Leipzig. Was genau passiert hinter den Mauern einer Stadtverwaltung? Welche Akten und Dokumente existieren dort? Welche Verträge wurden geschlossen, welche Gutachten bezahlt? Welche Wege nahmen Entscheidungen von Behörden und auf welchen Grundlagen basierten diese überhaupt? Wer all das herausfinden will, der muss oft dicke Bretter bohren.

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Den Zugang zu solchen Informationen will das sächsische Transparenzgesetz erleichtern. Das ist seit 1. Januar 2023 in Kraft. Eigentlich sollte die Leipziger Stadtverwaltung schon vor über einem Jahr eine Satzung vorlegen, die die Umsetzung dieses Gesetzes für ihren Hoheitsbereich regelt. Doch auf das sprichwörtlich „gläserne Rathaus“ müssen die Bürger weiter warten, wahrscheinlich sogar noch Jahre.

Welche Informationen können Bürger erhalten?

Mit dem Transparenzgesetz bekommen die Bürgerinnen und Bürger im Prinzip ein Zugangsrecht zu sämtlichen Aufzeichnungen von öffentlichen Institutionen, die dienstliche Zwecke erfüllen und die digital oder in Papierform zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber nennt insbesondere Akten, Dokumente, Schriften, Tabellen, Diagramme, Bilder, Pläne, Karten, Video- und Tonaufzeichnungen. Viele Informationen wie Ratsbeschlüsse mit Protokollen und Anlagen, Verträge der Daseinsvorsorge mit einem Auftragswert von mehr als 25.000 Euro, Dienstanweisungen, Organisationspläne, Übersichten zu bewilligten Fördermitteln, Gutachten und Studien müssen auf einer im Internet vom Freistaat bereitgestellten Transparenzplattform sogar proaktiv angeboten werden.

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Ausgenommen sind jedoch Entwürfe, Notizen, behördeninterne Kommunikation und Vermerke. Insgesamt sieht das Gesetz 22 Ausnahmen von der Transparenzpflicht vor, darunter Personalakten sowie Informationen, die Vertraulichkeitsvorschriften oder dem Schutz geistigen Eigentums entgegenstehen, durch deren Bekanntgabe Gerichtsverfahren beeinträchtigt oder die öffentliche Ordnung gefährdet würde.

Welche Zugangsrechte haben die Bürger schon heute?

Es müsse, so erwartet es der Stadtrat, in Zukunft der Grundsatz gelten, „alles zu veröffentlichen, was veröffentlicht werden darf und mit vertretbarem Aufwand veröffentlicht werden kann“. Das Transparenzgesetz geht damit deutlich über die bestehende Leipziger Satzung zur Informationsfreiheit hinaus.

Danach gewährt die Kommune bereits seit 2013 ihren Bürgern Zugang zu einer Vielzahl von Informationen, Daten und öffentlichen Dokumenten des Stadtrates, so etwa über die Homepage der Stadt und das elektronische Ratsinformationssystem des Stadtrates. Sind diese Informationen aber über die verfügbaren Portale nicht frei abrufbar, werden Bearbeitungsgebühren fällig. Nach dem Transparenzgesetz müssen jedoch alle Auskünfte, die einen Beschaffungsaufwand von 600 Euro nicht übersteigen, kostenfrei sein.

Warum verschiebt die Stadt die Transparenzsatzung?

Es war ein Antrag der damaligen Freibeuter-Fraktion, dem der Stadtrat im Juni 2023 folgte und der die Verwaltung zunächst verpflichtete, bis Ende März 2024 den Entwurf für die Transparenzsatzung vorzulegen. Im vergangenen Jahr stimmte der Rat dann einer Terminverschiebung zu. Die Satzung sollte demnach im Laufe des Jahres 2025 im Rat debattiert werden und zum 1. Januar 2026, rechtzeitig zum Start der Transparenzplattform, in Kraft treten. Bislang hat die Stadt sich darauf aber weder personell noch technisch vorbereitet. Geplant war, in den Dezernaten Transparenzbeauftragte zu benennen, ebenso im Rathaus ein Kompetenzteam zu bilden. Auch sollte die technische Anbindung an die zentrale Plattform vorbereitet und Software zum Schwärzen schutzwürdiger Aktenpassagen angeschafft werden. Beides ist bislang nicht passiert und auch im Haushalt 2025/26 nicht vorgesehen.

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Nun will die Stadtverwaltung die Erarbeitung der Transparenzsatzung vorerst ganz auf Eis legen. Denn in Dresden würden die Karten sowieso neu gemischt. Das Transparenzgesetz wird im Landtag überarbeitet, eine Inbetriebnahme der Plattform ist nunmehr erst für 2028 anvisiert.

Wir müssen aber mit unserer Satzung nicht bis 2028 auf die Plattform warten.

Sven Morlok

Stadtrat der Freien Fraktion

Die Opposition im Landtag schäumt. Die „Stillstandskoalition“, schimpft Valentin Lippmann von der Grünen, beginne als erstes damit, das Transparenzgesetz zu schleifen. „So will sie den einfachen Zugang zu staatlichen Informationen ausbremsen.“ Auch die sächsische Datenschutzbeauftragte, Juliane Hundert, kritisiert die Regierung. Eine Verschiebung der Plattform mit dem Argument eines erhöhten Verwaltungsaufwands „vermittelt den Eindruck, dass der Staat nicht für die Menschen da ist, sondern die Kommunikation mit ihnen lästig ist“.

Für Sven Morlok (FDP), dessen damalige Fraktion den Anstoß für eine Leipziger Transparenzsatzung gab und der heute die Freie Fraktion im Stadtrat vertritt, macht es aus Leipziger Sicht allerdings Sinn, das Vorgehen der Stadt mit dem des Landes zu synchronisieren. „Wir müssen aber mit unserer Satzung nicht bis 2028 auf die Plattform warten“, stellt er klar. Die Stadtverwaltung könne durchaus „in einer angemessenen Frist“ nach Verabschiedung des geänderten Gesetzes den Satzungsentwurf dem Stadtrat vorlegen.

LVZ