D ie Straßenschilder in der „Mohrenstraße“ in Berlin-Mitte waren schon abgeklebt, ebenso der Schriftzug am gleichnamigen U-Bahnhof. Alles war für das Fest am Samstag zur Umbenennung in Anton-Wilhelm-Amo-Straße vorbereitet. Ein jahrzehntelanger Kampf der afrodiasporischen Community und ihrer Unterstützer wäre zu Ende gegangen. Wenn nicht in letzter Minute das Verwaltungsgericht Berlin am Freitag dem Eilantrag eines Klägers stattgegeben und die Umbenennung gestoppt hätte.
So bitter die Entscheidung ist: Diese erneute Volte passt zur Vorgeschichte. 30 Jahre währte die Debatte um die Frage, ob das Wort „Mohr“ heute noch sag- und zumutbar ist, alle möglichen Argumente wurden ausgetauscht. Doch noch immer gibt es Leute, die glauben, am Althergebrachten festhalten zu müssen. Für die die Veränderung eines Straßennamens ein Kulturkampf ist, den sie unbedingt gewinnen müssen, weil sonst offenbar die Welt zusammenbricht.
Natürlich war klar, dass es Berlinerinnen und Berliner gibt, die nicht von der Umbenennung überzeugt sind. In einem RBB-Beitrag kamen kürzlich mehrere Anwohner zu Wort, die sich für den alten Namen aussprachen. Mit den bekannten Argumenten: Die Umbenennung koste Geld, der alte Name sei bekannt und die M-Straße ein Stück Berliner Geschichte.
Und natürlich: Das M-Wort sei ja zu seiner Zeit gar nicht abwertend oder gar rassistisch gemeint gewesen. Mehrere Stimmen behaupteten gar, die Entscheidung sei über die Köpfe der Bürger hinweg gefällt worden, sprich: „Die da oben“ haben mal wieder woken Quatsch gemacht.
Verharmlosende Vorstellungen
An alldem ist wenig bis nichts richtig. Die realen Kosten für Anwohner dürften sich in engen Grenzen bewegen. Zwar stimmt es, dass der Name alt ist, genauer: von 1706. Aber das kann kein Grund sein, an dem kolonial-rassistischen Begriff festzuhalten.
Die „Mohren“, die dort untergebracht wurden, um bei Hofe zu musizieren, waren verschleppte Sklaven – und die preußischen Herrscher aktiv in Sklavenhandel und Ausbeutung involviert. Doch bis heute scheinen in der Auseinandersetzung um den deutschen Kolonialismus, die hinter der M-Straßen-Debatte mitschwang, solche verharmlosenden Vorstellungen durch.
Schließlich ist es auch nicht zutreffend, dass „die Politik“ hier selbstherrlich entschieden habe. Der Bezirk hat die Bürger an vielen Stellen einbezogen, nicht zuletzt bei der Frage nach einem neuen Namen. Auch weil es nach dem Beschluss des Bezirksamts zur Umbenennung vor fünf Jahren über 1.000 Einwendungen gab, hat sich die Umbenennung bis heute hingezogen.
Der Bezirk hat die Bürger an vielen Stellen einbezogen
Erst kürzlich hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Klage abgeschmettert und erklärt, dass hier keine „willkürliche“ Entscheidung vorlag, sondern ein sachlicher Grund „mit dem Hinweis auf die negative Konnotation, die auch mit dem Begriff Mohr verbunden ist“, wie ein Gerichtssprecher erklärte. Dass dies in heutiger Zeit vielen nicht gefällt, weil konservativ-rechter Furor gegen die offene plurale Gesellschaft gerade Hochkonjunktur hat: Damit muss man wohl leben.
wochentaz
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An der grundsätzlichen Richtung wird voraussichtlich auch die nun revitalisierte Klage nichts ändern, sie schiebt den Prozess nur erneut auf. Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, würden Jahrzehnte der Diskussion wegen ewiggestriger Hinterwäldler in die Tonne getreten.