Ein Ukrainer, der an der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines beteiligt gewesen sein soll, ist gefasst. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft nahmen italienische Polizisten Serhij K. in der Nacht auf Donnerstag in der Gegend von Rimini fest. Er wurde mit einem europäischen Haftbefehl gesucht, der erst am Montag vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ausgestellt worden war.
Laut einem italienischen Medienbericht befand er sich im Urlaub, als er von der Polizei gestellt wurde. Der Nachrichtenagentur Ansa zufolge hielt sich der 49 Jahre alte Mann seit einigen Tagen mit seiner Familie an der Adria-Küste auf. Nach der Festnahme sei er ins Gefängnis gebracht worden. Die Entscheidung über die Vollstreckung des vorliegenden europäischen Haftbefehls liege nun beim Berufungsgericht der norditalienischen Stadt Bologna.
Offensichtlich sei bei einer Kontrolle festgestellt worden, dass es sich um den europaweit gesuchten Mann handele, hieß es. Von offizieller Seite gab es auf dpa-Anfrage zunächst keine Bestätigung. Wegen der internationalen Bedeutung des Falles ist auch die italienische Regierung damit befasst.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem Ukrainer gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, verfassungsfeindliche Sabotage und Zerstörung von Bauwerken vor.
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Serhij K. gehörte demnach zu einer Gruppe von Personen, die im September 2022 nahe der Ostsee-Insel Bornholm Sprengsätze an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 platzierte.
Laut Bundesanwaltschaft handelt es sich beim Ukrainer mutmaßlich um einen der Koordinatoren der Operation. Für den Transport hätten Serhij K. und seine Mittäter eine Segelyacht genutzt, die von Rostock aus startete. Die Yacht sei zuvor mithilfe gefälschter Ausweispapiere über Mittelsmänner bei einem deutschen Unternehmen angemietet worden.
Der Beschuldigte werde nach einer Überstellung aus Italien dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, so die Bundesanwaltschaft.
Mehrere Sprengungen hatten die beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 beschädigt und unterbrochen. Die Explosionen wurden in der Nähe von Bornholm registriert. Wenig später entdeckte man vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen der Nord-Stream-Pipelines. Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der folgenden politischen Streitigkeiten noch nicht in Betrieb.
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Nach der Tat kam schnell die Frage auf, wie die Sprengladungen wohl angebracht wurden, um die Leitungen der Pipelines zu beschädigen. Experten hielten es für wahrscheinlich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze an den Orten angebracht haben könnten. Die Behörden mehrerer Länder hatten nach dem Anschlag Ermittlungen aufgenommen. Dänemark und Schweden stellten die Verfahren aber ein. (Tsp, dpa)