Wie können Städte mit den Folgen des Klimawandels umgehen – etwa mit Hitze, Starkregen oder längeren Trockenperioden? Im halleschen Lutherviertel wird seit 2015 ein Modellprojekt umgesetzt, das acht Innenhöfe nach dem Prinzip der sogenannten Schwammstadt umgestaltet. Regenwasser wird hier gespeichert, Pflanzen sorgen für Kühlung, und die Quartiere sollen insgesamt resilienter gegen extreme Wetterlagen werden.

Die Idee stammt aus der Planungsphase des Projekts, als entschieden wurde, statt klassischer Rasenflächen auf Wildblumenwiesen zu setzen. „Die Idee für dieses Projekt hat sich im Laufe des Projektablaufs langsam herauskristallisiert“, erklärt Guido Schwarzendahl, Vorstand des Bauvereins Halle/Leuna.

Konzept Schwammstadt: Mehr als nur Grünflächen

Die Vegetation soll nicht nur für eine bessere Optik sorgen. Sie kühlt die Gebäude und verbessert das Mikroklima im Innenhof. Hans-Gerd Kleymann, Landschaftsarchitekt, erläutert: „Das Regenwasser wird in diese Mulde hier geführt und kann dort versickern. Die Pflanzen profitieren vom aufsteigenden Wasser, und es entsteht eine dichte Vegetationsschicht.“

Das Regenwasser wird in diese Mulde hier geführt und kann dort versickern. Die Pflanzen profitieren vom aufsteigenden Wasser, und es entsteht eine dichte Vegetationsschicht.

Hans-Gerd Kleymann I Landschaftsarchitekt

„Müssen alle ans Klima denken“

Hitzeperioden und Starkregen sind zwei Seiten derselben Medaille, die der Klimawandel mit sich bringt. Viele Menschen äußern sich hier im Lutherviertel positiv zum Modellprojekt. „Das ist nun der neue Trend, dass wir alle ans Klima denken müssen“, betont eine Anwohnerin. Sie fände es wunderbar, dass ihr Innenhof nun eines der Vorzeigeobjekte sei. Eine weitere Bewohnerin erklärt, dass zwar viel umgebaut und gebuddelt wurde, sie dies aber nicht als allzu störend empfand.

Daneben gibt es jedoch auch kritischere Einschätzungen. Manche Anwohner finden, die neue Gestaltung wirke etwas zu verwildert. Eine ältere Bewohnerin beklagt gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT zudem, dass die Pollenbelastung durch die Wildblumenwiese spürbar zugenommen habe.

Messstationen überwachen Wirkung

Damit die langfristigen Effekte des Umbaus wissenschaftlich belegt werden können, wurden Messstationen installiert. Gemessen wird die Temperatur im Innenhof, die Bodenfeuchtigkeit und der Regenwasserfüllstand der Mulden. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung wertet die Daten anschließend aus, um langfristige Effekte zu ergründen.

Unterstützt wird das Klimaquartier im Lutherviertel zudem vom Smart-City-Programm der Stadt Halle. Dieses fördert Projekte, die Digitalisierung und Klimaanpassung kombinieren. So lassen sich die Ergebnisse im Lutherviertel genau prüfen und später eventuell auch auf andere Stadtteile übertragen.

Bauphase und Kosten

Der Umbau der Innenhöfe war mit knapp 1,5 Jahren Bauzeit aufwendig sowie lärm- und staubintensiv. Die Umgestaltung von acht Höfen im Quartier kostete insgesamt rund drei Millionen Euro. Gefördert wurden sie dabei zusätzlich durch Städtebauförderung – allerdings nur zu etwa 30 Prozent. Bauvereinsvorstand Guido Schwarzendahl wünscht sich, dass künftig mehr Unterstützung fließt, da die Maßnahmen sowohl dem Klimaschutz als auch der Starkregenvorsorge dienen würden.

Blaupause für die ganze Stadt?

Die Stadt Halle sieht das Projekt nicht als isoliertes Experiment, sondern als Vorbild für weitere Quartiere. Das Lutherviertel zeige, wie Schwammstadt-Prinzipien in einem bestehenden Viertel umgesetzt werden können – beispielsweise mit Maßnahmen wie Mulden-Rigolen, Sickerpflaster oder Fassadenbegrünung. Diese Ansätze ließen sich nach Angaben der Stadtverwaltung grundsätzlich auch auf andere Stadtteile übertragen, sofern Bodenverhältnisse und Eigentumsstrukturen es zulassen.

Wichtig sei, dass Pflege und Betrieb der neuen Anlagen langfristig gesichert würden. Auch Denkmalschutz und hydraulische Anbindung an das städtische Kanalsystem müssten berücksichtigt werden. Mit dem Klimaquartier Lutherviertel habe Halle eine Art Blaupause geschaffen, von der die gesamte Stadt profitieren könne. Möglich werde das durch enge Zusammenarbeit von Verwaltung, Wissenschaft und städtischen Unternehmen – ein Ansatz, den die Stadt künftig auch in weiteren Projekten verfolgen will.