Er sucht einen Nachfolger: Friseurmeister Wolfgang Bache in seinem Salon im Bohnenviertel. Foto: Lichtgut
Seit 44 Jahren ist Wolfgang Bache Friseur. Jetzt würde er seinen Salon Hieronymus B im Bohnenviertel gern in jüngere Hände geben. Aber das ist nicht so einfach.
In der Schule, sagt Wolfgang Bache, sei ihm sein zweiter Vorname immer ein bisschen peinlich gewesen. Hieronymus – wer heißt denn bitte so? Aber als er sich im Jahr 2000 mit einem eigenen Friseursalon selbständig machte, nannte er ihn Hieronymus B. So hieß das Geschäft schon in den Anfangszeiten in der Pfarrstraße, später im Gerberviertel und jetzt auch in der Weberstraße 80, wo Wolfgang Bache seit inzwischen zehn Jahren seinen Kundinnen und Kunden die Haare schneidet. „Ich bin seit 44 Jahren Friseur“, sagt der 64-Jährige, „und konnte mir nie etwas anderes vorstellen.“ Was Bache aber manche schlaflose Stunde bereitet: Wie es mit seinem Salon weitergehen soll.
Ein persönliches Anliegen: Der Friseurmeister auf Nachfolgersuche
„Vielleicht möchte ich bald nur noch drei Tage die Woche im Geschäft stehen“, sagt der Friseurmeister. Aber dafür müsste Bache eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger haben – und diese Suche gestaltet sich schwierig.
Gespräche mit Interessierten hatte Bache schon einige – aber so richtig gepasst hat es bisher nicht. „Vielen fiel es schwer, sich festzulegen.“ Wolfgang Baches Idealvorstellung sähe so aus: „Es kommt jemand, der ausgelernt hat und schon ein paar Jahre Berufserfahrung hat. Wir arbeiten noch ein, zwei Jahre zusammen – vielleicht auch auf Angestelltenbasis – und dann verkaufe ich das Geschäft an diese Person und arbeite ein paar Tage die Woche hier als Angestellter weiter.“
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks weiß, dass Geschäftsnachfolgen selten ein Selbstläufer sind. Das liege an der demografischen Entwicklung, aber auch daran, dass viele Meisterinnen und Meister sich gar nicht mehr selbständig machen wollen, weil sie zufrieden sind mit ihrem Angestelltenverhältnis. 2024 haben bundesweit 3154 Friseurinnen und Friseure ihre Gesellenprüfung bestanden, 1558 haben ihre Meisterprüfung geschafft, darunter 222 in Baden-Württemberg.
Die Dauerwelle vermisst Wolfgang Bache nicht
Frisuren sind für Wolfgang Bache eine lebenslange Leidenschaft. „Ich habe schon als kleiner Junge meinem Vater Sonntagmorgens im Bett die Haare frisiert – und versucht, den Barbiepuppen meiner Schwestern Locken zu drehen.“ Später färbte er seinen Klassenkameraden Strähnchen. Anfang der 1980er kam der gebürtige Reutlinger dann nach Stuttgart und begann als Geselle bei Lucia and Ashley in der Sophienstraße. „Das war damals ein angesagter Salon, solche Promifriseure gibt es heute gar nicht mehr.“
Im Radio sang Nena „99 Luftballons“ und trug Shag Cut, frisurentechnisch war bei New Wave alles drin. „Das war schräg, verrückt, bunt – gestuft, gefärbt, mit Undercut. Alles war erlaubt. Die 80er waren eine unheimlich kreative Zeit.“ Im Vergleich dazu seien die Haartrends heute richtiggehend brav, findet der 64-Jährige. „Alle jungen Mädchen haben die gleichen langen Haare.“ Die Dauerwelle vermisst der Friseur aber nicht: „Das stinkt furchtbar, wenn man die macht.“ 19 Jahre blieb er in dem In-Salon, dann machte er sich im Jahr 2000 selbständig.
Als er vor zehn Jahren mit seinem Salon in die Weberstraße zog, sei ihm klar gewesen: „Das wird meine letzte Station.“ Hier ist es klein, familiär „und die Miete sehr erschwinglich“. Wolfgang Bache fühlt sich sehr verwurzelt im Bohnenviertel, mit seiner Mischung aus Boutiquen, Restaurants und kleinen Handwerksbetrieben wie seinem. „Du gehst abends hier raus und triffst garantiert jemanden, mit dem du noch einen Schwatz hältst.“ Man kennt sich, geht mal auf ein Glas in die Weinstube Stetter oder auf einen Teller Spaghetti ins Peeches. „Als Friseur bist du ein öffentlicher Mensch. Und wenn du ein paar Jahre hier bist, kennst du die Leute in der Nachbarschaft.“ Die schwäbischen Stadtführungen mit „Frau Schwätzele“ – einer Stadtführerin mit Kopftuch und Kittelschürze, die die typisch schwäbische Hausfrau darstellen soll – machen auch kurz Station bei Baches Laden. „Um ein Witzle mit mir zu machen“, wie er sagt.
Wolfgang Bache fühlt sich im Bohnenviertel zu Hause. Foto: Lichtgut
Nicht nur der Friseur, auch seine Kundinnen und Kunden hoffen, dass es mit dem Salon weitergeht. „Beinahe jeden Tag sagt jemand zu mir: Bitte hör nicht so bald auf.“ Verena Geisel kam vor bald 20 Jahren als Kundin zu Wolfgang Bache, heute ist sie längst auch eine Freundin. Als Business Coach begleitet sie ihn nun auch bei seiner Nachfolgersuche. Was sie an ihm schätzt: „Wolfgang schneidet nicht nur Haare, er sieht den ganzen Menschen.“ Weil er komplett ausgelastet ist, kann der Friseur Neukunden gar nicht mehr aufnehmen: „Geschäft ist mehr als genug da. Mein Kalender ist immer voll.“ Auch Menschen, „die man in Stuttgart kennt“, lassen Wolfgang Bache an ihre Haare, „aber ich möchte keine Namen nennen“. Diskretion ist erste Friseurpflicht.
Wolfgang Bache liebt die Menschen – und ihre Geschichten
Ist es ein Klischee, dass ein Friseur Psychologe und Beichtvater in einem ist? „Ich bin jemand, der die Menschen und ihre Lebensgeschichten liebt. Ich höre gerne zu“, sagt Wolfgang Bache. Viel wird in dem kleinen Friseurstudio über das Theater, Ballett, Schauspiel oder Film gesprochen, denn Kultur ist Baches Leidenschaft. Da entwickeln sich oft lebhafte Diskussionen über das aktuelle Stück im Kleinen Haus oder einen Neuzugang in der Stuttgarter Compagnie. „Mein Geschäft ist zu klein für Tuscheleien. Wer mag, plaudert mit – so haben sich hier auch schon Freundschaften entwickelt.“
Wer Baches Nachfolge antreten will, muss das mögen: „Ein Reinkommen- Drankommen-schnell-wieder-weg-Friseur passt hier nicht her. Es müsste jemand sein, der die persönliche Atmosphäre schätzt“, glaubt Wolfgang Bache. „Ich will nicht einfach verkaufen – ich will, dass mein Geschäft weiterlebt. Mit Stil, aber auch mit Seele.“