Im Zusammenhang mit der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines im September 2022 in der Ostsee hat die Bundesanwaltschaft in Italien einen tatverdächtigen Ukrainer festnehmen lassen. Die Karlsruher Behörde wirft ihm unter anderem das gemeinschaftliche Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor. Der Beschuldigte werde nach einer Überstellung aus Italien dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, so die Bundesanwaltschaft. Derzeit sitzt der 49-Jährige im Badeort Rimini an der Adria-Küste im Gefängnis.
Sergej K. habe zu einer Gruppe von Personen gehört, die im September 2022 nahe der Insel Bornholm Sprengsätze an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 platzierten, hieß es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft. „Bei dem Beschuldigten handelte es sich mutmaßlich um einen der Koordinatoren der Operation.“
Für den Transport nutzten Sergej K. und seine Mittäter eine Segelyacht, die von Rostock aus startete, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Die Yacht sei zuvor mithilfe gefälschter Ausweispapiere über Mittelsmänner bei einem deutschen Unternehmen angemietet worden.
Nach SZ-Informationen soll sich Sergej K. als „Koordinator ohne spezifische Funktion“ an Bord der Segelyacht Andromeda aufgehalten haben. Die Hinweise auf ihn sollen die Ermittler von polnischen Behörden erhalten haben.
Festgenommener machte Urlaub in Italien
Der Ukrainer wurde in der Nacht zum Donnerstag in der Gemeinde San Clemente im Hinterland von Rimini gefasst. Dort verbrachte er nach Angaben der italienischen Polizei seit einigen Tagen mit seiner Frau und zwei Kindern den Urlaub in einem Bungalow. Auf seine Spur stießen die Carabinieri durch den Abgleich von Meldedaten: In Italien muss jeder Urlauber bei der Anmeldung im Hotel oder in der Ferienwohnung seine Papiere vorlegen.
Nach Angaben der Polizei leistete der Mann keinerlei Widerstand. Zunächst entscheidet nun ein Berufungsgericht, ob der Haftbefehl gegen ihn vollstreckt wird – wohl eine reine Formsache. Später soll er nach Deutschland überstellt werden. Das könnte sich jedoch über mehrere Wochen hinziehen. Die italienischen Behörden wollen auch prüfen, ob der Ukrainer möglicherweise an Anschlägen auf Schiffe der russischen „Schattenflotte“ im Mittelmeer beteiligt war.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig sprach von einem „sehr beeindruckenden Ermittlungserfolg“. Einer der „mutmaßlichen Drahtzieher“ der Sabotage sei damit festgenommen worden. „Die Sprengung der Pipelines muss aufgeklärt werden, auch strafrechtlich“, erklärte die SPD-Politikerin. „Deshalb ist es gut, dass wir dabei vorankommen.“
Sprengungen hatten Gaspipelines im September 2022 beschädigt
Mehrere Sprengungen hatten die beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 beschädigt und unterbrochen. Die Explosionen wurden in der Nähe von Bornholm registriert. Wenig später entdeckte man vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen der Nord-Stream-Pipelines. Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der folgenden politischen Streitigkeiten noch nicht in Betrieb.
Nach der Tat kam schnell die Frage auf, wie die Sprengladungen wohl angebracht worden waren, um die Leitungen der Pipelines zu beschädigen. Experten hielten es für wahrscheinlich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze an den Orten angebracht haben könnten. Die Behörden mehrerer Länder hatten nach dem Anschlag Ermittlungen aufgenommen. Dänemark und Schweden stellten die Verfahren aber ein.