anna Perepechai, ist ukrainische Künstlerin und kam 2014 nach Deutschland. Seit 2020 lebt sie in Leipzig, wo sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) studiert hat.
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„Frieden wird es nur geben, wenn Russland militärisch von der Ukraine gemeinsam mit einem vereinten Europa besiegt wird. Seit dem Gipfeltreffen zwischen Trump und Putin hat Russland erneut die Ukraine bombardiert: 21 Menschen wurden getötet, 99 verletzt – ein Beweis, dass es nicht um Frieden, sondern um Vernichtung geht. Russlands „Friedenssignal“ besteht aus Blut – über welche Verhandlungen sprechen wir also? Das von Trump und Putin war nichts anderes als imperialistisches Appeasement: Ein international gesuchter Kriegsverbrecher erhielt neue Legitimität, Russlands Isolation wurde durchbrochen, und die alte Logik der Großmachtsphären über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg bestätigt.
Putin spaltet damit gezielt die Allianz zwischen USA, Europa und Ukraine, gewinnt Zeit für neue Offensiven – auch gegen die NATO – und stärkt seine militärische Position. Europa war seit 2014 „besorgt“ und hat unzählige Male seine tiefe „Concern“ geäußert – doch Worte haben Russland nie aufgehalten. Jetzt ist es an der Zeit, endlich mit Taten zu reagieren und dieselbe Sprache zu sprechen, die Russland versteht: die militärische. Wer jetzt in Pseudo-Verhandlungen flieht, betreibt die Kapitulation des Westens, verlängert den Genozid und zementiert den Niedergang der internationalen Ordnung.“
„Glaube nicht, dass der Gipfel den Krieg beenden wird“
Germann Geer meint, der Gipfel in Washington bringe nicht sehr viel. Dankbar ist er den Teilnehmern trotzdem.
Quelle: privat
Germann Geer ist Ukrainer, lebt seit vielen Jahren in Leipzig und arbeitet als Bauingenieur in einem Bauunternehmen:
„Der Gipfel war für mich ein ‚Folgetreffen‘ des Treffens zwischen Putin und Trump. Als Putin der rote Teppich ausgerollt wurde, empfand ich tiefes Fremdschämen. Für mich war er nicht einfach nur rot, sondern rot wie das Blut, das Putin vergossen hat. Der Krieg dauert nun schon mehr als zehn Jahre, und Russland scheint das Pulver auszugehen.
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Besonders entsetzt mich: In der Nacht des Gipfels bombardierte Russland Charkiw, traf Wohnhäuser – und tötete ein zweijähriges Mädchen, geboren im Krieg. Sie starb, ohne je Frieden erlebt zu haben. Putins erste Aktion nach dem Treffen zeigt, wie ernst es ihm mit Frieden wirklich ist.
Ich glaube nicht, dass der Gipfel in Washington den Krieg beenden wird – das ist meine persönliche, traurige Einschätzung. Ich hoffe, die USA erkennen endlich, dass man Russland zum Frieden zwingen muss. Die Ukraine verdient, dass der Krieg endlich aufhört.
Wir brauchen keine Nato-Truppen – wir können uns selbst schützen. Aber wir brauchen Unterstützung, Waffen und Geld. Wenn die USA über Trump Druck durch Sanktionen auf Russland ausüben würden, könnte das helfen.
Der Gipfel hat meine Erwartungen übertroffen. Er wird nicht sehr viel bewirken, doch es hätte wesentlich schlimmer ausgehen können. Und natürlich hat auch die Unterstützung der europäischen Politiker sowie des deutschen Kanzlers geholfen.“
„Das Treffen in Washington war ein wichtiges Zeichen“
Alina Artamina hält den Gipfel in Washington für ein starkes Symbol der Solidarität.
Quelle: Dirk Knofe
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Alina Artamina ist gebürtige Ukrainerin und lebt seit 2009 in Leipzig. Sie engagiert sich als Vorstandsmitglied im EuroMaidan Leipzig e.V.
„Ich danke den europäischen Staaten für die Solidarität mit der Ukraine – besonders nach dem peinlichen Treffen von Putin und Trump in Alaska. Ein besonderer Dank gilt Herrn Merz.
Friedensverhandlungen mit Putin halte ich für unrealistisch. Verträge mit ihm sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben werden. Sein Ziel ist es, Zeit zu gewinnen, Sanktionen zu vermeiden und militärisch aufzurüsten. Die einzige Lösung ist die Zerschlagung des russischen Regimes – nicht Bombardierung von Städten, sondern Vernichtung des Staatsapparats, idealerweise mit Unterstützung der russischen Bevölkerung.
Das Treffen in Washington war ein wichtiges Zeichen: Europa zeigt, dass es an der Seite der Ukraine steht. Dennoch bleiben Putins Lügen und seine Absicht, die Ukraine zu zerstören, unverändert. Territoriale Ansprüche verfehlen das Problem: Es geht um die Existenz der Ukraine und ihrer Identität.
Wir verlieren unsere Schwestern und Brüder im Krieg, weil die USA und Europa oft viel zu langsam mit ihren Entscheidungen sind. Unterstützung und Waffenlieferungen ermöglichen der Ukraine, sich zu verteidigen und Russland Grenzen aufzuzeigen. Symbolisch stärkt das Treffen die Moral der Ukraine – die seit Jahren kämpft, nicht nur für sich, sondern für ganz Europa. Gemeinsam sind wir stärker als Russland!“
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„Wie eine Schachpartie mit einem Falschspieler“
Kateryna Chylikina meint, Putin agiere wie ein Schachspieler, der die Regeln nach seinen Launen anpasst.
Quelle: privat
Kateryna Chylikina,ist Ukrainerin und arbeitet in Leipzig als Marketing Managerin.
„Das Treffen der Führer Europas, der Ukraine und der USA, das auf die Gespräche zwischen Moskau und Washington folgte, wurde zu einer Bewährungsprobe für die Diplomatie. Diplomatie mit Russland ist wie eine Schachpartie mit einem Falschspieler, der die Regeln nach seinen imperialen Launen ändert. Auf dem Spiel stehen nicht Figuren, sondern die Existenz der ukrainischen Nation. Europa hat den Preis des „Friedens“ bereits 1938 bezahlt, als München zum Vorspiel der Katastrophe wurde. Im Jahr 2025 darf es keine Illusionen geben: Der Krieg kann nur durch die Sprache der Stärke und der Einheit Europas gestoppt werden – nicht durch Protokolle und Reverenzen.
Anmerkung der Redaktion: „München 1938“ verweist auf das Münchner Abkommen, bei dem Zugeständnisse an Hitler den Krieg nicht verhindern konnten – eine Warnung, heutige Aggressionen nicht zu beschwichtigen.
LVZ