Kontext
US-Präsident Trump beansprucht, seit Beginn seiner zweiten Amtszeit mehrere Kriege beendet zu haben. Sein erklärtes Ziel ist der Friedensnobelpreis. Wie viel trägt er tatsächlich zum Frieden weltweit bei?
„Ich möchte wirklich in den Himmel kommen“, verkündete US-Präsident Donald Trump nach dem Gipfel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Führern aus Europa. Während er sich für ein Ende des Krieges zwischen Russland und der Ukraine einsetze, äußere Trump einen bescheidenen Wunsch, kommentierte der US-Sender Fox News dessen Worte.
Trump wird nicht müde zu betonen, dass er seit Antritt seiner zweiten Amtszeit mehrere Kriege beendet habe, im Durchschnitt jeden Monat einen, sagte er kürzlich in Schottland. In den vergangenen Tagen sprach er von sechs, dann bei Fox News von sieben Kriegen, ohne sie jeweils alle zu benennen. Das Weiße Haus nannte der New York Times auf Anfrage sechs Konflikte:
- Armenien und Aserbaidschan
- Demokratische Republik Kongo und Ruanda
Das seien Fälle, in denen die US-Regierung in den vergangenen Monaten aktiv geworden ist, dies in unterschiedlichem Maße. In keinem der Konflikte kann allerdings davon die Rede sein, dass Trump grundlegend eingegriffen hat.
Friedensvereinbarung im Weißen Haus
Beispiel für erfolgreiches Handeln sind die Vereinbarungen, die der armenische Premier Nikol Paschinjan und Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew am 8. August im Weißen Haus unterzeichnet haben. Allerdings hatten beide Seiten zuvor allein miteinander ein Friedensabkommen ausgehandelt, dies nach einem Krieg 2020 und jahrzehntelangen vergeblichen Bemühen, an denen auch die USA beteiligt waren. Das Abkommen besiegelt nun das Ende des Konflikts um Bergkarabach und liegt seit März zur Unterzeichnung bereit.
Im Weißen Haus unterschrieben Paschinjan und Alijew das Abkommen noch nicht abschließend, stattdessen mehrere Vereinbarungen. Bei einer von ihnen sollen die USA eine wichtige Rolle spielen. Sie betrifft eine geo- und sicherheitspolitisch heikle Angelegenheit: den Bau einer Transitroute über armenisches Territorium, die Aserbaidschan als Weg zu seiner Exklave dienen soll und darüber hinaus ein wichtiges Verbindungsstück in der wachsenden Infrastruktur zwischen Europa und Asien werden soll.
„Trump Route“ zwischen Europa und Asien
Um das Interesse des US-Präsidenten zu wecken, nannte die armenische Regierung das Projekt „Trump Route“. US-Unternehmen sollen den Bau und das Management übernehmen. Es ist eine kommerzielle Lösung für ein bislang unlösbares Problem, mit der beide Konfliktparteien leben können. Zumal beide Staaten darüber hinaus lukrative Vereinbarungen mit der US-Regierung unterzeichneten. Aserbaidschan zum Beispiel darf wieder militärisch mit den USA kooperieren und Waffen kaufen. Auch wurde ein Vertrag mit dem US-Energiekonzern Exxon Mobile unterzeichnet.
Die Zeremonie im Weißen Haus verlieh den Friedensvereinbarungen zusätzlich Gewicht, was es erleichtern könnte, den Frieden der Bevölkerung beider Länder zu vermitteln, nachdem dort jahrzehntelang Kriegspropaganda gegeneinander vorgeherrscht hatte. Dass Trump selbst aber nicht tiefgreifend mit der Materie vertraut ist, gab er zu erkennen, als er die beiden Länder „Albanien und Aber-baijan“ in einer Talkshow am 19. August nannte, auch wenn es in letzterem bis 2016 einen Trump-Tower gab.
Glorreicher Triumph?
Ähnliches lässt sich bei den anderen Konflikten feststellen, deren Lösung Trump für sich reklamiert:
Auch Vertreter Ruandas und der Demokratischen Republik Kongo unterzeichneten Ende Juni im Weißen Haus eine Friedensvereinbarung zur Beendigung des seit mehr als 30 Jahren andauernden Konflikts. Wenn Trump auch von einem „glorreichen Triumph“ sprach, ist danach wenig geblieben: Die Gespräche gerieten ins Stocken und die Kämpfe gehen weiter.
Im Fall von Pakistan und Indien rechnete sich Trump das Ende einer Eskalation an, deren Ausgangspunkt ein Terroranschlag in Kaschmir im Frühjahr war. Indien erkannte eine Vermittlerrolle der USA an, sah jedoch eine Militäroffensive und direkte Verhandlungen als entscheidend für Pakistans Zustimmung zu einem Waffenstillstand. Pakistan hingegen dankte Trump für seine Hilfe und wollte ihn für den Friedensnobelpreis nominieren.
Im Juni verkündete Trump einen Waffenstillstand nach zwölf Tagen militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Iran. An diesen hatten sich die USA mit Luftangriffen beteiligt. Auf seiner Plattform Truth Social schrieb er, es sei ihm eine Ehre gewesen, den Krieg zu beenden und alle Nuklearanlagen und die Kapazitäten des Iran zu zerstören. Keine der beiden Seiten bestritt die Rolle der USA beim Waffenstillstand. Allerdings wurden die Atomverhandlungen mit dem Iran seither noch nicht wieder aufgenommen und Experten gehen davon aus, dass der Iran die Anreicherung von Uran zum Bau von Atomwaffen wieder aufnehmen kann.
Zwischen Kambodscha und Thailand brachen im Juli mehrtägige Kämpfe aus. Beide Seiten einigten sich auf einen Waffenstillstand bei Gesprächen, die von Malaysia und den USA organisiert wurden. Trump hatte Kambodscha und Thailand gedroht, bei Fortführung der Gefechte Handelsgespräche mit ihnen einzustellen. Auch wenn die Kämpfe beendet wurden, ist der jahrzehntelange Konflikt nicht gelöst.
Zwischen Ägypten und Äthiopien gibt es einen Streit um einen Staudamm, der bislang nicht militärisch eskaliert ist. Im Konflikt um die Regelung des Zugangs zum Wasser des Flusses Nil bleiben die Spannungen aber bestehen, die USA haben wenig zur Beilegung beigetragen.
Friedensabkommen ohne Waffenstillstand?
Im Krieg Russlands gegen die Krieg Ukraine betont Trump immer wieder, dass er ein Ende des Tötens in der Ukraine will. Vor seinem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Alaska sprach er davon, einen Waffenstillstand durchsetzen zu wollen. Nachdem er mit Putin gesprochen hatte, wollte er von einem Waffenstillstand nichts mehr wissen. Stattdessen solle gleich um ein Friedensabkommen verhandelt werden.
Zur Begründung sagte er, dass es in den anderen Kriegen, die er beendet habe, auch keine Waffenstillstände gegeben habe. Das ist nicht korrekt. In den meisten genannten Fällen waren Vereinbarungen zur Einstellung laufender Gefechte das Ergebnis der Gespräche. Im Fall der langfristigen Friedensvereinbarungen zwischen Armenien und Aserbaidschan war ein Waffenstillstand Grundlage. Er wurde am 10. November 2020 zur Beendigung eines 44 Tage währenden Krieges geschlossen. Vorangegangen waren Vermittlungsversuche der USA, Frankreichs und Russlands.
Genauso wäre es unrealistisch, bei andauernden Kämpfen in der Ukraine über den künftigen Grenzverlauf und dessen Absicherung zu verhandeln. Vielmehr ist offenkundig, dass Putin einen möglichst langwierigen diplomatischen Prozess für weitere Geländegewinne nutzen will.
Dealmaker Trump?
Dass er bei der Frage des Waffenstillstands auf Putin eingeschwenkt ist, lässt Trump nicht wie den durchsetzungsstarken Dealmaker dastehen, als den er sich auch mit Blick auf seine Vorgänger im Amt gibt. Mehreren von ihnen wirft er vor, gegenüber Russland versagt zu haben. Vom Republikaner George W. Bush sagt er, dieser habe 2008 zugesehen, wie sich Russland Teile des Südkaukasusstaates Georgien einverleibt habe. Barack Obama habe Putin die Krim überlassen. Wäre nicht Joe Biden, sondern er selbst 2022 im Amt gewesen, dann hätte Putin nicht die Ukraine angegriffen.
Letzteres bestätigte Putin dem US-Präsidenten beim Treffen in Alaska. Allerdings blieb offen, warum Putin den Krieg dann noch fortführt, wo Trump doch seit Jahresbeginn wieder im Amt ist. Bei all seiner Kritik sagt Trump nicht, was seine Vorgänger hätten unternehmen sollen, um Putin zu stoppen.
Er selbst will eigenen Angaben zufolge weniger militärisches Engagement im Ausland. Auch insofern bleibt offen, wie die Sicherheitsgarantien als Backup für die Unterstützung Europas für die Ukraine gestaltet werden sollen. Neue Sanktionen gegen Russland, wie sie auch republikanische Abgeordnete vorschlagen, setzt er bislang nicht um, auch weil er sich Deals mit Russland offen halten will, von dessen Reichtum an Rohstoffen er gern schwärmt.
Missverständnisse
Für die Stärke Trumps spricht auch nicht, dass sein diplomatisch unerfahrener Unterhändler Steve Witkoff offensichtlich überfordert ist. Aussagen darüber, was Putin mit einem „Gebietsaustausch“ meinte, musste er mehrfach korrigieren. Dergleichen wurde unter Trumps Vorgängern, die sich auf erfahrene Diplomaten verließen, nicht bekannt.
Die Frage ist zudem, inwieweit Trump über die ihm zuteil werdenden Schmeicheleien wie jene reflektiert, von der er Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am 18. August im Weißen Haus erzählte: Putin wolle ihm zuliebe einen Deal machen, so verrückt das auch sei. Sein Außenminister Marco Rubio sprach von einer „goldenen Ära der amerikanischen Diplomatie“.
Reif für den Friedensnobelpreis?
Kein Zweifel lässt Trump allerdings daran, dass er dem Töten in der Ukraine nicht mehr zusehen will und dass er ernsthaft am Friedensnobelpreis interessiert ist, den Obama im Jahr 2009 erhielt.
Das könnte erklären, warum sich Trump derzeit immer noch weiter auf die Verhandlungen zum Ende des Krieges in der Ukraine einlässt. Beim Norweger Jens Stoltenberg, dem ehemaligen NATO-Generalsekretär, soll er sich über den Friedensnobelpreis erkundigt haben, wie die norwegische Wirtschaftszeitung Dagens Næringsliv berichtete.
Stoltenberg selbst sagte nichts dazu. Die fünf Mitglieder des Friedensnobelpreiskomitees in Oslo werden vom norwegischen Parlament gewählt. In seinem Testament verfügte der Stifter Alfred Nobel, dass der Preis an jene Person oder Organisation vergeben werden soll, die „am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker, für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen gewirkt hat.“