DruckenTeilen
Frankfurts Wohnungsamt hat Tausende Inserate untersucht: Bei 40 Prozent sieht sie eine mögliche Mietpreisüberhöhung. Die Amtsleiterin setzt auf Aufklärung, hofft aber auch auf den Gesetzgeber.
Frankfurt – Die städtische Wohnungsgesellschaft ABG Frankfurt Holding wird die Mieten für frei finanzierte Wohnungen bis 2030 höchstens um ein Prozent im Jahr erhöhen. Diese Verlängerung des Mietenstopps wird sich auch dämpfend auf die ortsübliche Vergleichsmiete auswirken. Sie ändert allerdings nichts am riesigen Problem, vor dem Menschen stehen, die nach Frankfurt ziehen wollen oder innerhalb des Stadtgebiets umziehen (müssen).
Denn Wohnraum ist in der wachsenden Stadt knapp. Entsprechend hoch sind die Mietvorstellungen von Eigentümerinnen und Eigentümern. Das Frankfurter Amt für Wohnungswesen hat die Situation in einem Pilotprojekt analysiert. Katharina Wagner steht seit November 2023 an der Spitze des Amts.
„Wir brauchen bezahlbare Wohnungen in Frankfurt“
Frau Wagner, was raten Sie eigentlich Menschen, die in Frankfurt eine für sie bezahlbare Wohnung suchen?
Ich rate auf jeden Fall immer dazu, sich nicht nur auf den gängigen Immobilienportalen umzugucken, sondern den Blick zu weiten und sich etwa bei den großen Wohnungsbaugesellschaften, also ABG, NH oder auch GWH, direkt online zu registrieren und vielleicht auch zu versuchen, bei einer Genossenschaft unterzukommen.
Die großen Wohnungsgesellschaften haben in der Regel lange Wartelisten. Auch die Nachfrage nach Sozialwohnungen übersteigt das Angebot deutlich. Was auf den gängigen Immobilienportalen angeboten wird, ist in der Regel extrem teuer. Nutzen viele Vermieterinnen und Vermieter die Not Wohnungssuchender aus, indem sie so hohe Mieten verlangen?
So weit würde ich nicht gehen. Bei manchen privaten Vermietenden haben die hohen Mietvorstellungen auch mit Unwissenheit über die gesetzlichen Regelungen zu tun. Manche wohnen etwa im Ausland. Und dann gibt es noch den Effekt, dass sich Menschen, die eine Wohnung inserieren, an dem Niveau orientieren, das in den Inseraten für eine Stadt üblich ist.
Das Wohnungsamt hat mit dem Projekt Mietenmonitor mit einem privaten Dienstleister Inserate auf drei großen Immobilienportalen ausgewertet. Im Februar hieß es, bei 42 Prozent der im Januar gesehenen Inserate bestehe der Verdacht, dass die genannten Miethöhen nicht den gesetzlichen Regelungen entsprächen, also mindestens gegen die Mietpreisbremse verstießen. Haben die weiteren Auswertungen dieses Bild erhärtet?
Ja. Bei etwa 40 Prozent der Inserate, die wir von Januar bis März ausgewertet haben, gibt es den Verdacht auf eine überhöhte Miete. Da geht es, obwohl wir im Zweifel eher zugunsten des Vermietenden rechneten, um etwa 2700 Wohnungen, die für eine Miete von mindestens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete angeboten werden. Darunter waren etwa 1000 Wohnungen, deren Miete sogar mehr als 20 Prozent über der Vergleichsmiete lag, also der Verdacht auf Mietpreisüberhöhung nach Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes besteht. Bei rund sieben Prozent der Inserate mit unmöblierten Wohnungen wurde die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 Prozent überschritten – bei möblierten Wohnungen war die Quote sogar noch höher. Rund 20 Prozent der Inserate lagen hier drüber.
Wer in Frankfurt eine bezahlbare Wohnung finden will, braucht viel Glück. Manche nutzen diese Not aus. © Monika Müller
Etwa jede fünfte möblierte Wohnung in Frankfurt wird 50 Prozent über der ohnehin sehr hohen Vergleichsmiete angeboten? Ist das nicht erschreckend viel?
Ja, erst mal ist das krass. Aber die Schätzungen in diesem Segment sind schwierig, weil zum Teil auch etwa Serviceleistungen in die Miete reingerechnet werden. Allgemein sind die Angebotsmieten in diesem Bereich extrem hoch. Im Schnitt liegen sie nach unserer Auswertung bei 27,50 Euro pro Quadratmeter.
Das Wohnungsamt hat als Teil des Projekts inzwischen die Eigentümerinnen und Eigentümer von 959 Wohnungen angeschrieben, die möglicherweise zu überhöhten Mieten angeboten wurden. Wie war die Resonanz?
Eher überschaubar. 30 Vermietende haben sich gemeldet, die meisten gaben an, sie seien zu Unrecht angeschrieben worden, etwa, weil es sich um eine Neubauwohnung handele, was aus dem Inserat nicht hervorging. Wir haben aber tatsächlich auch einzelne Rückmeldungen, in denen es hieß: Vielen Dank, wir machen es jetzt noch mal ordentlich. Letztlich handelt es sich aber um eine Aufklärungskampagne. Wir handeln nicht gegen Vermietende.
Wie geht es mit dem Projekt Mietenmonitor weiter?
Wir sind uns mit dem Dezernat einig, dass wir das Monitoring weiterführen wollen. Es ist aus unserer Sicht sehr sinnvoll, nicht nur die Mietenden, sondern auch die Vermietenden auf die Rechtslage hinzuweisen. Wir spüren immer wieder, dass etwa die Regelungen der Mietpreisbremse viel zu wenigen bekannt sind. Wir brauchen bezahlbare Wohnungen in Frankfurt. Mietpreisüberhöhungen oder gar Mietwucher können wir nicht hinnehmen. Auch, weil diese über den Mietspiegel das ohnehin hohe Mietniveau noch weiter steigen lassen. Wir wollen als Stadt schon deshalb zeigen, dass wir die Mietengesetzgebung sehr ernst nehmen. Dabei bauen wir darauf, dass es sehr viele Menschen gibt, die fair vermieten.
Die Stadt Frankfurt geht ja auch rechtlich gegen Mietpreisüberhöhungen vor. Wie erfolgreich sind Sie da?
Uns geht es vor allem darum, gütliche Einigungen zu erzielen. Das hat den Vorteil, dass wir die Menschen direkt erreichen, dass ihre Miete reduziert wird und sie die zu viel gezahlten Mieten zurückbekommen. Damit sind wir nach wie vor ziemlich erfolgreich.
Lässt sich das beziffern?
Wir konnten erreichen, dass Mieterinnen und Mieter im Jahr 2024 zusammengerechnet rund 50 000 Euro zu viel bezahlte Miete zurückerstattet bekamen. Die Gesetzeslage macht es uns allerdings nicht einfach. Falls ein Fall vor Gericht geht, müssen wir nachweisen, dass der Haushalt in irgendeiner Form ausgenutzt wurde. Wir sind der Auffassung, dass der angespannte Wohnungsmarkt in Frankfurt dafür Begründung genug liefert und keine Einzelfälle betrachtet werden müssen. Letztlich hoffen wir auf eine Gesetzesänderung durch den Bund, die mehr Klarheit bringt.
Was müsste sich noch ändern, um das Problem überhöhter Mieten in den Griff zu bekommen? Wenn Leute in Frankfurt keine für sie bezahlbare Wohnung finden, hat das ja gravierende Auswirkungen, etwa, weil das den großen Personalmangel in vielen Bereichen noch verstärkt.
Wir brauchen zum einen mehr Neubau. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Förderprogramme für den geförderten Wohnungsbau jetzt angepasst wurden. Das wird den Wohnungsbau ankurbeln. Ich hoffe, dass die großen Akteure nun weniger zurückhaltend agieren. Wir brauchen diesen Neubau dringend für die rund 8000 Haushalte, die aktuell auf eine geförderte Wohnung warten. Bauen ist derzeit aber so teuer, dass keine günstigen Wohnungen entstehen. Deshalb müssen wir alles tun, um bezahlbare Bestandsmieten zu erhalten. Darauf zielt ja auch ein Projekt wie der Mietenmonitor ab. In den nächsten Jahren kommt eine große Modernisierungswelle auf uns zu, die ist für den Klimaschutz notwendig. Damit dadurch die Mieten nicht weiter steigen, muss man noch einiges tun, zum Beispiel Modernisierungsumlagen stärker begrenzen und Förderungen erhöhen. Als Stadt haben wir dafür schon das Programm Modernisierungsbonus.
Ist denn die Mietpreisbremse in der jetzigen Form wirksam genug? Ihre Auswertungen sprechen ja nicht unbedingt dafür.
Sie ist schon ein grundsätzlich gutes Instrument. Noch immer gelten aber etwa Gebäude schon ab Baujahr 2014 als Neubau und sind somit von der Regelung ausgenommen. Das sollte man auf jeden Fall ändern. Hemmnis ist aber vor allem: Die Mietpreisbremse muss viel bekannter werden. Dazu tragen wir mit unseren Informationskampagnen und Beratungsangeboten bei.
Was raten Sie Leuten, die Angebote mit überhöhten Mieten erhalten? Erst einmal einziehen?
Ja. Vor Einzug über die Miethöhe verhandeln zu können, ist illusorisch. Die Furcht, dass dann jemand anderes die Wohnung bekommt, ist zu Recht hoch. Nach Einzug kann man mal recherchieren. Mit unserem Mietspiegelrechner kann man online herausfinden, wie hoch die ortsübliche Vergleichsmiete ist. Liegt die Miete mehr als zehn Prozent darüber, zahlt man mutmaßlich zu viel. Dann kann ich meinen Vermieter anschreiben und darauf hinweisen. Ich würde mich aber vorher professionell beraten lassen – beim Mieterschutzverein oder bei uns im Amt für Wohnungswesen. Bestenfalls bekommt man die zu viel gezahlte Miete zurück. Wichtig ist: Es ist das gute Recht von Mieter:innen, das zu tun, sie können deswegen nicht gekündigt werden. `
Das Projekt
Das Frankfurter Wohnungsamt hat von Januar bis März mit dem „Mietenmonitor“ Inserate auf den Plattformen immoscout24.de, immowelt24.de und wg-gesucht.de analysiert und die darin geforderten Mieten mit der überschlagenen ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel verglichen.
Bei 2679 Inseraten sieht das Amt eine mögliche Mietpreisüberhöhung: Verstöße gegen die Mietpreisbremse, Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes oder Mietwucher.
Mit dem Projekt setzt die Stadt auf Aufklärung. Das Amt hat die Eigentümer:innen von 959 Wohnungen, die zu auffälligen Miethöhen inseriert wurden, angeschrieben und auf die Rechtslage hingewiesen.
Die Mietpreisbremse soll verhindern, dass Wohnungen zu Mieten neu vergeben werden, die mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Eine Mietpreisüberhöhung nach Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes kann vorliegen, wenn die Miete mehr als 20 Prozent über Vergleichsmiete liegt.
Für Mietwucher nach Paragraf 291 des Strafgesetzbuchs liegt diese Grenze bei 50 Prozent über Vergleichsmiete.
Das Amt für Wohnungswesen bietet viele Informationen zum Thema, etwa einen Mietspiegelrechner: frankfurt.de/mietspiegel-rechner