Berlin. Deutschlands teuerster Autobahnabschnitt wird am kommenden Mittwoch eröffnet – ohne öffentlichkeitswirksamen Festakt an der Strecke.
Wenn ein neuer Autobahnabschnitt eröffnet wird, ist das normalerweise eine Zeremonie, die feierlich inszeniert wird. Doch bei der Eröffnung des 16. Bauabschnitts der Stadtautobahn A100 in Berlin am kommenden Mittwoch ist nichts normal. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) wird nicht an der frisch asphaltierten Piste stehen, eine Rede halten und mit einer großen Schere medienwirksam das Band durchschneiden. Stattdessen wird der Festakt unter Ausschluss der Öffentlichkeit im nahegelegenen Hotel Estrel stattfinden.
Der Grund: Aus Sorge vor gewaltbereiten Protesten habe man auf die traditionelle „Ribbon Cutting Ceremony“ verzichtet, begründet Ralph Brodel, Sprecher der Niederlassung Nordost der Autobahn GmbH den ungewöhnlichen Verzicht. „Unsere Unternehmenssicherheit und auch die Polizei haben entsprechende Warnungen ausgesprochen. Gewaltbereite Demonstrationen sind nicht auszuschließen“, sagt Brodel der Berliner Morgenpost.
Verkehrsfreigabe für den Nachmittag angekündigt
Die technische Verkehrsfreigabe, so Brodel weiter, werde am späten Mittwochnachmittag erfolgen. Dann werden die Sperren, die das 3,2 Kilometer lange Teilstück zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und de, neuen Endstück , der Anschlussstelle Treptower Park abgeräumt und die Ampelschaltung am Treptower Park der neuen Verkehrssituation angepasst. Die Testläufe dazu dauern aktuell noch an. „Wir erwarten aber keine Überraschungen“, sagt Brodel. „Es dauert sicher ein paar Tage, bis sich alles eingependelt hat – aber mit größeren Verkehrsproblemen rechnen wir nicht.“
Blick aus dem im Bau befindlichen Estrel-Tower an der Sonnenallee auf den 16. Bauabschnitt der A 100 in Richtung Treptower Park
© Isabell Jürgens | Isabell Jürgens
Unterdessen formiert sich in Berlin der friedliche Protest gegen das Projekt: Das „Bündnis A100 wegbassen“ hat zur Kundgebung um 13 Uhr vor Hotel Estrel an der Sonnenallee in Neukölln aufgerufen. Die Demonstranten fordern, den Weiterbau der Berliner Stadtautobahn A100, konkret den 17. Bauabschnitt zu stoppen. „Eine A100 bis Prenzlauer Berg bringt keine Entlastung, sondern verschärft die Situation für Menschen, Umwelt und Klima zusätzlich“ so
Gabi Jung, Geschäftsführerin des BUND Berlin. Der Naturschutzbund ist Mitglied des Bündnisses.
225.000 Euro pro Meter Autobahn
Ursprünglich hatte die Autobahn GmbH des Bundes die Freigabe bereits für Mitte des Jahres angekündigt. Als Ursache für die Verzögerung wurden Probleme bei der Lieferung von Material für die elektronischen Verkehrszeichenbrücken benannt. Beim Start 2013 lagen Schätzungen bei rund 430 Millionen Euro. Inzwischen werden die Kosten auf rund 720 Millionen Euro beziffert. Das entspricht etwa 225.000 Euro pro Meter. Damit ist der 16. Bauabschnitt der A100 der teuerste Autobahnabschnitt, der je in Deutschland gebaut wurde.
Aufgrund der hohen Kosten war der Abschnitt, der auf 386 Metern im Tunnel und auf rund 2,3 Kilometern in einem bis zu sieben Meter tiefen Trog verläuft, von Anfang an umstritten. Zudem hatten Anwohner und Umweltinitiativen protestiert – für das Vorhaben waren auch Wohnhäuser abgerissen worden.
Die geplante Verkehrsführung der A100 an der Anschlussstelle Treptower Park
© Berliner Morgenpost Infografik | C. Schlippes
Weiter monieren Kritiker, dass die Autobahn nun deutlich vor der Fertigstellung der neuen Elsenbrücke am Treptower Park eröffnet wird. Diese ist erst für das Jahr 2028 in Aussicht gestellt.
Stau an der neuen Anschlussstelle vorprogrammiert
Da die 2022 in Betrieb genommene Behelfsbrücke nur zwei Fahrstreifen stadtauswärts, beziehungsweise eine Spur stadteinwärts hat, werden die Staus im Umfeld des Treptower Parks deutlich zunehmen, so die Befürchtung. Erst der leistungsfähige Neubau wird, wie die alte Elsenbrücke, wieder über sechs Fahrstreifen (2×3) verfügen.
Für die Anschlussstelle Treptower Park wird mit 55.000 Fahrzeugen pro Tag gerechnet und für die Elsenbrücke mit fast 70.000 täglich. Die Behelfsbrücke hat nach Angaben von Antje Kapek, Verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, dagegen lediglich eine Kapazität von 25.000 Fahrzeugen.
Grüne: CDU setzt auf Chaos statt Sicherheit
„Trotz aller Warnungen, die A100 am Treptower Park ein halbes Jahr vor Fertigstellung der Elsenbrücke bereits zu eröffnen, zieht die CDU dieses Vorhaben nun doch durch – wider jeder Vernunft. Und das, obwohl schon heute die Kreuzung am Treptower Park im absoluten Verkehrschaos versinkt.“, so Kapek. Mit den zusätzlichen zehntausenden weiteren Autos am Tag, die von der Autobahn abfahren werden, werde das gesamte Gebiet einen Verkehrsinfarkt erleiden.
Morgenpost Späti
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Ähnlich sieht das die Linke. „ Es ist ein Skandal, dass Milliarden an Steuergeldern weiter in die teuerste Autobahn Deutschlands fließen, während das Geld dringend für die Stärkung von Bus, Bahn und Radwegeinfrastruktur gebraucht wird.“, so Kerstin Wolter, Landesvorsitzende von Die Linke Berlin. Der Weiterbau müsse nun in Treptow gestoppt und qualifiziert beendet werden.