Man muss zweimal hinschauen, um seinen Augen zu trauen: Auf dem Main kann man mit dem Fahrrad fahren. Dort werden auch diesen Sommer Touren mit Wasserfahrrädern angeboten. Die Voraussetzungen für eine Teilnahme sind denkbar gering. Mitmachen kann jeder, der mindestens 1,30 Meter groß ist und auch an Land das Radfahren beherrscht. „Es ist wie Fahren auf Stützrädern im ersten Gang“, erzählt Kacper Tuziak, der seit vier Jahren Wasserrad-Touren vor allem auf dem Main anbietet, und fügt hinzu: „Wasserradfahren gibt ein total beruhigendes Gefühl.“

Er steht wie so oft am Ruderdorf nahe der Gerbermühle und lädt mit seinen beiden Helfern die Wasserfahrräder aus dem Autoanhänger. Bald kommen Mitarbeiter einer Firma, die zwei Stunden Wasserradeln als Teamevent gebucht hat, und die Räder müssen noch vorbereitet werden. Zunächst werden die Aluminiumgehäuse mit dem kleinen Propeller am hinteren Ende ordentlich auf den Stufen am Ufer aneinandergereiht, dann werden die Sättel draufgesetzt und die 3,80 Meter langen Kufen darunter. Etwa fünf bis zehn Minuten dauert die Vorbereitung eines insgesamt 21 Kilogramm schweren Rads, am aufwendigsten ist das Aufpumpen der Schwimm-Kufen.

An dem schönen Sommerabend ist viel los am Mainufer, immer wieder bleiben Spaziergänger, Jogger und Radfahrer stehen und schauen mit fragendem Blick den Aufbauten zu. „Ursprünglich kommt die Idee aus Rio de Janeiro“, berichtet Tuziak, während er eine Kufe nach der anderen aufpumpt. „Ich hatte mal davon gehört, und weil ich hobbymäßig Mountainbike und auch gerne Boot fahre, kam ich auf diese Geschäftsidee.“

Touren gibt es von April bis Oktober

Anfangs lief das Geschäft nicht gut. Während der Pandemie vermieden viele sportliche Aktivitäten, selbst solche, die draußen und mit viel Abstand stattfanden. Doch 2022 füllte sich allmählich der Terminkalender. Anfangs wurde nur ein Radeltermin pro Woche angeboten, dann wurde auf zwei erweitert, mittlerweile fährt Tuziak mehrmals pro Woche mit seinem Wagen am Main vor und baut die Räder zusammen.

Die Tour führt die Teilnehmer vom Ruderdorf in Richtung der Innenstadt.Die Tour führt die Teilnehmer vom Ruderdorf in Richtung der Innenstadt.Michael Braunschädel

Wer es besonders stimmungsvoll mag, kann sogar nachts auf beleuchteten Fahrrädern über den Main strampeln. Das Durchschnittstempo ist sehr gemütlich, ein Wasserfahrrad erreicht ohnehin maximal 15 Stundenkilometer. Weil man aber dennoch treten muss und nicht einfach gefahren wird, wird das Tragen einer Radlerhose empfohlen. Von April bis Oktober werden die meist zweistündigen Touren angeboten. Theoretisch könnte auch im Winter gefahren werden, doch die Nachfrage hält sich in Grenzen. Interessenten können die festen Tourtermine im Internet buchen, eine Fahrt kostet 69 Euro. Auch individuelle Termine sind möglich, zum Beispiel für Junggesellenabschiede oder Firmenevents.

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Die Mitarbeiter der Frankfurter Firma, die sich für diesen Abend angemeldet hat, trudeln allmählich am Mainufer ein. Als alle versammelt sind, lauschen sie der Einführung von Tuziak. „Man kann nicht umfallen“, sagt er in die Runde und beruhigt weiter: „Ich bin auch Rettungsschwimmer.“ Wer wolle, könne eine Sicherheitsweste erhalten. Besorgt oder gar ängstlich wirken die angehenden Wasserradler allerdings nicht, sondern gespannt auf eine neue Erfahrung. „Ich wollte schon immer mal Wasserfahrrad fahren“, erklärt einer von ihnen. „Total cool“, sagt sein Kollege. „Ich habe mich sofort angemeldet, es war schnell ausgebucht.“

Der Sonne entgegen mit Eis und Musik

Einzeln werden die Fahrräder in den Main gelassen. Bis alle im Wasser sind, dauert es eine Weile. In der Zwischenzeit startet in der Nähe ein Achter. „Alle Radfahrer weg“, ruft der Kapitän laut, dann zieht sein Boot zügig vorbei. Früher seien die Ruderer schon genervt gewesen, wegen des zusätzlichen Betriebs auf dem Main , gesteht Tuziak ein, doch mittlerweile sei das Verhältnis gut: „Wir helfen uns gegenseitig.“

Er und sein Mitarbeiter Mark Lekhovitser kümmern sich beim ersten Aufsitzen um jeden einzelnen Wasserradfahrer. Lekhovitser steckt dabei erst ein Getränk in die entsprechende Halterung am Lenker, hält dann das Rad fest und erklärt dem Mann, wie er am besten auf das Rad kommt: „Mit der linken Hand an der Mitte am Lenker abstützen, die rechte Hand an den Sattel, der rechte Fuß auf die rechte Kufe.“ Dann auf dem Sattel Platz nehmen, Füße auf die Pedale, Hände am Lenker und den weiteren Erklärungen des Fachmanns lauschen: Wer vorwärts tritt, fährt logischerweise vorwärts, erklärt er. Wer rückwärts tritt, verlangsamt erst das Rad und fährt schließlich rückwärts. Am leichtesten fährt es sich mit lockerem Treten und kleinen Bewegungen am Lenker.

Der Einstieg braucht etwas Übung, danach kommt der Spaß.Der Einstieg braucht etwas Übung, danach kommt der Spaß.Michael Braunschädel

Zum Schluss schwingen sich noch Tuziak und Lekhovitser in den Sattel, sie begleiten wie immer die Tour. Unterwegs werde es als Überraschung Eis für die Gäste geben, hatten sie vorab verraten. Lekhovitser hat auf einer Plane hinter seinem Fahrradsitz einen kleinen Lautsprecher befestigt, sodass unterwegs Musik gehört werden kann. Dann setzt sich der Trupp gemächlich in Bewegung, überquert erst den Main und radelt dann ganz entspannt unter der ersten Brücke hindurch in Richtung Innenstadt, immer der sinkenden Sonne entgegen.