Zitat von GonzoFronzo
Zitat von arche
Die interessanteste Aussage von Kovac in der ansonsten ziemlich substanzlosen Pressekonferenz, abgesehen vom Hinweis, Adeyemi werde nicht als Wingback eingesetzt, war für mich, wie sich diejenigen denken können, die meine Betrachtungen zum Saisonstart seit vielen Jahren gelesen haben, folgende:
„Der erste Spieltag ist sehr wichtig, aber ich bewerte eine Bundesligasaison oder einen Auftakt nicht nach dem ersten Bundesligaspieltag, sondern eigentlich nach sechs Spielen, drei Heim-, drei Auswärtsspielen, dann kann man in etwa sagen, ok, wo steht man, was kann man noch erwarten… .“
So selbstverständlich, geradezu nebenbei als absolut gesicherte Gewissheit formuliert, habe ich die von mir hier schon oft ausgebreitete These von einem Offiziellen bisher noch nicht gehört: Nach 6 Spieltagen weiß man im Wesentlichen bis auf wenige Ausnahmen, welche Vereine in der oberen und welche in der unteren Tabellenhälfte in der Saison landen, welche Vereine im Abstiegskampf sein werden, nämlich diejenigen mit 6 Punkten oder weniger nach 6 Spieltagen, und welche Vereine wahrscheinlich im oberen Tabellendrittel sein werden. Was man noch erwarten kann, weiß man, wie Kovac richtig sagt, nach 6 Spielen.
Für die aktuelle Saison gilt es allerdings einige extrem ungleichgewichtige Spielpläne der ersten 6 Spieltage für die Vereine zu beachten, die wahrscheinlich im Konkurrenzkampf um die internationalen Plätze stehen werden. Das aber werde ich im Thread „Bundesligakonkurrenz“ darlegen.
Bis auf wenige Ausnahmen:
24/25 Union Platz 6, Heidenheim Platz 7, Leipzig Platz 2.
23/24 Mainz Platz 18, Union 11
22/23 Union Platz 1, Freiburg Platz 2, Hoffenheim Platz 4, Leipzig Platz 10, Wolfsburg Platz 16.
21/22 Wolfsburg Plat 3, Leipzig Platz 10, Stuttgart Platz 13
20/21 Augsburg Platz 6, Bremen Platz 9, Mainz Platz 18
usw.
Ist schön, wenn sich einige Vereine in der Tabelle wenig bewegen was die Platzverteilung angeht, aber Spieltag 6 ist absolut nichtsagend.
Spoiler, das oben sind die Vereine mit den größten Tabellensprüngen von Spieltag 6-34 und viele andere Vereine springen halt 3-4 Plätze, was aber teils schon viel ist, weil es eben bedeutet, keine CL, keine EL, kein Abstieg. Wenn die Liga 40 Mannschaften hätte, wäre das wenig, aber wenn bei 18 Mannschaften zwischen 2 und 3 Teams sogar regelmäßig komplett in anderen Tabellenregionen landen, bedeutet das sehr wohl, dass es keine Aussagekraft hat. Es ist easy zu sagen, wenn ein Team nach Spieltag 6 nur auf der 7 steht und dann noch die CL erreicht, dass man es angeblich gut sehen kann. Nur landen die Teams auf 7 auch gerne mal auf 11-12. Also wo ist da irgendeine Tendenz zu erkennen? Bremen ist 20/21 abgestiegen nachdem sie auf Platz 9 standen nach 6 Spieltagen? Wie erklärst du das?
Ich finde diese Aussage von Kovac ist einfach nur starres Schubladendenken, obwohl er selbst gerade gezeigt hat, dass selbst wenn alle ein Team abschreiben es doch noch in die CL kommen kann.
Der BVB kann nach Spieltag 6 auf der 1 stehen und es ist klar, dass das keine Tendenz für die Saison darstellt. Andere Teams wie Bayern werden so oder so, selbst wenn sie nach Spieltag 6 mal nur auf der 6 oder 7 sind auf den ersten 1-2 oder zur Not 1-3 Plätzen landen.
Klingt eher so, als wenn sich der BVB nach 6 Spieltagen an den Tisch setzen will und den Vertrag verlängern will und die DFL hat Kovac mit dem leichten Programm einen riesigen Gefallen getan.
Das könnten 18 Punkte werden, gerade auch weil das einzige Spitzenteam zum BVB kommt. Und Spieltag 7 blendet er aus, weil es dann bei den Bayern wahrscheinlich eine Klatsche gibt.
Teilweise widersprechen deine Aussagen meinen gar nicht, teilweise muss man genauer hinschauen, um so weitreichende Aussagen, wie du sie formulierst, völlig oder zumindest in ihrer Absolutheit widerlegen zu können..
(Am Rande: Irgendwie klingt dein Beitrag pampig. Falsche Wahrnehmung von mir? Ansonsten, warum?)
2020/21
Mainz, das 0 Punkte nach 6 Spieltagen hatte, war auch noch am 27. Spieltag stark abstiegsgefährdet (2 Punkte vor Bielefeld auf dem 17.).
11. Augsburg … 32
12. Hoffenheim 30
13. Bremen ……30
14. Hertha ……. 25
15. Mainz ……… 25
16. Köln ……….. 23
17. Bielefeld …. 23
18. Schalke …… 10
Ab dem 28. Spieltag, 7 Spiele vor Saisonschluss, holte Mainz 14 von 21 möglichen Punkten, Hoffenheim 13, Bielefeld 12, Hertha 10, Köln 10, Schalke 6, Augsburg 4 und Bremen 1.
34. Spieltag
11. Hoffenheim 43
12. Mainz 39
13. Augsburg 36
14. Hertha 35
15. Bielefeld 35
16. Köln 33
17. Bremen 31
18. Schalke 16
Trotz dieser außergewöhnlichen Punkteverteilung im Schlussspurt konnte Mainz die untere Tabellenhälfte nicht verlassen, entkam aber immerhin klar der Abstiegszone. Hauptgrund dafür war neben der eigenen hohen Punkteausbeute (inkl. eines Sieges gegen München) die Misere von Augsburg und v.a. von Bremen und die etwas schwächeren Ergebnisse von Bielefeld, Köln und Hertha. Mainz kann dennoch nicht als Ausnahme gelten, weil es in der unteren Tabellenhälfte blieb und nur um einen Platz dem unteren Tabellendrittel entkam.
Auf den ersten Blick waren die Ausnahmen der Saison Bremen und Augsburg (abwärts) und dadurch logischerweise auch wegen Wechsel zwischen oberer und unterer Tabellenhälfte Frankfurt und Wolfsburg (aufwärts). Allerdings war die Tabellenkonstellation am 6. Spieltag zwischen dem 5. und 11. Platz auch eine sehr enge, sodass zwei „Absteiger“ und zwei „Aufsteiger“ gut möglich waren:
05. M’gladbach 11
06. Augsburg 10
07. U. Berlin 9
08. Stuttgart 9
09. Bremen 9
10. Frankfurt 9
11. Wolfsburg 8
12.Hoffenheim 7
Dass Bremen sogar noch echter Absteiger wurde, lässt Bremen als echte Ausnahme erscheinen, Augsburg nur mit Einschränkung, weil es nur 2 bzw. 3 Punkte Vorsprung auf den 11. und 12. Platz hatte. Frankfurt , denn es war punktgleich mit Vereinen bis zum 7. Platz, ist mit noch größeren Einschränkungen eine Ausnahme, Wolfsburg hingegen, das noch 5. wurde, also 6 Plätze gutmachte, kann als Ausnahme betrachtet werden. Zwei klare Ausnahmen, zwei Ausnahmen mit erheblichen Einschränkungen.
So aufwendig kann ich selbstverständlich nicht jede Saison darstellen, um deine Aussagen zu widerlegen oder zumindest zu relativieren. Ich möchte erst noch mal daran erinnern, wie die These vom bedeutsamen 6. Spieltag entstanden ist.
Mir fiel vor einigen Jahren auf, wie hoffnungsvoll viele Fans und Anhänger von Vereinen, die nicht so gut performten und punkteten, darauf verwiesen, dass doch erst sehr wenig Spiele gespielt seien. Diese Begründung für bessere Zeiten wurde (und wird übrigens immer noch) bis zum 10., 11. 12. Spieltag vorgetragen. Die Saison-Halbzeit wurde und wird dazu genutzt zu betonen, schließlich sei erst die Hälfte der Spiele absolviert. Zwar werden die Hoffnungsvollen schrittweise stiller, aber selbst noch bei wenigen Spielen wird von manchen bei fortgeschrittener Saison fast trotzig darauf insistiert, immerhin seien noch 24 oder 18 oder 12 Punkte zu vergeben.
Da ich als ehemaliger Lehrer der Sozialwissenschaften Meinungen, starre Behauptungen, wiederkehrende Erzählungen, Narrative etc. schon immer gerne überprüft habe, machte ich mich an die Tabellen zurückliegender Spielzeiten heran, um zu überprüfen, welche empirische Basis diese hoffnungsvollen Fanäußerungen haben. Und tatsächlich wurde ich fündig, denn mehr als zwei „Absteiger“ und deshalb zwei „Aufsteiger“, also Wechsler in eine andere Tabellenhälfte gab es nahezu nie. Erst nahm ich mir den 8. und 9. Spieltag im Vergleich zum Saisonergebnis vor und ging dann noch weiter zurück und kam auf den 6. Spieltag, also nicht einmal 20% der Spiele einer Saison, an dem das Endergebnis der Spielzeiten bzgl. des Abschneidens der Vereine zwar nicht hinsichtlich des exakten Tabellenplatzes, aber eben bzgl. der Tabellenhälfte zu ungefähr 75% bereits feststand. Nicht ganz so eindeutig, aber immer noch signifikant galt und gilt das auch für das obere und untere Tabellendrittel.
Zum Abschluss meiner Antwort auf deinen Beitrag deshalb ein Vergleich der letzten 5 Spielzeiten bzgl. oberem und unterem Tabellendrittel.
4-mal waren im oberen Tabellendrittel 4 von 6 Vereinen zum Saisonabschluss, die bereits nach 6 Spieltagen dort waren, 1-mal waren es 5 Vereine. Das sind 70%.
3-mal waren im unteren Tabellendrittel 4 von 6 Vereinen zum Saisonabschluss, die bereits nach 6 Spieltagen dort waren, 2-mal waren es 5 Vereine. Das sind gut 73%.
Die nach dem 6. Spieltag aus dem oberen Tabellendrittel herausgefallenen Vereine waren zum Saisonende
2020/21: 8. und 13.
2021/22: 8. und 12.
2022/23: 9. und 12.
2023/24: 7. (hier standen nach 6 Spielen sogar die ersten drei Plätze schon fest)
2024/25: 7. und 13.
Die nach dem 6. Spieltag aus dem unteren Tabellendrittel „entkommenen“ Vereine waren zum Saisonende
2020/21: 10. und 12.
2021/22: 11.
2022/23: 6. und 8. (ein außergewöhnlicher Aufstieg von Leverkusen und Wolfsburg)
2023/24: 11.
2024/25: 10 und 12.
Bis auf Leverkusen und Wolfsburg konnten alle Vereine die untere Tabellenhälfte demnach nicht verlassen.
Ich denke, das reicht als Nachweis für ein valides Aussagenbündel zum Bundesligafußball. Die Aussagen sind letztlich ja auch gar nicht so aufregend, denn sie besagen ja „nur“, dass das Leistungsvermögen und damit auch die Punkteausbeute zwar Schwankungen unterliegen können, dass aber mit wenigen Ausnahmen bereits frühzeitig in einer Saison Leistungsvermögen und Punkteertrag deutlich werden und eine Saisonprognose ermöglichen.
Einen exakten Platz kann man nicht voraussagen, das ist richtig, und deshalb bleibt auch die Spannung bzgl. der internationalen Plätze und des Abstiegs erhalten. Selbst die Meisterschaft ist trotz Existenz eines Vereins, wie München ihn beherbergt, selbstverständlich nach 6 Spielen noch nicht klar prognostizierbar.
Da ich es nicht lassen konnte, habe ich aber auch das überprüft – und zwar seit der Meisterschaft 2000. 13-mal stand der Meister auch am 6. Spieltag bereits auf dem 1. Platz, 13-mal nicht. 12-mal war Bayern München auch am 6. Spieltag schon auf dem 1. Platz, einmal (2024) war es Leverkusen. 7-mal standen die Münchener bei ihren insgesamt 19 Meisterschaften am 6. Spieltag noch nicht auf dem ersten Platz, immer aber waren sie bereits im oberen Tabellendrittel. Nur Stuttgart (2007), Wolfsburg (2009) und der BVB (2012) standen bei ihren Meisterschaften nach 6 Spielen noch nicht auf dem 1. Platz, sondern Stuttgart auf dem 12. (allerdings nur mit 3 Punkten Abstand auf den 1.), Wolfsburg auf dem 8. (mit 4 Punkten Rückstand auf den 1.) und der BVB auf dem 11. (mit 8 Punkten Rückstand auf den 1.).
Die Meisterschaft ist demnach am 6. Spieltag nicht prognostizierbar, weil der 1. nach 6 Spielen seit 2000 zu 50% Meister wird und zu 50% nicht.
Randbemerkung:
Die Dominanz der Bayern, das zeigen meine Darlegungen leider auch, ist erdrückend. Jeder Fußballbegeisterte, der zwar Anhänger eines Vereins (abgesehen von den Bayern-Fans) ist, aber Fußball eben auch als faszinierenden Sport betrachtet, wendet sich bzgl. der Bundesligameisterschaft mit Grausen ab und konzentriert sich auf die anderen spannenden Fragen wie Qualifikation für die internationalen Wettbewerbe und den Abstiegskampf. Es täte dem Thread „Bundesligakonkurrenz“ sehr gut, wenn die Entwicklungen und Vorkommnisse der Münchener Bayern völlig ignoriert würden, bis die Meisterschaft möglicherweise in weiter Zukunft mal wieder völlig offen ist.
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Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird;
aber soviel kann ich sagen, es muß anders werden, wenn es gut werden soll.
Georg Christoph Lichtenberg