Haftärzte zu Suizidgefahr
Richter kritisierte vor allem den Widerspruch zwischen der Einschätzung der Haftärzte und den Abschiebeplänen: „Einerseits sagt man, er ist suizidgefährdet. Andererseits heißt es, er sei reisefähig. Das passt nicht zusammen.“ Hamza habe das Vertrauen in die Ärzte innerhalb des Gefängnisses verloren, so Richter. Er verlangte eine Untersuchung durch unabhängige Ärzte.
Forderung nach Abschiebestopp
Auch der Sprecher des Sächsischen Flüchtlingsrats, Dave Schmidtke, forderte „eine humane Behandlung, eine sofortige medizinische Versorgung und den Stopp der Abschiebung“. Bereits am 17. Juli sei ein Abschiebeversuch gescheitert, nachdem sich Hamza A. dabei schwer verletzt und kurzzeitig das Bewusstsein verloren habe. Dennoch sei er wieder in Abschiebehaft gebracht worden – laut Schmidke ohne weitergehende medizinische Betreuung.
Ist der Kurde suizidgefährdet?
Die Sächsische Landesärztekammer bestätigt auf Nachfrage, dass der Menschenrechtsbeauftragte der Kammer, Stephan Bialas, am 13. August Hamza A. im Gefängnis besucht hat. „Aufgrund der vorgefundenen akuten Situation des Hamza A. erfolgte eine Inaugenscheinnahme aus medizinischer Sicht, die eine Suizidalität vermuten lässt.“ Allerdings betonte die Landesärztekammer auch: „Eine endgültige Beurteilung der psychisch/psychiatrischen Situation kann nach einem solchen kurzen Gespräch nicht erfolgen.“ Diese Diagnosen müssten Fachärzte stellen.
Landesdirektion: „schwere gesundheitliche Bedenken nicht bestätigt“
Einen Tag nach dem Besuch des Psychiaters und Landesärztekammer-Vertreters Stephan Bialas ist Hamza A. am 14. August in einem Krankenhaus untersucht worden, betätigte die Landesdirektion Sachsen. Dabei habe es sich „um eine planmäßige, erweiterte Untersuchung seines gesundheitlichen Zustandes“ gehandelt. Bei der Untersuchung seien Hamza A.s Anwältin und eine Vertrauensperson dabei gewesen.
Ergebnis laut Landesdirektion: „Die Untersuchung hat die zuvor behaupteten schweren gesundheitlichen Bedenken nicht bestätigt. Die gesundheitliche Verfassung des Untergebrachten wird während der Haftfortdauer auch zukünftig eng ärztlich überwacht und bei Veränderungen reagiert.“
Hungerstreik und Ausreise bei Suizidgefahr?
Zum Hungerstreik erklärt die Landesdirektion, dass der Kurde im Zeitraum vom 18. Juni bis 29. Juni und vom 8. Juli bis 14. August in einen Hungerstreik getreten sei. „Zwischenzeitlich hatte er nachweislich feste Nahrung zu sich genommen. In der Abschiebehaftanstalt ist er unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle.“
Aus Sicht der Behörden steht eine mögliche „Suizidgefährdung einer Abschiebung grundsätzlich nicht entgegen“. Notfalls müsse man das organisatorisch bei der Rückführung beachten. Die Landesdirektion betonte, dass im Fall von Hamza A. das Verwaltungsgericht Chemnitz den Eilrechtsschutzantrag des Betroffenen mit Beschluss vom 5. August 2025 abgelehnt und Reisefähigkeit festgestellt habe. Überhaupt: Der Kurde könne die Haft jederzeit verlassen, indem er ausreise.
Der Betroffene kann die Abschiebehaft jederzeit selbst beenden, indem er seiner Ausreisepflicht nachkommt.
Landesdirektion Sachsen
Kurde in Türkei wegen „Terrorunterstützung“ angeklagt
Hamza A. hatte nach Angaben des Sächsischen Flüchtlingsrates in der Türkei als Schriftsteller Gedichte veröffentlicht, sechs Jahre in Deutschland gelebt und zuletzt in der Gastronomie gearbeitet. In der Türkei sei er wegen angeblicher Terrorunterstützung angeklagt. Er hatte sich nach eigenen Angaben 2018 in einer demokratischen Bewegung für Menschenrechte engagiert und saß bereits zweimal in türkischer Haft. „Ich will nicht zurück. Dort droht mir das Schlimmste“, sagte er laut Richter.
Ich will nicht zurück, dort droht mir das Schlimmste.
Hamza A. nach Worten von Frank Richter
Asylantrag 2019 abgelehnt
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BamF) hatte Hamza A.s Asylantrag aber im Juli 2019 abgelehnt. Warum, das wollte die Behörde mit Verweis auf „datenschutzrechtliche Gründe“ nicht sagen.
Das Verwaltungsgericht Chemnitz stellte später fest, dass die Ablehnung rechtmäßig war. Laut Landesdirektion sind mehrfach gestellte Asylfolgeanträge des Kurden danach vom BamF wieder abgelehnt worden – auch mehrere Rechtshilfeersuchen von verschiedenen Verwaltungsgerichten. Weil das BamF die Ausreise angeordnet hat, „ist die Landesdirektion Sachsen zu seiner Abschiebung gesetzlich verpflichtet“, betonte der Sprecher.
Kurden in Türkei verfolgt
Menschenrechtsorganisationen verweisen seit Jahren auf die massiven Repressionen gegen kurdische Aktivisten in der Türkei. Selbst harmlose Solidaritätsbekundungen könnten dort zu langjährigen Haftstrafen führen. „Das ist weder mit dem europäischen Recht noch einem humanitären Selbstverständnis zu vereinbaren“, argumentiert der Sächsische Flüchtlingsrat. Und Bürgerrechtler Frank Richter meint: „Solche Leute, die gut integriert sind und keine Straftaten begangen haben, sollten wir nicht abschieben.“