Sei es auf Frühstücksbrettchen, Zwiebelsäckchen oder gravierten Bierhumpen – der flachste Spruch findet überall seinen Platz. Und trotzdem kann es der ganze Stolz sein, wenn das Kindergartenkind als Geschenk eine Tasse mit der Aufschrift „Der beste Papa der Welt“ überreicht. Moritz Netenjakob ist der Versuchung verfallen, diesen Spruch als Titel für sein neues Buch zu wählen.

Witzige Wandlungen

Und so sehr der Comedian und Bestsellerautor auch die Balance zwischen Banalem und Tiefschürfenden zu halten versucht, so trüb sind die Tassen-Pointen leider oft gesetzt. In seiner deutsch-türkischen Familie erlebt der Protagonist Daniel, den Netenjakob schon in „Macho Man“, „Der Boss“ oder „Milchschaumschläger“ auftreten ließ, wieder zahlreiche Lustigkeiten, die kurzweilig mal eben 360 Seiten füllen. Von den 68ern erzogen, lernt Daniel neue Sichtweisen kennen, macht Wandlungen durch, die immer wieder witzig geschildert sind.

Nun ist er der Helikoptervater, der alles richtig machen will. Und dabei ist er eben ein zum Scheitern Verurteilter. Mit Selbstironie wechselt der Held von der Couch der Psychologin hin zur Achterbahnfahrt mit Kind im Phantasialand, begibt sich auf die Gratwanderung zwischen Selbstoptimierung und Rückfällen in die immer und überall klaffende Verwöhnfalle.

Das türkische Temperament seiner Frau Aylin und ihrer Familie spielt in der Geschichte eine tragende Rolle, denn ein Buch wie „Maria, ihm schmeckt’s nicht! Geschichten von meiner italienischen Sippe“, das Jan Weiler 2003 veröffentlichte, hat es vorgemacht, wie spaßig das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Sozialisationen sein kann. Weiter ging es in der Gesellschaft seither mit immer rasanteren Debatten um Genderwahn und einer Politischen Korrektheit, die Netenjakob fleißig zitiert und kolportiert.

Überzeichneter TV-Star

Überzeichnet, aber trotzdem gelungen ist die Figur des Rudolf Prinz, eines ausrangierten TV-Stars aus dem Hahnwald, der Daniel als Ghostwriter für seine Memoiren engagiert. Aus nächster Nähe erlebt der junge Vater, wie es einem „alten weißen Mann“ ergehen kann. Dieser gibt aber nicht so schnell klein bei und gerät mit aufgesetzter Wokeness immer wieder in neue Verstrickungen und Peinlichkeiten, die zu lesen amüsant sind. Gegenstück zur mondänen Prinzen-Welt ist die Schule, in der ebenfalls alle gesellschaftlichen Entwicklungen gespiegelt werden. Sei es, dass auf einmal alle Eltern süße Hundewelpen kaufen und per Doodle-Abfrage die Besuche der Spielgefährten organisieren.

Daniel und seine Tochter Lara, alias Krümeline, werden von Mutter Aylin jedoch immer wieder ausgebremst. Und so bleibt es beim Hamster. Die ganze Familie nimmt Anteil, als dieser stirbt, und schnell wird klar, dass Daniels Vater ganz andere Vorstellungen vom Jenseits hat, den Hamsterhimmel nicht ganz akzeptieren kann. Der Sohn ist entrüstet, denn in dieser rauen Welt muss man einem Kind doch etwas Versöhnliches vermitteln. Es kommt zur Aussprache, bei der herauskommt, dass Daniels Vater als Kind bittere Erfahrungen mit der Kirche machte.

Töchterchen Lara ist derweil eine kleine Prinzessin, die aber leider auch dafür sorgt, dass Daniel und seine Frau sehr wenig Zeit füreinander haben. Die Romantik kommt zu kurz und kann sich auch auf einem Tripp zu zweit an die Loreley nicht wirklich einstellen. Zu beängstigend sind die Meldungen aus dem Elternhaus von Daniel, dass zwar sehr intellektuell, aber nicht mehr ganz kindgerecht beim Babysitting ist. Ein Mehr-Generationenbuch ist der Roman insofern auch, dass noch die an Demenz erkrankte Großmutter besucht wird.

Toxische Männlichkeit

Die wiederum erinnert sich sehr genau an Rudolf Prinz, an dem sich verschiedene Konflikte entzünden: Viele der Älteren verehren ihn, die Jüngeren sehen in ihm alles das, was sie unter „toxische Männlichkeit“ verstehen. Wie verhält sich Biograf Daniel dabei, der ebenfalls zu den Prinz-Fans gehört? Auch das ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die zeigt, wie verloren ein Mann sein kann, wenn die Idole der Kindheit und Jugend auf einmal nicht mehr salonfähig sind. Die Reizthemen satirisch gekontert Moritz Netenjakob streift gesellschaftliche Reizthemen und nimmt ihnen die Luft raus, indem er zur Satire greift. Manchmal fragt man sich als Leser zwar, auf welcher Seite er den nun steht. Daniels Frau Aylin aber weiß es dafür umso besser.

Sie sagt es ihm in einer Whatsapp-Sprachnachricht: „Du hast dich zwar gerade wie ein Vollidiot aufgeführt, aber irgendwie fand ich es auch klasse. Also, dass du mal nicht der Gandhi warst, der für alles Verständnis hat und keine Grenzen setzt, sondern … weißt du, immer bist du der Gute und ich die Böse. Aber gerade eben ….“ Was war passiert? Die gerade eingeschulte Tochter hat den ersten Schlafbesuch eines männlichen Klassenkameraden in Abwesenheit des allerbesten Papas. Daniel, der mit Rudolf Prinz gerade unterwegs ist und in einem Hotel eigentlich nur noch seinen Rausch ausschlafen will, tobt und wird zum so gar nicht knuffigen Tier.

Moritz Netenjakob: Der Beste Papa der Welt, Kiepenheuer & Witsch, 360 S. 18 Euro.