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Zwei Jahre Nachforschung, zehn Seiten pro Tag – so lässt Bestseller-Autorin Rebecca Gablé in „Rabenthron“ das Jahr 1013 lebendig werden.
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Bevor Rebecca Gablé ihren ersten Satz schreibt, verbringt sie zwei bis drei Jahre in Archivkellern, Universitätsbibliotheken und durchforstet Online-Datenbanken. Erst wenn der historische Kontext bis ins kleinste Detail geklärt ist, öffnet sie die Tür zu ihrem angelsächsischen Mittelalter. Dieses England des Jahres 1013 ist geprägt von Wikingerüberfällen und höfischen Intrigen.
Ihre tägliche Schreibroutine beginnt dann: maximal zehn Normseiten pro Tag, Feierabend gegen 19 Uhr – sie setzt auf Qualität statt Quantität.
Bestsellerautorin im InterviewRebecca Gablé im Interview: „Wenn ich den Hergang einer historischen Begebenheit nachlese, entdecke ich darin Türen, durch welche meine fiktiven Figuren sich einschleichen können.“ (Montage). © Olivier Favre/Lübbe (Montage)
In „Rabenthron“ entführt Gablé die Leser in diese Welt der Machtspiele. London liegt in Trümmern, König Æthelred wirkt hilflos, während Königin Emma von der Normandie als eine Frau mit fast moderner Handlungsfreiheit erscheint. Gablé zeichnet sie als taktierende historische Figur.
Ihre Methode besteht darin, reale Personen wie Edmund II., der 1016 unter bis heute ungeklärten Umständen starb, mit fiktiven Helden zu einem lebendigen Panorama zu verschmelzen – stets basierend auf verbürgten Fakten.
Sie haben mit Krimi angefangen, wie kam der Wechsel zum historischen Roman?
Es kam durchs Studium. Ich habe irgendwann so in der Pubertät angefangen zu schreiben und dann als junge Erwachsene meinen ersten Krimi vollendet. Hab dann irgendwann gesagt, so jetzt will ich versuchen aus dieser Leidenschaft einen Beruf zu machen und hab deswegen mit meinem Studium angefangen. Englisch und Germanistik habe ich gemacht und bin dann in der Anglistik ganz schnell in die Ältere gekommen und bin also mit Begeisterung ins Mittelalter eingetaucht. Das hat mich so gepackt. Ich habe mich immer für Geschichte interessiert, aber das war dann noch mal was ganz Neues über die Sprache in diese Welt hereinzukommen. Da war diese mittelalterliche Welt mir auf einmal so nah, weil zum Beispiel in der Angelsachsen Chronik mir jemand über einen Zeitraum von tausend Jahren hinweg erzählte, wie sein Kloster von Wikingern überfallen worden ist. Das hat mich so gepackt. Der historische Roman lag auch in der Luft und habe ich gesagt: „So und das probiere ich jetzt auch mal”.
England im Herbst 1013: Um den dänischen Gefangenen Hakon bei Hofe abzuliefern, reist der junge Engländer Ælfric of Helmsby nach London. Die Stadt liegt in Trümmern, denn dem schwachen König Ethelred gelingt es nicht, sein Reich gegen die ständigen Wikingerüberfälle zu schützen. Doch anders als England und Dänemark sind Ælfric und Hakon keine Feinde – während der gefährlichen Reise sind sie zu Freunden geworden. Bald schon gehören sie zum inneren Kreis um die machtbewusste Königin Emma. Aber der Widerstand der Engländer droht zu brechen, und als der dänische König stirbt, steht bald ein noch gefährlicherer Feind vor den Toren…
Rebecca Gablé „Rabenthron“
► 2025 Bastei Lübbe, ISBN-13 978-3-757-70130-7
► Preis: gebunden (teilweise mit Farbschnitt) 30 €, 892 Seiten
Ken Follett und Umberto Eco: Sind das die Autoren, die sie immer begeistert haben?
„Der Name der Rose“ war nicht meins, ehrlich gesagt. Ich gehöre wahrscheinlich zu dem ganz kleinen Prozentsatz von Menschen, die es nicht zu Ende gelesen haben. „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett fand ich toll. Mein absoluter Liebling aus der Zeit ist aber „Der Medicus“ von Noah Gordon. Die Bücher haben mich inspiriert.
Warum die Figur der Emma?
Ich fand, es wurde Zeit, dass man ihr mal einen Roman widmete. Ich wollte gerne nochmal ein angelsächsisches Thema bearbeiten, weil ich die angelsächsische Zeit auch wahnsinnig spannend finde. Sie führt so ein bisschen ein Schatten-Dasein im Vergleich zum Hochmittelalter. Emma ist irgendwie so eine faszinierte Ausnahmepersönlichkeit, sie bot sich einfach an.
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Wie viel Recherche fließt in sowas ein?
Das lässt sich natürlich nicht aus dem Handgelenk schütteln. Bei der angelsächsischen Periode gibt es ja nicht so wahnsinnig viel Literatur wie beim Hochmittelalter. Es gibt diese wunderbare Biografie über Emma, die sie selber in Auftrag gegeben hat, das Encomium. Und es gibt die schöne wissenschaftliche Biografie über Emma aus dem 21. Jahrhundert von Harriet O‘Brien. Die Historie selbst mit Ethelred und Knut und den ganzen Prinzen, das macht natürlich Arbeit. Da liest man erst einmal eine ganze Zeit. Das ist immer so der Anfang, wenn ich mich an ein neues Thema heranwage.
Wie ist es beim Schreiben?
Ich schreibe nicht druckreif, aber große Veränderungen von der ersten Version zu der, die ich nachher abgebe, gibt es meistens nicht. Ich habe eine Timeline, die mache ich mir bevor ich anfange, inklusive der historischen Ereignisse, die ich erzählen will. Und mit den Lebensereignissen meiner fiktiven Figuren, die ich bis dahin schon weiß. Die historischen Ereignisse sind einfach ein Gerüst, an dem ich meine Geschichte entlang ranken kann. Darum möchte ich niemals Fantasy schreiben, ich brauche diesen Rahmen auch, der einen ja auch wieder einfängt.
Sebastian Fitzek sagte im Interview, dass er lieber überarbeitet – Ist das Schreiben für Sie eher Qual oder Vergnügen?
Ich kann schon verstehen, was Sebastian Fitzek meint, wenn er sagt, das Schreiben tut ihm fast weh. Das Schreiben ist die härteste Arbeit. Es ist natürlich das Schwerste und es gibt auch Tage, an denen ich es hasse. Das ist auch völlig normal, aber irgendwie ist es auch das Beste.
Die Schlachtszenen sind nicht ohne – wie geht man an sowas an?
Bei der Schlacht von Ashingdon zum Beispiel ist es so, dass sie relativ gut dokumentiert ist. Da wissen wir ungefähr, wo sie war. Wir kennen die Topografie mit dem Hügel. Zuerst sind es meine Ideen, wie es passiert sein kann. Also zuerst in der Recherchephase schreibe ich es praktisch wie so einen nüchternen Berichtstext. Nach und nach lasse ich Leben in die Szenen einfließen, inklusive fiktiven Elementen.
Winchester spielt in „Rabenthron“ eine wichtige Rolle. Hier sollen auch noch Gebeine von Emma zu finden sein (Montage). © Avalon.red/Imago/Lübbe (Montage)
Welche Figuren Ihres Romans neben Emma liegen Ihnen noch am Herzen?
Vor allem meine fiktiven Hauptfiguren, Elfric und Penda. Aber wen ich auch ganz besonders gern mochte, ist Eilmer of Malmesbury, dieser fliegende Mönch, den ich ja nur in den Roman eingeführt habe, weil ich diese Fluggeschichte unbedingt erzählen wollte, die ja tatsächlich stattgefunden hat.
Vermischen Sie aktuelle kulturelle Einflüsse mit dem historischen Roman?
Ich finde es problematisch, aktuelle, kulturelle, gesellschaftliche Entwicklungen in den historischen Roman zu übertragen. Dann ist es nicht mehr wirklich ein historischer Roman, sondern eher eine Fabel, die Gegenwart im historischen Gewand erzählt. Das ist jedoch nicht das, was ich mache. Was nicht immer gelingt, vor allem was die weiblichen Charaktere angeht. Ich glaube, dass meine Frauen manchmal stärker sind, als es im Mittelalter üblich war. Aber zum Glück ist Emma ja so eine Ausnahmefigur.
Was möchten Sie den Lesern mitgeben?
Ich möchte unterhalten. Meine Mission ist intelligente Unterhaltung und die Vermittlung von Wissen über die Vergangenheit. Die historische Genauigkeit ist mir sehr wichtig, weil ich möchte, dass meine Leserschaft das glauben kann, was ich erzähle. Darum mache ich auch so ausführliche Nachwörter, wo ich versuche auseinander zu dröseln, was ist erfunden, was hat tatsächlich stattgefunden.
Hat sich das Schreiben in den letzten 10 bis 20 Jahren verändert?
Die Recherche hat sich vereinfacht durchs Internet. In den 1990er Jahren hat es ja diesen Hype um den historischen Roman gegeben. Gerade im deutschsprachigen Raum besteht ein anhaltendes Interesse an der Vergangenheit.
Buchtipps für den UrlaubBuchtipps für den Urlaub: Zehn Lesetipps als PDF herunterladen © Montage
Besonders für die englische Geschichte?
Ich glaube, die Faszination liegt tatsächlich am Personal. Die Engländer sind irgendwie gesegnet mit spannenden Figuren und spannenden Geschichten. Sie sind ja nun mal auch die Meister des Geschichtenerzählens. Heinrich VIII. – so was kannst du ja nicht erfinden. Da kannst du einfach erzählen, wie es war. Und du hast eine tolle Geschichte.
Gibt es noch Epochen oder Persönlichkeiten, über die Sie gern schreiben würden?
Edward II. finde ich wunderbar. Seine Rezeptionsgeschichte ist fast noch interessanter als er selber. Er war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schwul. Seine große Liebe war Piers Gaveston, der leider kein freundlicher Zeitgenosse war und ihn auch beinahe ins Verderben gestürzt hätte. Das wäre ein dankbares Romanthema.
Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?
Die kreativste Zeit ist tatsächlich die zweite Tageshälfte bei mir. Morgens ist es eher die Recherche und das Überarbeiten. Ich bin sehr froh, wenn ich fünf Seiten am Tag schaff. Sind es weniger, ist es nicht schlimm. Es folgen dann eventuell auch mal mehr Seiten.
Wie gehen Sie mit Schreibblockaden um?
Natürlich gibt es Schreibblockaden. Es nützt natürlich, dann erstmal wegzugehen, eine Runde „The Crown“ zu gucken oder Sport zu machen. Sport entkrampft wunderbar das Gehirn. Aber letzten Endes ist es wichtig, nicht vom Schreibtisch wegzulaufen. Elisabeth George hat gesagt: „Amateure stehen auf und gehen Kaffee kochen oder gehen spazieren, wenn es nicht weitergeht. Die Profis bleiben sitzen und suchen den Fehler, überwinden ihn und arbeiten weiter.“
Vielen Dank für das Interview.
Rebecca Gablé prägte den deutschsprachigen historischen Roman
Dieser Balanceakt zwischen Wissensvermittlung und einem spannenden Pageturner ohne Klatsch ist das Erfolgsgeheimnis, das Gablé sieben Millionen verkaufte Bücher und Spitzenplätze in den Charts, wie Rang 1 für „Teufelskrone“, eingebracht hat.
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Ihr Name hat das Genre des historischen Romans auf dem deutschen Markt geprägt wie kein anderer. Doch Gablé beschränkt sich nicht darauf, Geschichte nachzuerzählen; sie lässt sie lebendig werden. Ihre Romane beginnen konsequent mit einer Katastrophe, um sofort eine Sogwirkung zu erzeugen und den Leser mitten in den Staub der Schlacht oder die Hitze der politischen Intrigen zu ziehen.
Sprachlich verzichtet sie auf belehrende Figuren und Klischees. Stattdessen setzt sie auf Dialoge, die nach Schafsleder, feuchten Burggemäuern und der Angst vor dem nächsten Überfall klingen – so authentisch, dass man sich ihnen anschließen möchte.
Wie weitere Bestsellerautoren, darunter Jussi Adler-Olsen, Arne Dahl, Alexa Henning von Lange oder Nele Neuhaus auf ihre Ideen kommen, lesen Sie in den Interviews auf 24books.de. Diese drei historischen Romane sollten Sie lesen.