Es ist ein ambitioniertes Vorhaben mit Vorbildcharakter für viele Städte in Deutschland: Die Stadt Halle (Saale) treibt die Digitalisierung ihres öffentlichen Nahverkehrs mit einem zukunftsweisenden Projekt entscheidend voran. Im Rahmen des städtischen Programms Smart City Halle (Saale) startet die Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) gemeinsam mit den Stadtwerken Halle ein Projekt zur Echtzeiterfassung der Fahrzeugauslastung im öffentlichen Nahverkehr.

Dabei geht es um eine Frage, die sich täglich Tausende von Fahrgästen stellen: „Wie voll ist mein Bus oder meine Bahn?“ Die Antwort darauf soll künftig so leicht zugänglich sein wie ein Wetterbericht – direkt auf dem Smartphone oder an der digitalen Anzeigetafel.

Moderne Technik trifft auf intelligente Stadtplanung

Im Zentrum des Projekts steht die Installation neuester digitaler Sensorik in Bussen und Straßenbahnen. Die Technik basiert auf der anonymisierten Erfassung von WLAN- und Bluetooth-Signalen mobiler Endgeräte. Diese Signale liefern präzise Informationen darüber, wie viele Menschen sich aktuell im Fahrzeug befinden – und das in Echtzeit.

Der Datenschutz bleibt dabei vollständig gewahrt: Die Gerätekennung (MAC-Adresse) wird verschlüsselt, anonymisiert und kann technisch nicht auf eine Person zurückverfolgt werden.

„Wir nutzen Digitalisierung gezielt, um Mobilität in Halle komfortabler, effizienter und nachhaltiger zu gestalten – und so die Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger zu steigern“, sagt Andreas Blümner, Leiter Smart City Halle (Saale).

Vorteile für Fahrgäste: Mehr Planbarkeit, mehr Komfort

Ein wesentlicher Nutzen des Projekts liegt in der verbesserten Fahrgastinformation. Die gewonnenen Daten fließen künftig in die App „Mein HALLE Unterwegs“ sowie in alle Plattformen, die an das landesweite Auskunftssystem INSA angeschlossen sind.

In der Praxis bedeutet das: Fahrgäste können vor Fahrtantritt sehen, wie ausgelastet ein Bus oder eine Bahn ist. Dafür wird ein leicht verständliches Symbolsystem eingeführt:
🧍 = wenig ausgelastet
🧍🧍 = mittel ausgelastet
🧍🧍🧍 = stark ausgelastet

So kann jeder individuell entscheiden, ob man gleich einsteigt oder auf das nächste – eventuell leerere – Fahrzeug wartet.

Christian Rösel, Fahrplanchef der HAVAG, betont: „Es ist auch ein Qualitätsthema, wie voll eine Straßenbahn oder ein Bus ist.“ Besonders mobilitätseingeschränkte Menschen profitieren davon, weil sie ihre Fahrten besser planen können.

Datengestützte Planung: Ein Paradigmenwechsel für den ÖPNV

Neben dem unmittelbaren Nutzen für Fahrgäste ermöglicht das System eine völlig neue Datenbasis für die Verkehrsplanung. Die HAVAG nutzt bereits heute digitale Planungssoftware wie PTV Visum, künftig jedoch mit Echtzeitdaten. „Bisher wussten wir nicht genau, wo Fahrgäste einsteigen, umsteigen oder aussteigen“, so Rösel. Einmal jährlich gab es Befragungen. Jetzt erhält die HAVAG tagesaktuelle, dynamische Daten und kann schneller auf Veränderungen reagieren.

Das ermöglicht eine bedarfsgerechte Anpassung von Linienführungen, Takten und Umstiegsmöglichkeiten. Wird beispielsweise eine Linie plötzlich stärker frequentiert, können kurzfristig Kapazitäten erhöht oder Taktzeiten angepasst werden.Die Auswirkungen reichen bis in die Stadtentwicklung hinein, denn auch Verkehrsströme, neue Wohngebiete oder große Veranstaltungsorte lassen sich so besser anbinden.

Datenschutz: Anonym und freiwillig – mit klarer Kommunikation

Der Einsatz sensibler Technik wirft naturgemäß Fragen zum Datenschutz auf. Diese Bedenken nimmt Peter Kolbert, Senior Projektmanager bei den Stadtwerken Halle, sehr ernst: „Es wird nur die MAC-Adresse des Geräts erfasst – und direkt anonymisiert. Eine Rückwärtsauflösung auf Personen ist ausgeschlossen.“

Wer nicht erfasst werden möchte, könne Bluetooth und WLAN deaktivieren. Es besteht auch die Möglichkeit, dem Tracking zu widersprechen – allerdings nur durch Angabe persönlicher Daten. „Wer widerspricht, ist damit paradoxerweise nicht mehr anonym“, so Kolbert.

Der Zeitplan: Von der Technik zur Sichtbarkeit

Der Umbau der Fahrzeugflotte hat bereits begonnen. Der erste umgerüstete Bus mit der Nummer 513 ist bereits mit dem neuen Bordrechner COPILOTpc3 ausgestattet – einem Assistenzsystem mit erweiterter Funktechnik und Sensorik. Insgesamt werden 120 Busse und Straßenbahnen der HAVAG bis Ende 2026 mit der Technologie ausgerüstet.

  • August 2025: Erste Testdaten werden an die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) übermittelt
  • Dezember 2026: Öffentliche Anzeige der Auslastung für Fahrgäste
  • Ende 2027: Vollständige Auswertung des Projekts im Rahmen der Smart-City-Initiative

Für Fahrgäste bleibt die Technik unsichtbar: Die Sensoren sind im Fahrerbereich hinter einer Verkleidung montiert.

Peter Kolbert fasst zusammen: „Dieses System wird den Nahverkehr in Halle spürbar verändern. Fahrgäste können ihre Fahrten besser planen, die Stadt erhält wertvolle Daten – und am Ende profitieren alle.“

Hintergrund: Smart City Halle (Saale)

Das Projekt zur Besetztgradermittlung ist Teil des Smart-City-Programms Halle (Saale), das vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie der KfW im Rahmen der Modellprojekte Smart Cities (MPSC) gefördert wird. Ziel ist es, Städte mit Hilfe digitaler Technologien nachhaltiger, lebenswerter und zukunftsfähiger zu gestalten.

Weitere Informationen zum Gesamtprojekt finden sich unter:👉 www.smartes.halle.de