Sean Baker dürfte spätestens seit seinem Oscar-Gewinn für „Anora“ auch dem Mainstream-Publikum ein Begriff sein. Mit „The Florida Project“ könnt ihr heute Abend einen seiner besten Filme bei 3sat schauen – und das sogar ganz ohne Werbung.
Das Leben kann so ungerecht sein: Die sechsjährige Moonee (Brooklynn Prince) lebt dort, wo andere höchstens notgedrungen eine Nacht verbringen, denn das in die Jahre gekommene Motel „Magic Castle“ ist ihr Zuhause. Ihre erst 22-jährige Mutter Halley (Bria Vinaite) kann es sich einfach nicht leisten, eine richtige Wohnung zu mieten – und kämpft jeden Tag aufs Neue damit, die 38 Dollar für das Motelzimmer zusammenzukratzen. Damit ist sie nicht die einzige, denn sie wohnt Tür an Tür mit weiteren Menschen, die ihr Schicksal teilen. Besonders fies: Ihr Motel ist nur wenige Meilen von Disney World entfernt – doch dieser spätkapitalistische Freizeitraum bleibt für das Mutter-Tochter-Gespann eine unerreichbare Fantasie.
Regisseur Sean Baker („Anora“) wagt mit seinem Drama „The Florida Project“ einen Einblick in eine tragische Subkultur, in der heruntergekommene Motels zur elenden Dauerwohnung werden. Dass er dabei den tristen Lebensalltag aus den Augen eines Kindes erzählt, geht noch einmal extra an die Nieren – spendet aber auch Hoffnung. Wer sich auf diese emotionale Achterbahnfahrt einlassen möchte, hat am heutigen 20. August 2025 die ideale Gelegenheit dazu. Auf 3Sat läuft „The Florida Project“ heute um 22.30 Uhr.
Alternativ findet ihr den Film in der Mediathek von 3sat oder im Abo von Joyn+*. Falls ihr bei Amazon Prime Video den ARTHAUS+-Kanal abonniert habt, könnt ihr das gefühlvolle Drama auch beim Streaming-Giganten ohne Zusatzkosten streamen:
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Der Traum von Disney World
Während den Zuschauer*innen die Schrecklichkeit und Hoffnungslosigkeit der Lage bewusst ist und immer wieder schmerzlich vor Augen geführt wird, erkundet Moonee die Welt auf ihre ganz eigene Art und Weise, denn das Motel wird zu ihrem Spielplatz auf dem sie mit ihren Freund*innen Scooty (Christopher Rivera) und Jancey (Valeria Cotto) unter dem wachsamen Blick des Motelmanagers Bobby (Willem Dafoe) allerhand Schabernack treibt.
Der Kampf ums Überleben am Existenzminimum spielt für Moonee nur peripher eine Rolle. Lediglich der das große Glück versprechende Disney-Freizeitpark, der so nah und doch so fern ist, macht ihr immer wieder deutlich, dass sich hier etwas in Schieflage befindet. Dennoch durchlebt sie trotz der prekären Lage, in der sich die kleine Familie befindet, eine schöne Kindheit. Ihre Mutter kümmert sich nach den eigenen Fähigkeiten um ihre Rabaukin, die sich bereits im jungen Alter eine ungewöhnlich ausgeprägte Straßenschläue angeeignet hat und weiß, mit welchen Methoden sie sich ein Eis schnorren kann – oder wann sie Motelmanager Bobby besser nicht mehr auf der Nase herumtanzen sollte.
Sowieso herrscht trotz all des Elends und der Verzweiflung eine spürbar menschliche Wärme zwischen den Figuren. Diese Schicksalsgemeinschaft aus gesellschaftlichen Verlierer*innen und abgehängten Seelen kämpft zwar nicht gemeinsam, dennoch hilft man sich und ist füreinander da – wenn es mal drauf ankommt. Diese kleinen menschlichen Interaktionen spenden auch dem Publikum immer wieder tröstliche Momente.
Authentizität durch Laiendarsteller
Dass sich Sean Bakers Blick auf ein hoffnungslos abgehängtes Stück Amerika so authentisch anfühlt, liegt insbesondere an der Wahl der Schauspieler*innen, die größtenteils wenig bis gar keine Vorerfahrungen besessen haben, aber genau deshalb so echt wirken. Gerade die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst sechsjährige Brooklynn Prince („Das Erwachen der Jägerin“) liefert eine Wahnsinnsleistung ab, bei der man gar nicht glauben möchte, dass die junge Darstellerin hier zum ersten Mal professionell vor der Kamera steht.
Da erscheint das vertraute Gesicht von Willem Dafoe („Spider-Man“) fast wie ein Fremdkörper, der sich dennoch gut in das Gesamtgefüge einpasst – und die schwerste schauspielerische Aufgabe zu bewältigen hat: Sein Motelmanager Bobby ist gefangen zwischen kapitalistischer Wirklichkeit und menschlicher Wärme, der trotz aller Schwierigkeiten mit den Dauermieter*innen der Anlage noch immer ein Herz für seine Außenseiterbande besitzt. Dennoch hat er ein Motel am Laufen zu halten – und Probleme gibt es in dieser Anlage genug…
Sean Baker hat derweil bereits seinen nächsten Film in der Mache. Um was für ein Projekt es sich handelt, erfahrt ihr hier:
Er drehte den besten Film 2024: Nächstes Projekt des Oscar-Abräumers soll eine Komödie werden