Was nach zwei Jahren Corona-Pause ein ausgelassener Party-Abend werden sollte, endete mit vier Verletzten: Am frühen Morgen des 27. März 2022 stürzte in der Diskothek Nachtresidenz ein 13 Meter langes Stück einer Decke herab und traf mehrere Personen. Nun hat der Prozess vor dem Amtsgericht gegen einen 66 Jahre alten Trockenbauer begonnen. Der Vorwurf: fahrlässige Körperverletzung.

Während der Corona-Pandemie musste der Nachtclub geschlossen bleiben, der Eigentümer des Gebäudes ließ in dieser Zeit die Decke im sogenannten Kuppelsaal erneuern, sagte Marcel Oelbracht vor Gericht, Inhaber und Geschäftsführer der Nachtresidenz. Der Vermieter beauftragte im Juni 2021 die Trockenbaufirma aus Düsseldorf, die die alte Schwebedecke zunächst abreißen und eine neue anbringen sollte.

Inhaber dieser Firma war der angeklagte Handwerker, der mittlerweile in Rente ist. Er habe die Arbeiten wie üblich von Subunternehmern erledigen lassen, beschrieb er vor Gericht. Zunächst wurde die abgehängte Decke bis zu einer sogenannten Abkofferung abgetragen. Danach sei eine neue Schwebedecke angebracht worden. Er sei beinahe jeden Tag selbst auf der Baustelle gewesen, um den Fortschritt zu überwachen, sagte der 66-Jährige.

Wenige Monate später aber, im Herbst 2021, sei ein „ordentlicher Riss“ in der Decke entstanden, so Oelbracht. Der Handwerker rückte erneut an. Um zu überprüfen, wie stabil die Konstruktion noch ist, habe er einen Zugtest gemacht – also an der Decke gezogen. „Die Kiste hat keinen instabilen Eindruck gemacht“, so der Handwerker. Um den Riss zu kaschieren, habe er eine zweite Schicht aufgebracht. Allerdings nicht mit schwerem Gipskarton, wie es im Gutachten heiße, sondern mit einem deutlich leichteren Material. „Was ich da drangehängt habe, wiegt nichts.“

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, nicht sorgfältig vorgegangen zu sein. Er hätte die Ursache für den Riss fachgerecht untersuchen und erkennen müssen, dass die Dübel in der Putzdecke nicht tragfähig gewesen seien. Der Handwerker aber hielt die Konstruktion für stabil. „Es ist nicht vorhersehbar gewesen“, so der 66-Jährige.

Das sieht ein Sachverständiger anders. Ein Tragwerksplaner hat ein statisches Gutachten erstellt und darin auch die Ursache für den Einsturz festgehalten. Demnach sei der Fehler bereits beim Abbruch der alten Decke passiert, sagte der Sachverständige in der Verhandlung. Dabei seien die Bewehrungsstäbe, die die Schwebedecke mit der Deckenkonstruktion verbanden, getrennt worden. „Das statische System hat nicht mehr funktioniert.“

So sei der Untergrund für die neue Schwebedecke nicht mehr tragfähig gewesen und für die verwendeten Dübel fehlte laut Gutachten die Zulassung. „Die Art der Befestigung hätte so niemals stattfinden dürfen“, so der Sachverständige. Spätestens als der Riss auftrat, hätte der Fachmann stutzig werden müssen. Auch ein Zugtest sei nicht ausreichend, um die Stabilität zu testen. „Das ist keine fachmännische Beurteilung.“

Die Platten, die den Riss kaschieren sollten, könnten schließlich die schwache Basis zum Einsturz gebracht haben. Diese hätten zwar ein geringes Gewicht, sagt der Gutachter, „aber jedes Gewicht kann bei einer instabilen Konstruktion zu schwer sein.“ Auch die Bässe aus den Boxen des Nachtclubs könnten für Erschütterungen gesorgt haben. Nach einer langen Partynacht, um 5.30 Uhr, stürzte das Deckenteil schließlich herunter. Der Gutachter sagt: „Das war absehbar.“

Eine der Verletzten leidet bis heute unter den Folgen. Ein Stahlträger stürzte der heute 24-Jährige auf die Schultern und traf sie am Hinterkopf, sie erlitt einen Stromschlag im Gesicht von den Kabeln, die aus der Konstruktion hingen. Sie hatte zwar nur Prellungen und konnte das Krankenhaus schnell wieder verlassen, sagte sie nun vor Gericht. Doch seit dem Vorfall habe sie regelmäßig mit starken Schmerzen in Kopf und Schulter zu tun.

Bei einem MRT konnten Ärzte eine Läsion am Kopf feststellen, die auf „stumpfe Gewalt“ zurückzuführen sei, sagte die 24-Jährige. Ob ihre wiederkehrenden Schmerzen jedoch direkt mit dem Deckeneinsturz zusammenhingen, ließe sich nicht eindeutig sagen. In Clubs, zwischen lauter Musik und vielen Menschen, fühle sie sich dennoch nicht mehr wohl.