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Der Westen kontrolliert viele Milliarden an russischen Vermögenswerten. Diese sollen der Ukraine helfen. Noch herrscht jedoch Unklarheit darüber, wie.
Brüssel – Die Stimmung hinsichtlich des eingefrorenen russischen Vermögens im Westen kippt zunehmend. Jetzt haben sich weitere Politiker dafür ausgesprochen, die rund 210 Milliarden Euro direkt anzuzapfen und für die Ukraine zu nutzen. Auslöser dafür sind stetige Angriffe Russlands gegen die Ukraine, während der Kreml-Chef Wladimir Putin vorgibt, an Friedensgesprächen interessiert zu sein. Ein erhöhter finanzieller Druck soll dafür sorgen, dass Russland zumindest während der Verhandlungen stillhält.
Warum auf Putin vertrauen – EU-Offizielle fordern Nutzung von eingefrorenem russischen Vermögen
„Das russische Geld muss herangezogen werden“, zitiert die Wirtschaftswoche die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Europäischen Parlaments, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Seit Jahren gibt es um dieses eingefrorene Vermögen einen Streit; die EU sucht rechtliche Handhabe, um darauf zuzugreifen. „Das Argument, dass bei einer endgültigen Beschlagnahmung der eingefrorenen russischen Vermögen zugunsten der Ukraine der europäische Geldmarkt in eine Krise gerät, teile ich überhaupt nicht“, sagt Strack-Zimmermann dazu. „Wenn die Banker von Vertrauen und Verlässlichkeit reden, dann frage ich sie im Gegenzug, warum sie auf die Verlässlichkeit eines Kriegsverbrechers vertrauen?“
Bildmontage aus Wladimir Putin und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Symbolfoto). Der Westen hält viele Milliarden an russischen Vermögenswerten. Diese sollen der Ukraine helfen. Noch besteht jedoch Unklarheit, wie. © IMAGO / Bonn.digital & IMAGO / ITAR-TASS
Strack-Zimmermann sieht den Kreml in der Pflicht für die Finanzierung des Wiederaufbaus in der Ukraine. Auch der CDU-Politiker Daniel Caspary und die Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD) stehen hinter einer solchen Maßnahme.
300 Milliarden US-Dollar als Druckmittel – Westen friert russisches Vermögen ein
Hinter der ganzen Diskussion steckt ein gewaltiges russisches Vermögen, von dem das Finanzinstitut Euroclear in Brüssel einen Großteil verwahrt. Nach EU-Angaben befinden sich Vermögenswerte der russischen Zentralbank im Wert von 200 Milliarden Euro bei Euroclear, die durch Sanktionen eingefroren wurden. Ausgeweitet auf die G7-Staaten, also gemeinsam mit den USA, Japan und Kanada, hat der Westen sogar ein Vermögen über 300 Milliarden US-Dollar von Russland eingefroren.
Dieses Vermögen sorgt seit vielen Monaten für Reibereien innerhalb der EU. Die Ukraine verlangt die Herausgabe des Gelds, um Rüstungsgüter und den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur zu finanzieren. Russland wiederum will das Geld zurück. Und die Europäische Union fürchtet einen Vertrauensverlust und ein etwaiges Chaos an den Finanzmärkten, sollte sie auf das Geld zugreifen.
Das hat dazu geführt, dass einige EU-Länder diesbezüglich einen Alleingang gestartet haben. Estland zum Beispiel hat ein Gesetz ins Rollen gebracht, das es erlauben soll, in Estland eingefrorenes russisches Vermögen zu konfiszieren.
Milliarden-Tranche für die Ukraine – so nutzt der Westen Putins Schatz
So ganz still hält die EU jedoch nicht. Anstatt das russische Vermögen direkt anzuzapfen, schöpft sie aus den generierten Zinsgewinnen Milliarden für die Ukraine ab. Dieser Plan läuft bereits seit 2024, im August 2025 berichtete die Deutsche Presse-Agentur von einer neuen Tranche über 1,6 Milliarden Euro, die die Ukraine aus den Zinsen erhielt. Wie die EU-Kommission mitteilte, seien die Zinserträge an die EU ausgezahlt worden und könnten als Finanzhilfe für die Ukraine verwendet werden.
Es handelte sich dabei um die dritte Überweisung an die EU aus den Zinsen eingefrorener Vermögenswerte. Weitere Zahlungen flossen bereits im Juli 2024 und im April 2025.
Kreml schürt Zweifel – Putin ist bereit, sich von den russischen Milliarden zu trennen
Der Kreml wiederum versucht im Gegenzug, die bereits bestehenden Ängste des Westens weiter zu schüren. Beim Eurasian Economic Union-Gipfel, der im Sommer in Minsk stattfand, sagte Putin, Russland sei „bereit“, sich von den 300 Milliarden US-Dollar in eingefrorenen Vermögenswerten zu verabschieden, wenn es dabei hilft, die westliche Dominanz der Finanzsysteme zu beenden.
„Ein signifikanter Betrag russischen Golds und Währungsmitteln sind in westlichen Banken eingefroren“, sagte Putin. „Sie sagen uns, sie würden das Geld stehlen wollen.“ Eine Enteignung dieser Werte würde einen „irreversiblen Trend zur Regionalisierung von Zahlungssystemen“ befördern. Gleichzeitig hat Russland keine Probleme damit, westliche Ressourcen festzusetzen und zu enteignen: So passierte es zum Beispiel mehrfach mit westlichen Firmen (etwa beim Maschinenbauer DMG Mori) oder bei eigentlich ausgeliehenen westlichen Flugzeugen.