Der stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses Stephen Miller, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Vizepräsident JD Vance begrüßen Mitglieder der Nationalgarde in Washington, 20. August 2025 [AP Photo/Al Drago]
In Washington nimmt der Staatsstreich des Präsidenten seinen Lauf. Truppen der Nationalgarde aus sechs republikanisch regierten Bundesstaaten begannen am Mittwoch mit Straßenpatrouillen. Vertreter der Trump-Regierung erklärten, dass die Hauptstadt womöglich auf unbestimmte Zeit unter militärischer Besatzung bleiben werde. Dies liege im alleinigen Ermessen Trumps als „Oberbefehlshaber“.
Am Dienstag trafen Nationalgardisten aus West Virginia ein, und am Mittwoch aus South Carolina, Ohio, Mississippi und Louisiana. Außerdem wurden noch Verbände aus Tennessee erwartet. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der Polizisten und Militärangehörigen in der US-Hauptstadt auf fast 9.000 (3.200 Beamte der (städtischen) Metropolitan Police, 2.300 Beamte der Capitol Police, 1.200 Soldaten der Nationalgarde aus verschiedenen Bundesstaaten, 800 Soldaten der Nationalgarde des District of Columbia (der die Hauptstadt Washington umfasst), 472 Polizisten der Washingtoner U-Bahn, 350 Polizisten der National Park Police und mindestens 500 weitere bewaffnete Bundesbeamte, einschließlich FBI und ICE).
Ein großer Teil der Nationalgarde, die in Washington einzieht, stammt aus den ehemaligen Konföderierten Staaten, die im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) die Sklaverei verteidigten. Trump knüpft bewusst an die reaktionärsten Traditionen der amerikanischen Geschichte an. An dem Tag, an dem die Truppen in der Hauptstadt eintrafen, ließ er in den sozialen Medien eine Tirade gegen die Smithsonian Institution vom Stapel. Diese hoch angesehene Bildungs- und Forschungseinrichtung, die einen der größten Museumskomplexe der Welt betreibt, habe „zu viel Zeit“ damit zugebracht hat, zu schildern, „wie schlimm die Sklaverei war“.
Drei von Trumps wichtigsten politischen Scharfmachern, Vizepräsident JD Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth und der stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses Stephen Miller, hießen die Truppen der Nationalgarde am Mittwoch in der Union Station, dem Hauptbahnhof von Washington, willkommen. Der Ort war bewusst gewählt, denn das berühmte Bauwerk liegt nicht weit vom Kapitol entfernt, wo am 6. Januar 2021 ein von Trump angeführter Protestmarsch in einem gewaltsamen Überfall auf den Kongress gipfelte.
Tatsächlich ist die Übernahme Washington, die Trump am 11. August 2025 angeordnet hat, die direkte Fortsetzung – oder besser Wiederaufnahme – des Putschversuchs, mit dem er damals das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2020 kippen wollte. Doch jetzt wurde die ganze Aktion in den sieben Monaten seit Trumps Wiedereinzug ins Weiße Haus sorgfältig geplant, und er stützt sich nicht auf Tausende von undisziplinierten und weitgehend unorganisierten Randalierern, sondern auf die bewaffneten Einheiten des kapitalistischen Staats.
Vance, Hegseth und Miller posierten für Fotos mit den Nationalgardisten und verkündeten, dass die Gewaltverbrechen in Washington durch die militärische Intervention bereits drastisch zurückgegangen seien – der Vorwand für die Besetzung. Doch ihr medienwirksamer Auftritt wurde durch Sprechchöre „Free DC, Free DC“ unterbrochen, die lautstark in der Bahnhofshalle widerhallten.
Miller ließ daraufhin eine faschistische Tirade vom Stapel, in der er die Demonstranten als „irre Kommunisten“ bezeichnete und hinzufügte: „Wir werden nicht zulassen, dass die Kommunisten eine große amerikanische Stadt zerstören, schon gar nicht die Hauptstadt der Nation.“ Die Demonstranten seien Außenseiter, die „keine Wurzeln in dieser Stadt“ hätten, und würden sich für die „Kriminellen, Mörder, Vergewaltiger und Drogendealer“ einsetzen.
Miller bezeichnete den District of Columbia als „eine der gewalttätigsten Städte auf dem Planeten Erde“, obwohl es dort weniger Gewalt gibt als in den meisten Hauptstädten der Bundesstaaten, deren republikanische Gouverneure Verbände der Nationalgarde entsandt haben.
Während Miller den hysterischen Ton vorgab, vermittelte Vance die Hauptbotschaft: dass die militärische Besetzung der US-Hauptstadt auf unbestimmte Zeit anhalten könnte. Ein Reporter fragte nach der gesetzlichen 30-Tage-Frist, innerhalb derer Trump die Genehmigung des Kongresses einholen muss, wenn er die Befehlsgewalt über die Washingtoner Polizei übernimmt. Darauf antwortete Vance: „Wir werden es letztendlich dem Präsidenten der Vereinigten Staaten überlassen, zu entscheiden, wo wir nach 30 Tagen dieser Notverordnung stehen … wenn der Präsident der Vereinigten Staaten der Meinung ist, dass er diese Anordnung verlängern muss, damit die Menschen öffentliche Sicherheit bekommen, dann wird er genau das tun.“
Umfragen zufolge lehnt eine Mehrheit der Einwohner Washingtons den Einsatz der Nationalgarde ab. Die Menschen fühlen sich in ihrer Sicherheit bedroht, weil ihre Stadt von waffenstarrenden Männern überschwemmt wird, von denen Hunderte bei Razzien und Verhaftungen Masken tragen. Auf eine entsprechende Frage antwortete Vance spöttisch: „Vielleicht sind es dieselben Umfragen, die besagen, dass Kamala Harris die Wahlen nach absoluten Stimmen mit 10 Punkten Vorsprung gewonnen hat.“ Damit beendete er die Pressekonferenz.
Der Truppenaufmarsch in Washington folgt einem ausgearbeiteten Plan, in dessen Zentrum das Militär steht. Uniformierte Truppen und gepanzerte Fahrzeuge werden an allen Orten stationiert, die Besucher von außerhalb anziehen: das Washington Monument und die National Mall, das Lincoln Memorial, das Weiße Haus, der Capitol Hill und die Union Station. Am Mittwoch wurden außerdem 10 U-Bahn-Stationen besetzt, hauptsächlich im Stadtzentrum. Die sichtbare Präsenz des US-Militärs in der US-Hauptstadt soll zur Normalität werden, was einen klaren Bruch mit der bisherigen Praxis darstellt.
Bislang sind weder Militär noch Polizei mit massiven Repressionen gegen die Bevölkerung der Stadt vorgegangen. In den Einwanderervierteln kam es vereinzelt zu Zusammenstößen, die durch die Einrichtung von Kontrollpunkten und das brutale Vorgehen der Einwanderungsbehörden ausgelöst wurden. Diese relative Ruhe ist jedoch nur vorübergehend. Die Logik von Trumps Politik und sein unbändiger Hass auf die Arbeiterklasse werden unweigerlich zu Gewalt führen.
Trumps Staatsstreich wird von den Mainstream-Medien begünstigt, indem sie die militärisch-polizeiliche Besetzung stark herunterspielen. Die Washington Post, die dem Milliardär Jeff Bezos (Amazon-Chef und einer der reichsten Männer der Welt) gehört, hat ihren Bericht über die Stationierung von Truppen der Nationalgarde auf eine Innenseite verbannt, die Lokalmeldungen aus der Hauptstadt gewidmet ist, als gehe es um einen Wasserrohrbruch und nicht um einen wichtigen Schritt zur Errichtung einer Präsidialdiktatur in Amerika.
Eine der wenigen Ausnahmen war ein Kommentar von David Graham im Atlantic, in dem es hieß: „Militärfahrzeuge, die an Orten wie der Union Station postiert sind, lassen die Hauptstadt dort eher wie die Grüne Zone in Bagdad aussehen als den Ort, an dem man aus dem Zug aussteigt. Bundesbeamte haben offenbar ein politisches Plakat in einem liberalen Viertel heruntergerissen und sich geweigert, sich oder ihre Behörde bei Konfrontationen auszuweisen.“
Graham wies auch darauf hin, dass Trump kein Datum für die Beendigung des Einsatzes genannt hat, und schloss mit den Worten: „Das wirft die beängstigende Aussicht auf, dass es ewig so weitergehen könnte – oder dass das ganze Land ins Kriegsrecht abgleitet … Ohne erklärtes Ziel und mit einem duldsamen Kongress und Obersten Gerichtshof könnte es damit enden, dass das US-Militär die Großstädte unseres Landes besetzt, bevor die meisten Amerikaner überhaupt merken, was gespielt wird.“
Im Laufe von nur sieben Monaten hat Trump einen systematischen Plan zur Errichtung einer faschistischen Diktatur umgesetzt. Mit einer Reihe von Dekreten wurden die Voraussetzungen für die Anwendung des Insurrection Act, der den Präsidenten zur militärischen Unterdrückung von Aufständen ermächtigt, und für die Kriminalisierung des Widerstands gegen den Völkermord im Gazastreifen geschaffen. An der Grenze zwischen den USA und Mexiko wurden bereits Bundestruppen eingesetzt, ebenso bei Massenrazzien gegen Einwanderer in Los Angeles. Dem folgte die groteske Militärparade am 14. Juni in Washington, bei der an Trumps 79. Geburtstag Panzer durch die Straßen rollten. Jetzt hat die militärisch-polizeiliche Besetzung der Hauptstadt begonnen, und ähnliche Einsätze sind in anderen Großstädten geplant.
Der wichtigste Faktor, der diese Diktaturvorbereitungen ermöglicht, ist das Bemühen der Demokratischen Partei, jeden Ausdruck von Massenwiderstand zu blockieren und in die Sackgasse juristischer Klagen und ohnmächtiger Proteste zu lenken. In derselben Umfrage, derzufolge die Einwohner von Washington Trumps militärische Übernahme ablehnen, äußerten bemerkenswerterweise 50 Prozent die Meinung, dass die demokratische Bürgermeisterin Muriel Bowser zu wenig dagegen unternommen habe.
Der Führer der Minderheitsfraktion im Senat, der Demokrat Chuck Schumer, nannte Trumps Vorgehen eine „politische Finte“ und einen „Ablenkungsversuch von Trumps anderen Skandalen“, zum Beispiel seinen Verbindungen zu dem millionenschweren Sexhändler Jeffrey Epstein. Schumers Stellvertreter, Senator Dick Durbin, bezeichnete die Truppenmobilisierung als „politisches Theater“. Der Gouverneur von Maryland, Wes Moore, sagte der New York Times: „Ich betrachte das als eine Darbietung und nichts weiter.“
Trump stürzt also die amerikanische Demokratie, um von einem Sexskandal „abzulenken“! Die schiere Absurdität dieses Arguments ist ein Beweis für den politischen Bankrott der Demokratischen Partei. Diesen Herren kommt offenbar nicht in den Sinn, dass Trump, wenn es ihm gelingt, als Präsident zum Diktator aufzusteigen, sich keine Sorgen über eine schlechte Presse oder Untersuchungen des Kongresses machen muss.
Im Gespräch mit Medienvertretern vor dem Weißen Haus erklärte Trumps Grenzschutzbeauftragter Tom Homan, genannt „Border Czar“: „Präsident Trumps Befugnis, dieses Land wieder sicher zu machen, ist nicht beschränkt. Da gibt es keine Einschränkung.“ Diese Worte sind klar: Trump und seine engsten Mitarbeiter erkennen keine rechtlichen und verfassungsmäßigen Beschränkungen für die Befugnisse des Präsidenten an.
Anfang der Woche hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus darauf hingewiesen, dass er in seinem Land die ursprünglich für März 2024 angesetzten Präsidentschaftswahlen auf unbestimmte Zeit verschiebe, weil nach der russischen Invasion im Februar 2022 das Kriegsrecht verhängt wurde. „Sie sagen also, dass man während des Krieges keine Wahlen abhalten kann“, schaltete Trump sich ein. „Wenn wir also, sagen wir, in dreieinhalb Jahren … wenn wir uns dann mit jemandem im Krieg befinden, wird es keine Wahlen mehr geben. Das klingt gut.“
Die politische Stoßrichtung dieser Regierung zielt eindeutig auf Krieg und Diktatur ab. Dahinter steht eine grundlegende Veränderung der Klassenbeziehungen. Jeden Tag zeigt sich, dass die extreme soziale Ungleichheit, die heute im amerikanischen Kapitalismus herrscht, unvereinbar ist mit den demokratischen Formen, die durch die amerikanische Revolution eingeführt und durch den Bürgerkrieg erweitert wurden. Wie zu Zeiten des Bürgerkriegs ist Amerika wieder gespalten – diesmal jedoch zwischen einer winzigen Schicht von Milliardären und Konzernbossen an der Spitze und der großen Mehrheit, der Arbeiterklasse und den unteren Mittelschichten, die um ihre Existenz kämpfen.
Arbeiter und junge Menschen müssen sich der Realität stellen. Präsident Trump schafft den Rahmen und den Präzedenzfall für eine Militär- und Polizeidiktatur, nicht nur in Washington, sondern in jeder Stadt und jedem Bundesstaat. Die Demokratische Partei wird nichts unternehmen, um dies zu verhindern. Die Mainstream-Medien nehmen nicht einmal zur Kenntnis, dass ein Staatsstreich stattfindet. Und die pseudolinken Organisationen wie die Democratic Socialists of America und die Gewerkschaften raten den Arbeitern, den Demokraten zu vertrauen und 2026 mehr Demokraten zu wählen – falls es überhaupt noch eine Wahl gibt.
Trumps Staatsstreich hat bereits Proteste in Washington ausgelöst. Sein Versuch, die ganze Macht an sich zu reißen, wird unweigerlich auf Massenwiderstand stoßen. Trump ist auf Kollisionskurs mit Millionen von Arbeitern in den Vereinigten Staaten.
Da es innerhalb der etablierten politischen Strukturen keine Opposition gibt, muss sich das Zentrum des Widerstands gegen Trump in die Arbeiterklasse verlagern. Die grundlegenden politischen Fragen, die beantwortet werden müssen, sind: Was muss die Arbeiterklasse mit Unterstützung der Studierenden und aller fortschrittlichen Kräfte der Gesellschaft tun, um die Errichtung einer Diktatur in den Vereinigten Staaten zu verhindern? Welche neuen Formen der organisierten Massenaktion, einschließlich eines Generalstreiks, sind erforderlich, um die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse zu verteidigen? Welche Veränderungen in der wirtschaftlichen und sozialen Struktur des Landes sind notwendig, um die Macht der Finanz- und Konzernoligarchie zu brechen?
Als Lincoln im Jahr 1861 dem Aufstand der Sklavenhalter entgegentrat, gelangte er zu dem Schluss, dass die demokratischen Grundsätze der Unabhängigkeitserklärung nur durch eine Revolution bewahrt werden konnten, die die wirtschaftliche Grundlage der Konföderierten, die Sklaverei, zerstörte. Genau 160 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs bringt die Bedrohung durch eine faschistische Militär- und Polizeidiktatur die Notwendigkeit auf die Tagesordnung, die wirtschaftliche Grundlage der Macht der Oligarchen, den Kapitalismus, zu beenden und durch Arbeitermacht und Sozialismus zu ersetzen.
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