AUDIO: Albumrezension: „Dream Requiem“: Ein Oratorium von Rufus Wainwright (5 Min)
Stand: 22.08.2025 16:05 Uhr
Rufus Wainwrights Monumentalwerk „Dream Requiem“ wird heute mit mehr als 150 Mitwirkenden in der Hamburger Elbphilharmonie aufgeführt – darunter Schauspielerin Isabelle Huppert als Erzählerin.
Rufus Wainwright ist nicht nur einer der vielseitigsten Pop- und Folkmusiker, sondern komponiert auch Soundtracks, Musicals und Opern. Sein neuestes Großprojekt ist während der Corona-Pandemie entstanden und heißt „Dream Requiem“. Inspiriert ist es von Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“. „Meine gesamte Opernkarriere begann eigentlich mit Verdi“, erzählt der Komponist im Interview mit NDR Kultur. „Als ich etwa 13 Jahre alt war, hörte ich eine Aufnahme von Verdis Requiem mit Leontyne Price und Jussi Björling, und am Ende dieser zwei Stunden war ich ein völlig anderer Mensch. Ich wurde zum Opernfanatiker.“
Es gilt als sein Durchbruch in der Klassikbranche: das „Dream Requiem“. Rufus Wainwrights Oratorium ist nun als Album erhältlich.
Rufus Wainwright: Von der Isolation inspiriert
Nach der Pariser Uraufführung wird das Stück nun am Freitag in der Elbphilharmonie auf die Bühne gebracht. „Ich werde da sein. Ich freue mich riesig darauf, mit Isabelle Huppert, der großartigen französischen Schauspielerin, zusammenzuarbeiten – und ich liebe diesen Saal. Es wird fantastisch werden.“ Dazu fährt Wainwright Kesselpauke, Becken, Streicher, Chor und Sopran gleichzeitig auf und riskiert Überladenheit wie Verzerrung. In puncto Lautstärke und Drama versucht Wainwright seinen geliebten Verdi noch zu überbieten.
Wegweisend war für ihn Giuseppe Verdis Requiem, das er zum ersten Mal mit 13 Jahren hörte. „Mein Requiem sollte mindestens so gut ausfallen wie das von Verdi, wenn nicht sogar noch besser. Das war die Herausforderung, anstatt mich an Komponisten zu orientieren, die ziemlich lahme Requien geschrieben haben, wie Dvorak. Mein Ziel war, dass es auf einem Level mit der besseren Gesellschaft sein sollte“, erzählt der Komponist. „Dream Requiem“ ist das bisher monumentalste Werk von Rufus Wainwright. „Es ist ein Requiem für den menschlichen Kontakt, die Solidarität und die Stimme – drei Dinge, die während der Pandemie plötzlich wegen der Ansteckungsgefahr als gefährlich galten.“
Zeitlose Liturgie vermischt mit atemberaubendem Finale
Requien haben für Wainwright eine gewisse Anziehungskraft, weil sie direkt auf den Punkt kommen. „Schon der lateinische Text ist fantastisch, denn es geht um Erlösung und Vergebung, um Seelenheil und Verdammnis und um das Paradies, also sehr aktuell“, schildert der US-Amerikaner. „Ich glaube, ich wurde auf seltsame Weise stark von der Kirche beeinflusst. Sie war für mich immer etwas sehr Fernes und Geheimnisvolles. Ich glaube, für mich war der Chor, der auf Latein sang, eine Möglichkeit, auf seltsame Weise meine religiösen Gedanken und Gefühle auszudrücken, ohne religiös sein zu müssen.“
Den Text der Totenmesse behält Wainwright bei und verschränkt ihn mit Lord Byrons Gedicht „Darkness“. Lord Byron beschreibt darin einen apokalyptischen Weltuntergang. Wainwright hatte beim Komponieren aber durchaus auch aktuelle Katastrophen vor Augen: den Klimawandel und die schrecklichen Waldbrände, die auch an seinem aktuellen Wohnort Los Angeles immer wieder wüten. „Mein Mann, meine Tochter und ich leben nun schon seit etwa zehn Jahren in L.A. Wir haben also schon viele Brände erlebt“, erzählt Wainwright im Interview mit NDR Kultur. „Es ist schon verrückt: als das Requiem herauskam, war gerade die Zeit der großen Brände in L.A. Und das Cover des Albums zeigt mich, umgeben von Flammen, während das in meiner Heimatstadt buchstäblich passierte.“
Requiem ist Verdi und seinem verstorbenen Hund gewidmet
Gelesen wird das Gedicht auf Französisch (mit deutschen Untertiteln) von der vielseitigen Isabelle Huppert. Die Theater- und Filmschauspielerin feierte mit Paul Verhoevens Erotikthriller „Elle“ (2016), in dem sie ein Vergewaltigungsopfer spielt, ihren größten Erfolg der vergangenen Jahre. Gewidmet hat Rufus Wainwright das Stück neben Giuseppe Verdi seinem verstorbenen Hund. „Unser erster Hund hieß Puccini, er war sehr süß und noch ein Welpe. Leider hatten wir ihn nur etwa acht Wochen lang, denn er wurde während einer Reise von einem großen Hund getötet“, schildert der Komponist. „Das war eines der traumatischsten Ereignisse, die wir je erlebt haben, und deshalb möchte ich Teile des Requiems diesem Hund widmen. Auch weil der bewegendste Teil des Gedichts von einem kleinen Hund handelt, der stirbt, passt es gut zum Gedicht.“
Inspiriert von der Isolation und dem Verlust, vereint dieses Stück zwei Chöre, großes Orchester, Sopran-Soli und eine Erzählstimme zu einer beeindruckenden Reflexion über Trauer, Resilienz und ökologische Katastrophen.
Drei Wochen lang kommen Kunstschaffende aus der ganzen Welt. Darunter die Choreografin Oona Doherty und der Sänger Rufus Wainwright.