Sie ziehen mehrere Lagen Kleidung übereinander, verstecken das Diebesgut im Kinderwagen oder kommen zu zweit, um Verkäuferinnen abzulenken: Ladendiebe lassen sich immer neue Methoden einfallen, um möglichst erfolgreich zu sein. Deutschlandweit verschwanden 2024 Waren im Wert von fast drei Milliarden Euro, wie der Deutsche Handelsverband berichtet. Das ist fast ein Viertel mehr als noch vor drei Jahren. Auch in Augsburg ist die Quote der Diebstähle laut Polizei gestiegen: Während es 2022 rund 1470 Fälle gab, waren es zwei Jahre später schon etwa 400 mehr. Augsburger Händler greifen inzwischen zu besonderen Maßnahmen, um sich zu schützen. Das hat auch Auswirkungen auf die Kunden.

Das Positive vornweg: Von den angezeigten Fällen konnten zuletzt 95 Prozent aufgeklärt werden. Laut Handelsverband geht ein Drittel der Diebstähle auf das Konto von organisierten Banden. Doch nicht selten klauen Menschen, von denen es selbst langjährige Verkäufer kaum erwarten würden. Dabei legen sich viele einen guten Plan zurecht, bevor sie zuschlagen.

Verkäuferin: „Oft kommen fünf Leute auf einmal und lenken uns ab“

Die Verkäuferin eines Geschäfts in der Augsburger Annastraße erzählt: „Oft kommen fünf Leute in den Laden und verteilen sich im Geschäft – wir sind ja maximal vier und können nicht alle gleichzeitig im Auge behalten.“ Sich in eine Ecke zu verziehen, die nicht von Kameras überwacht wird, sei ebenfalls ein beliebter Trick, um Ware unbemerkt in die eigene Tasche wandern zu lassen. Und damit nicht genug: Viele Diebe brächten extra große Taschen oder Rucksäcke und entsprechendes Equipment mit, um Sicherungen zu entfernen und die Waren einzupacken. Andere zahlen ein Stück und schmuggeln gleichzeitig ein anderes in der Tasche nach draußen. Wieder andere ziehen entsicherte Klamotten einfach an, verstecken Lebensmittel im Korb des Kinderwagens oder setzen das Kind darauf. Andere nutzen den Personalmangel aus, verwickeln die eine Verkäuferin im Laden in ein Gespräch, während ein zweiter ganze Schmuckständer unbehelligt aus dem Schaufenster klaut.

Der Handel reagiert, beispielsweise Schuh Schmid in der Bürgermeister-Fischer-Straße. Die Sicherheitsstandards, erzählt stellvertretender Geschäftsführer Carsten Müller, seien zuletzt deutlich erhöht worden. „Wir geben an den Garderoben Nummern aus oder kleben die Einkaufstüten oben zu.“ So könne das Verkaufsteam nachverfolgen, wie viele Teile ein Kunde mit in die Umkleide nimmt und auch wieder abgibt. Die zugeklebte Tüte verhindere, dass nach dem Einkauf keine weiteren Teile in der Tragetasche landen. Außerdem müssten Kunden größere Rucksäcke bei den Garderoben stehen lassen. Der Ladendetektiv, der einst bei Galeria Karstadt Kaufhof arbeitete, sei übernommen worden. Darüber hinaus hat die Augsburger Innenstadtfiliale seit Kurzem Schranken im Eingangsbereich. „Dadurch ist der Ausgangsbereich deutlich verkleinert“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer. Zudem sei der Hinterausgang zugemacht worden, damit Diebe nicht mehr aus den oberen Stockwerken über die Rolltreppe in direkter Fluchtlinie entkommen könnten. All das habe Wirkung gezeigt, doch nicht jede Maßnahme komme bei den ehrlichen Kunden gut an.

Augsburger Läden setzen vermehrt auf Vitrinen und sperren teure Artikel weg

Auch in der City Parfümerie und der Parfümerie Haberstock ist man aktiv geworden. Teure Düfte stehen nun in abgeschlossenen Glas-Vitrinen. Sogar Test-Flacons, erzählt Haberstock-Filialleiter Franz Wahl, gebe man nur noch auf Anfrage heraus. Matea Loncar bietet bei „Vom Fass“ verschiedene Liköre und ausgefallene Öle aus bauchigen Glasgallonen an. Waren nach draußen zum Probieren stelle sie nur noch auf, wenn sie zu zweit im Laden sind. „Ich oder die Kollegin gehen dann auch gleich raus und bleiben neben der Probier-Gallone stehen“, schildert Loncar. Außerdem seien am Eingang gut sichtbar Kameras positioniert: „Das schreckt auch ab“, fügt sie hinzu.

Anna Seng, Mitinhaberin des gleichnamigen Edeka-Markts in Göggingen, sieht neben der Bandenkriminialität ein weitere Ursache für die steigenden Diebstahlzahlen: die starke Inflation. „Früher waren es eher Drogerie- oder Non-Food-Artikel, die geklaut wurden“, sagt Anna Seng. „Jetzt sind es vorwiegend Lebensmittel und viel Fleisch und Bio-Ware.“ Ganze Rücksäcke voll Waren würden unbezahlt an den Kassen vorbeigeschmuggelt.

Der Deutsche Handelsverband fordert aufgrund der Entwicklung härtere Strafen. Liegt der gestohlene Warenwert unter 50 Euro, handelt es sich laut Strafgesetzbuch um einen geringwertigen Diebstahl, der normalerweise gar nicht erst verfolgt wird. Dies, so die Meinung des Verbands, müsse sich ändern. Härtere Strafen würden stärker abschrecken.

  • Kristina Orth

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